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BerufsrechtEinzelpraxis darf sich „Zentrum“ nennen – wenn eine Spezialisierung dies rechtfertigt

31.01.2023Ausgabe 2/20234min. Lesedauer
Von RA Lucas Augustyn, Kanzlei Voß.Partner, Münster voss-medizinrecht.de

Werbung für die eigene Praxis ist heutzutage unverzichtbar, aber aufgrund der starken Regulierung auch gefährlich. Die Ärztekammern wachen über die Einhaltung der Berufsordnung und sind zuweilen der Ansicht, Werbemaßnahmen überschritten die Schwelle der zulässigen Information. Sie fällen das Verdikt der „berufswidrigen Werbung“ und untersagen diese dann. Oft sprechen sie zusätzlich Rügen aus oder verhängen sogar Geldbußen, die die Ärzte empfindlich treffen. Ein häufiger Streitpunkt ist die Bezeichnung der Praxis als „Zentrum“, insbesondere bei Einzelpraxen. Das Landesberufsgericht für Ärzte Stuttgart (LBGÄ) hat hierzu erneut Stellung bezogen und bestätigt, dass die Bezeichnung zulässig sein kann (Urteil vom 30.07.2022, Az. LBGÄ Nr. 01/2022).

Der Fall

Die klagende Fachärztin für Neurochirurgie ist in Einzelpraxis niedergelassen und bezeichnet ihre Praxis als „Wirbelsäulenzentrum“. Sie bietet das volle Spektrum neurochirurgischer Behandlungen an. Eine besondere Spezialisierung der Praxis besteht im Bereich der Behandlung des Iliosakralgelenks mittels der Distraktionsinterferenzarthrodese. Diese Behandlung bietet die Praxis in der Region als einzige an und zieht hierüber aus einem größeren Einzugsbereich Patienten an.

Die für die Einhaltung der Berufsordnung zuständige Bezirksärztekammer nahm trotz der Umstände einen Verstoß gegen das Berufsrecht an. Sie war der Meinung, ein Zentrum bestehe zwingend aus mindestens zwei Ärzten, die Bezeichnung der Praxis sei insofern irreführend. Sie forderte die Ärztin zur Umbenennung auf. Hierüber entstand der gerichtliche Streit.

Die Entscheidung

Das LBGÄ gab der Ärztin recht und befand die Benennung der Einzelpraxis als „Wirbelsäulenzentrum“ für rechtmäßig. Nicht weiter erörtert werden musste die Frage, ob es sich überhaupt um Werbung handelte. Der Name einer Praxis stellt zwar keine Werbung nach dem klassischen Verständnis dar. Er ist aber ein zentraler Punkt der Außendarstellung und vermittelt dem Patienten ein Bild der Praxis. Aus diesem Grund darf der Name – ebenso wie jede andere Werbung – den Patientenkreis nicht in die Irre führen, sondern muss wahre Verhältnisse widerspiegeln. Der Begriff des „Zentrums“ in verschiedenen Spielarten (z. B. „Augenzentrum“, „Laser-Venen-Zentrum“ oder eben „Radiologie-Zentrum“) ist dabei ein Klassiker, der genauso wie der Begriff der „Klinik“ immer wieder Anlass für Streitigkeiten gibt. Um zu bestimmen, ob die betroffene Praxis ihren Patientenkreis in die Irre führt, hatte das Gericht zu beurteilen, was überhaupt unter einem „Zentrum“ zu verstehen ist.

Was ist ein Zentrum?

Das Gericht teilte dabei die Auffassung der Ärztekammer nicht: Eine Mehrzahl an Ärzten sei nicht erforderlich, auch eine Einzelpraxis könne ein „Zentrum“ sein. Zwar sei das klassische Verständnis des Begriffs bei Arztpraxen dahin gegangen, dass die Größe der Praxis eine entscheidende Rolle spiele und tatsächlich mehrere Ärzte vorhanden sein müssten.

Zentrum nicht nur durch Größe, sondern auch durch Spezialisierung

Der Begriff habe aber in den letzten Jahren einen erheblichen Bedeutungswandel erfahren, so das Gericht. Mittlerweile existiere eine Vielzahl an Einzelpraxen, die den Begriff im Namen trügen. Dies führe dazu, dass ein Zentrum nun auch als eine Einrichtung verstanden werde, die aufgrund ihrer besonderen Spezialisierung in einem Versorgungsbereich eine besondere Bedeutung aufweise. Da die Praxis überregional die einzige Praxis mit dem stark spezialisierten Behandlungsspektrum ist, sah das Gericht die Bezeichnung im Ergebnis als gerechtfertigt an.

Bedeutung für die Praxis

Die Entscheidung bestätigt den Trend der Rechtsprechung der letzten Jahre, dass Einzelpraxen auch „Zentren“ sein können. Ebenso hatten z. B. bereits das Hamburgische Berufsgericht für die Heilberufe (Urteil vom 03.09.2014, Az. 47 H 3/12) und das Verwaltungsgericht Düsseldorf (Urteil vom 19.09.2014, Az. 7 K 8148/13) geurteilt. Die Tatsache, dass sich hier eine einheitliche Rechtsprechung verfestigt, ist zu begrüßen.

Für die eigene Praxis liegt der Teufel – wie so häufig – allerdings weiter im Detail. Da die Bezeichnung für die überregionale Versorgung eine zentrale Rolle spielt, sollte das Angebot der Konkurrenz in jedem Fall sorgfältig in den Blick genommen werden. Hebt sich das eigene Angebot nicht ausreichend ab, sollte besser Abstand von der Bezeichnung genommen werden. Die Benennung als „Zentrum“ ist nicht für jede Einzelpraxis zulässig und wird weiterhin die Ausnahme bilden. Für Radiologen dürfte die Bezeichnung als Zentrum jedoch häufig in Betracht kommen. Als Teil der spezialisierten fachärztlichen Versorgung verfügen sie regelmäßig über größere Einzugsbereiche. Zudem sind Einzelpraxen eher die Ausnahme. Dass die Gemeinschaftspraxis automatisch eine gewisse Größe mit sich bringt, wirkt sich in der Beurteilung sicher nicht nachteilig aus.

In praktischer Hinsicht sollte jeder Einzelpraxis außerdem bewusst sein, dass die Ärztekammern trotz der existierenden Urteile weiterhin anderer Meinung sein können. Untersagungen, Rügen und Bußgeldanordnungen können weiterhin geschehen und eine Garantie, dass das Verfahren am Ende gewonnen wird, kann trotz des Trends in der Rechtsprechung nicht gegeben werden. Es sollte also in jedem Fall Risiko und Nutzen sorgfältig abgewogen werden.

Weiterführender Hinweis

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