VertragsarztrechtKein Sonderbedarf allein aufgrund strahlenschutzrechtlicher Personalvorgaben
Von Rechtsanwältin Meike Schmucker, LL.M., Münster, voss-medizinrecht.de
Strahlenschutzrechtliche Personalvorgaben allein rechtfertigen keinen personellen Sonderbedarf im Bereich des Vertragsarztwesens. In gesperrten Planungsbereichen müssen Sonderbedarfsanträge auf eine tatsächliche Unterversorgung gestützt werden, nicht auf verwaltungsrechtliche Vorgaben, so das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg (Urteil vom 15.05.2024, Az. L 5 KA 2346/22).
Sachverhalt
Der Kläger, ein Facharzt für Strahlentherapie, betreibt seine Praxis seit 2012 in einem gesperrten Planungsbereich im Raum Freiburg, zunächst mit drei ärztlichen Kollegen und insgesamt drei vollen Arztsitzen. Die Praxis war zu der Zeit mit einem Linearbeschleuniger ausgestattet. Rund vier Jahre später wurde ein zweiter Linearbeschleuniger in Betrieb genommen. Der Kläger beantragte die Anstellung einer weiteren Fachärztin auf einem vollen Arztsitz als Sonderbedarf.
Merke |
Ist ein Planungsbereich wegen Überversorgung gesperrt, kommt die Zulassung/Anstellung eines Arztes nur im Wege des Sonderbedarfs (§ 101 Abs. 1 Nr. 3 SGB V, § 36 Bedarfsplanungsrichtlinie) infrage. Ein Sonderbedarf liegt vor, wenn eine unzureichende Versorgungslage am konkreten Praxissitz gegeben ist. Dies kann auf einer besonderen Qualifikation oder der lokalen Situation beruhen. |
Der Kläger begründete den Sonderbedarf damit, dass sich die Patientenzahl binnen vier Jahren nahezu verdoppelt habe und dieser Versorgungsbedarf nur mithilfe des zweiten Linearbeschleunigers gedeckt werden könne. Beim Betrieb von zwei Linearbeschleunigern mit mehr als 350 Bestrahlungsserien jährlich könnten die strahlenschutzrechtlichen Vorgaben (Punkt 2.1.2 der Richtlinie zur Strahlenschutzverordnung) nur mit mindestens vier ärztlichen Vollzeitstellen eingehalten werden. Die Zulassungsgremien lehnten den Antrag ab, weil keine unzureichende Versorgungslage im Sinne der Bedarfsplanung festgestellt wurde.
Entscheidungsgründe
Das LSG wies die Berufung des Klägers gegen das erstinstanzliche Urteil ab. Es stellte fest, dass die Zulassungsgremien die Versorgungslage am Praxissitz umfassend geprüft hatten. Eine unzureichende Versorgungslage, als Voraussetzung für den Sonderbedarf, war nicht gegeben. Es existierten weder im gesamten Planungsbereich (Baden-Württemberg) noch im örtlichen feinjustierten Einzugsbereich der Praxis strahlentherapeutische Versorgungsdefizite – im Gegenteil: Vielmehr lag in allen Bezugsregionen eine deutliche Überversorgung von mindestens rd. 160 Prozent vor. Hinweise, dass Patienten abgewiesen werden mussten, waren auch nicht gegeben. Zudem lag die Fallzahl der klägerischen Praxis nur geringfügig über der durchschnittlichen Fachgruppenfallzahl.
Weiterhin entschied das LSG, dass die strahlenschutzrechtlichen Personalvorgaben, hier zum Arzt-Patienten-Schlüssel beim Betrieb von Linearbeschleunigern, keinen zulassungsrechtlichen Sonderbedarfstatbestand rechtfertigen. Richtig ist zwar, dass die Strahlenschutzverordnung Angaben enthält, welcher konkrete Personalbedarf für die Genehmigung eines Linearbeschleunigers eingehalten werden muss. Es handelt sich dabei aber, anders als im Bereich der Dialyseversorgung, um eine bloße Verwaltungsvorschrift. Diese regelt zudem, dass die Personalschlüssel nicht mit den Stellenausstattungen der Praxen gleichzusetzen sind, da auch zusätzliches externes Fachpersonal eingesetzt werden kann. Nach Auffassung des LSG existiert daher kein zwingender Zusammenhang zwischen der Anzahl der vertragsärztlichen Zulassungen der Praxis und den Bestrahlungsserien und/oder der Fallzahl pro Arztsitz.
Fazit |
Sofern sich aus den Strahlenschutzvorschriften bestimmte Personalschlüssel oder andere Restriktionen ergeben, muss dies vom Praxisinhaber für den Betrieb von Geräten berücksichtigt und eingeplant werden. Das bedeutet für Praxen in gesperrten Planungsbereichen, dass Sonderbedarfsanträge, die sich allein auf die Vorgaben der Strahlenschutzverordnung beziehen, keine Aussicht auf Erfolg haben. Da das Urteil des LSG Baden-Württemberg jedoch noch nicht rechtskräftig ist, bleibt die höchstrichterliche Klärung durch das Bundessozialgericht (BSG; Az. B 6 KA 5/24 R, voraussichtlich in 2025) abzuwarten. |
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