VertragsarztrechtKein Ermessensspielraum bei Honorarkürzungen wegen fehlender Fortbildungsnachweise
Von Rechtsanwältin Meike Schmucker, LL.M., Münster, voss-medizinrecht.de
Wiederholt haben die Sozialgerichte entschieden, dass die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) berechtigt sind, das vertragsärztliche Honorar zu kürzen, wenn ein Vertragsarzt seine Fortbildungsnachweise nicht erbringt (z. B. Bundessozialgericht, Urteil vom 04.11.2021, Az. B 6 KA 9/20 R). Vor dem Landessozialgericht [LSG] Baden-Württemberg scheiterte eine Ärztin mit dem Versuch, Unterbrechungen des Fünfjahreszeitraums wegen Elternzeit und Krankheit geltend zu machen (Urteil vom 15.05.2024, Az. L 5 KA 2946/23).
Sachverhalt
Die Vertragsärztin wendete sich gegen eine Honorarkürzung der KV für das Quartal I/2018 in Höhe von rund 7.800 Euro, die auf dem Fehlen des Kammerzertifikats nach § 95d Abs. 3, SGB V beruhte (zu den Regelungen siehe Kasten auf Seite 4). Die Kürzung um 25 Prozent des Honorars bezog sich auf den fünfjährigen Fortbildungszeitraum vom 01.07.2010 bis 30.06.2015, für den die Ärztin erst im Januar 2018 die Fortbildungszertifikate bei der KV nachwies. Zwar war der Ärztin für einen vorherigen Fortbildungszeitraum die Frist wegen der Geltendmachung der Elternzeit um ein Jahr verlängert worden. Für den hier zugrunde liegenden Fortbildungszeitraum vom 01.07.2010 bis 30.06.2015 machte die Ärztin gegenüber der KV keine Abwesenheit wegen Elternzeit für ihr zweites Kind oder Verlängerung im Hinblick auf ihr erstes Kind geltend. Sie beantragte für diesen Zeitraum Fristverlängerung mit der Begründung, über zwei Jahre hinweg häufig erkrankt gewesen zu sein. Die KV lehnte diesen Antrag ab und wies auf eine drohende Honorarkürzung von 10 Prozent hin. Die Ärztin legte anschließend jedoch keine Fortbildungszertifikate bei der KV vor, sodass ihr Honorar der folgenden vier Quartale um 10 Prozent und der darauffolgenden sieben Quartale bis zum Quartal I/2018 um 25 Prozent gekürzt wurde.
Pflicht zur fachlichen Fortbildung nach § 95d SGB V |
Vertragsärzte müssen sich regelmäßig fortbilden und alle fünf Jahre bei der zuständigen KV die Fortbildungsnachweise vorlegen, d. h. ein Zertifikat der Landesärztekammer über den Nachweis von 250 Fortbildungspunkten innerhalb eines Fünfjahreszeitraums. Versäumen Vertragsärzte dies, hat die KV das Honorar für die ersten vier Quartale um 10 Prozent zu kürzen und alle darauffolgenden Quartale um 25 Prozent bis zum Ablauf des Quartals in dem die vollständigen Nachweise bei der KV vorliegen. Geschieht dies nicht innerhalb von zwei Jahren, soll die KV beim Zulassungsausschuss die Entziehung der Zulassung beantragen. |
Die Entscheidung
Die Klage wurde vom LSG Baden-Württemberg abgewiesen. Die Richter betonten, dass die KV nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet sei, das vertragsärztliche Honorar bei Nichtvorliegen der Fortbildungsnachweise zu kürzen.
Praxistipps |
Ob selbstständig, angestellt oder ermächtigt, ob Vollzeit oder Teilzeit: Die gesetzliche Fortbildungspflicht gilt unabhängig vom vertragsärztlichen Tätigkeitsstatus und -umfang ! Sie gilt als erfüllt, wenn innerhalb eines fünfjährigen Zeitraums – beginnend im Zeitpunkt des Beginns der vertragsärztlichen Tätigkeit – 250 Fortbildungspunkte bei der zuständigen Ärztekammer nachgewiesen werden. Sofern der fünfjährige Nachweiszeitraum unterbrochen oder verlängert werden soll, muss der Arzt diese Änderung bei der KV beantragen, eine Änderung erfolgt nicht automatisch. Etwa ein halbes Jahr vor Ablauf der individuellen Fünfjahresfrist sollte jeder Vertragsarzt den Punktekontostand bei seiner Ärztekammer prüfen, damit ggf. noch vor Ablauf der Frist ausstehende Punkte gesammelt werden können. |
- Unterbrechung bei Ruhen der Zulassung § 95 Abs. 3 S. 1 SGB V
- Für die Zeit des Ruhens einer Zulassung wird die Fünfjahresfrist unterbrochen. Dies traf im vorliegenden Fall nicht zu, da die Zulassung der Klägerin nicht geruht hatte.
- Verlängerung bei dreimonatiger Abwesenheit, § 95 Abs. 5 S. 3 SGB V
- Auf Antrag bei der KV wird eine Verlängerung des Fünfjahreszeitraums gewährt, wenn der Arzt seine Tätigkeit länger als drei Monate nicht ausüben kann. Obwohl der Gesetzgeber mit dieser Vorschrift ausschließlich auf angestellte Ärzte Bezug nimmt, wenden die KVen diese Vorschriften durchaus auch zugunsten der niedergelassenen Vertragsärzte an, so auch im vorliegenden Fall. Trotzdem konnte diese Regelung nicht zugunsten der Kinderärztin angewendet werden, da sie ihre Abwesenheit wegen Elternzeit nicht für den streitgegenständlichen Fortbildungszeitraum geltend gemacht hatte, sondern für den davorliegenden Zeitraum. Auch kam eine Verlängerung nicht wegen einer Erkrankung der Ärztin infrage, da es keine dreimonatige Abwesenheit gegeben hat. Die Ärztin übte ihre Tätigkeit (mit Unterstützung von Vertretern) weiter aus.
- Keine Anrechnung
- Weiterhin stellte das LSG klar, dass der zweijährige Zeitraum, den § 95d Abs. 3 SGB V zur Nachholung der Zertifikate vorsieht, nicht den bereits laufenden Fünfjahreszeitraum hinausschiebt. Nach § 95d Abs. 3 SGB V ist eine Nachholung der Fortbildung zwar innerhalb von zwei Jahren möglich, sie wird jedoch nicht auf den folgenden Fünfjahreszeitraum angerechnet.
- Kein Ermessen
- Ein Ermessenspielraum seitens der KV hinsichtlich des „Ob“ der Kürzung, des Kürzungsumfangs oder der Dauer der Kürzung besteht nicht. D. h., dass die Honorarkürzung in der vom Gesetzgeber vorgegebenen Höhe – 10 Prozent bzw. 25 Prozent – bis zum Ablauf des Quartals, in dem die Fortbildungsnachweise bei der KV vorliegen, umzusetzen ist. Die Honorarkürzung knüpft allein an den fehlenden Nachweis an, nicht auf die tatsächliche Erbringung der Fortbildung.
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