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ArbeitszeitgesetzGesetzentwurf zur Änderung des ArbZG: Pflicht zur elektronischen Arbeitszeiterfassung!

31.05.2023Ausgabe 6/20235min. Lesedauer
Von Rechtsanwalt, Fachanwalt für ArbeitsR, MedizinR, Handels- und GesellschaftsR Benedikt Büchling, Hagen, kanzlei-am-aerztehaus.de

Am 18.04.2023 hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) den ersten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Arbeitszeitgesetzes (ArbgG) vorgelegt. Damit reagiert das BMAS auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG), mit der klargestellt wurde, dass Arbeitgeber die Arbeitszeit ihrer Beschäftigten systematisch erfassen müssen (Beschluss v. 13.09.2022, Az. 1 ABR 22/21). Konkret sind Arbeitgeber jetzt verpflichtet, den Beginn, die Dauer und das Ende der Arbeitszeit zu erfassen – einschließlich der Überstunden und Pausenzeiten.

Die bisherige Rechtslage

Gemäß § 16 Abs. 2 Arbeitszeitgesetz (ArbZG) sind Arbeitgeber schon bisher verpflichtet, die über die werktägliche Arbeitszeit des § 3 S. 1 ArbZG hinausgehende Arbeitszeit der Arbeitnehmer aufzuzeichnen und ein Verzeichnis der Arbeitnehmer zu führen, die in eine Verlängerung der werktäglichen Arbeitszeit gemäß § 7 Abs. 7 ArbZG eingewilligt haben. Die Nachweise sind mindestens zwei Jahre aufzubewahren. Das „Ob“ der Arbeitszeiterfassung, also dass der Arbeitgeber in bestimmten Fällen zur Arbeitserfassung verpflichtet ist, ist also bereits jetzt gesetzlich geregelt.

Unsicherheiten bestanden bisher dahingehend, auf welche Art diese Arbeitszeiterfassungspflicht durch den Arbeitgeber zu erfolgen hat, also das „Wie“ der Arbeitszeiterfassung. Zur Frage nach dem „Wie“ hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) bereits im Mai 2019 entschieden, dass die Mitgliedstaaten Arbeitgeber verpflichten müssen, „ein objektives, verlässliches und zugängliches System einzurichten“, mit dem die Arbeitszeit der Arbeitnehmer erfasst wird (Urteil vom 14.05.2019, Az. C-55/18).Das BAG hat diese EuGH-Entscheidung aufgegriffen und im September 2022 auch das „Wie“ der Arbeitszeiterfassung insofern konkretisiert, dass Arbeitgeber eine uneingeschränkte Pflicht zur elektronischen Arbeitszeiterfassung treffe .

Was regelt der Gesetzentwurf?

Der Gesetzentwurf setzt diese richterlichen Vorgaben nunmehr um. Nach der Zielsetzung des BMAS erleichtert die Erfassung der Arbeitszeiten dem Arbeitgeber die Kontrolle der gesetzlichen Höchstarbeitszeiten und Mindestruhezeiten. Sie leistet damit auch einen Beitrag, um die Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in einer flexiblen Arbeitswelt zu gewährleisten und dient damit dem Arbeitsschutz.

Die wichtigste Änderung erfährt § 16 Abs. 2 ArbZG: „Der Arbeitgeber ist verpflichtet, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmer jeweils am Tag der Arbeitsleistung elektronisch aufzuzeichnen. Er hat ein Verzeichnis der Arbeitnehmer zu führen, die in eine Verlängerung der Arbeitszeit gemäß § 7 Absatz 7 ArbZG eingewilligt haben. Der Arbeitgeber hat die Arbeitszeitnachweise nach Satz 1 und 2 mindestens zwei Jahre aufzubewahren.“ Konkret darf die elektronische Form auch unter Verwendung von Tabellenkalkulationsprogrammen (z. B. Excel) oder per App erfolgen.

Merke

Die handschriftliche Erfassung mit einem späteren Einscannen genügt dem elektronischen Formerfordernis indes nicht!

§ 16 Abs. 8 ArbZG enthält eine nach Unternehmensgröße gestaffelte Übergangsregelung für die Einführung eines elektronischen Systems der Arbeitszeiterfassung:

  • Generell können Arbeitgeber bis zu einem Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes die Arbeitszeit nicht elektronisch, also z. B. handschriftlich aufzeichnen.
  • Für Arbeitgeber mit weniger als 250 Arbeitnehmern gilt die Übergangsregelung zwei Jahre,
  • für Arbeitgeber mit weniger als 50 Arbeitnehmern fünf Jahre.
  • Arbeitgeber mit bis zu zehn Arbeitnehmern (Kleinbetriebe im Sinne des § 23 Kündigungsschutzgesetz) können ihrer Arbeitszeiterfassungspflicht weiterhin zeitlich unbegrenzt in Papierform nachkommen.

§ 16 Abs. 6 ArbZG bestimmt, dass jeder Arbeitgeber verpflichtet ist, „die für die Kontrolle der Einhaltung der Arbeitszeitvorschriften erforderlichen Aufzeichnungen im Inland für die gesamte Dauer der tatsächlichen Beschäftigung der Arbeitnehmer im Geltungsbereich dieses Gesetzes, mindestens für die Dauer der gesamten Werk- oder Dienstleistung, insgesamt jedoch nicht länger als zwei Jahre in deutscher Sprache bereitzuhalten“.

Der Gesetzentwurf stellt in § 16 Abs. 3 und 4 ArbZG klar, dass die Arbeitszeiterfassungspflicht, insbesondere bei sog. „Vertrauensarbeit“, vom Arbeitgeber auf die Beschäftigten delegiert werden kann:

Merke

Bei Verstößen drohen Bußgelder in Höhe von bis zu 30.000 Euro (§ 20 ArbZG).
  • § 16 Abs. 3 ArbZG: „Die Aufzeichnung nach Absatz 2 Satz 1 kann durch den Arbeitnehmer oder einen Dritten erfolgen; der Arbeitgeber bleibt für die ordnungsgemäße Aufzeichnung verantwortlich.“
  • § 16 Abs. 4 ArbZG: „Wenn die Aufzeichnung nach Absatz 2 Satz 1 durch den Arbeitnehmer erfolgt und der Arbeitgeber auf die Kontrolle der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit verzichtet, hat er durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass ihm Verstöße gegen die gesetzlichen Bestimmungen zu Dauer und Lage der Arbeits- und Ruhezeiten bekannt werden.“

Der Arbeitgeber muss zur ordnungsgemäßen Führung der Aufzeichnungen anleiten und die Aufzeichnungen kontrollieren, aufbewahren und „auf Verlangen eine Kopie der Aufzeichnungen zur Verfügung“ stellen (§ 16 Abs. 5 ArbZG).

Merke

Leitende Angestellte (sowie Richter und Beamte) sollen nicht von der neuen Regelung in § 16 ArbZG erfasst sein.

Beschäftigte müssen Überstunden nachweisen

Mit Blick auf die o. g. Rechtsprechung war zuletzt nicht klar, ob Arbeitnehmer weiterhin die Darlegungs- und Beweislast für Überstunden tragen oder aber Arbeitgeber die Überstundenforderungen der Beschäftigten pauschal anerkennen müssen, wenn kein Zeiterfassungssystem besteht. Dies hat das BAG bestätigt (Urteil v. 04.05.2022, Az. 5 AZR 359/21) bestätigt und klargestellt, dass die Arbeitszeiterfassungspflicht des Arbeitgebers nicht zur Änderung der Darlegungs- und Beweislast im Überstundenprozess führt.

Hintergrund

Der Arbeitnehmer, der im Arbeitsrechtsprozess von seinem Arbeitgeber die Vergütung von Überstunden fordert, muss – zumal, wenn zwischen der Geltendmachung und der behaupteten Leistung ein längerer Zeitraum liegt – im Einzelnen darlegen, an welchen Tagen und zu welchen Tageszeiten er über die übliche Arbeitszeit hinaus gearbeitet hat.
Der Anspruch auf Überstundenvergütung setzt ferner voraus, dass die Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt oder geduldet wurden oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig waren. Der Arbeitnehmer muss also darlegen, von welcher Normalarbeitszeit er ausgeht und dass er tatsächlich gearbeitet hat. Ist streitig, ob in einem Zeitraum Arbeitsleistungen erbracht wurden, trifft ihn nach den allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast. Er muss darlegen, welche (geschuldete) Tätigkeit er ausgeführt hat.

Folgen für die Praxis

Der längst erwartete Gesetzentwurf bringt nichts grundlegend Neues. Er ist letztlich die notwendige Konsequenz der Rechtsprechung des EuGH und des BAG. Die rechtlichen Folgen sind überschaubar. Fakt ist, dass in Unternehmen mit einer entsprechenden Betriebsgröße ein elektronisches System – nach Ablauf der Übergangsfristen – etabliert werden muss. Neu ist lediglich die Konkretisierung der Art der elektronischen Arbeitszeiterfassung.

Merke

Ausreichend zur Erfüllung der gesetzlichen elektronischen Arbeitszeiterfassungspflicht ist danach das Führen eines Excel-Tabelle oder in Form eine Handy-App.

Der Gesetzentwurf dürfte frühestens im 3. Quartal 2023 in Kraft treten, soweit er im Rahmen des üblichen Gesetzgebungsverfahrens verabschiedet wird.

Weiterführende Hinweise

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