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VertragsrechtAnstellungsverträge – was geregelt und worauf geachtet werden sollte (Teil 2)

02.01.2023Ausgabe 1/20237min. Lesedauer
Von RA, FA für MedizinR Kristian Schwiegk LL.M, Ebner Stolz, Köln, ebnerstolz.de

Ob zu Beginn des beruflichen Wirkens oder im Wege der Abgabe bzw. Regelung der Nachfolge der eigenen Praxis – fast alle Radiologinnen und Radiologen schließen während ihrer ärztlichen Laufbahn einen Anstellungsvertrag ab. Auf welche wesentlichen vertraglichen Klauseln sollte geachtet werden? Im ersten Teil dieses Beitrags ging es um allgemeine Überlegungen, Vorbemerkungen, Tätigkeitsbeschreibungen, Arbeitszeit und Urlaub. In diesem zweiten Teil werden die Aspekte Nebentätigkeit, Vergütung, Wettbewerbsverbote, Laufzeiten und Bedingungen in Anstellungsverträgen behandelt.

Nebentätigkeit

Wird einer nebenberuflichen Tätigkeit nachgegangen (z. B. als Gutachter, wegen wissenschaftlicher Veröffentlichungen etc.), sollte auch eine entsprechende Regelung im Anstellungsvertrag auftauchen. Arbeitgeber können Nebentätigkeiten nicht pauschal verbieten, sondern müssen diese grundsätzlich genehmigen. Ausnahmsweise können Genehmigungen verweigert werden, z. B. bei Tätigkeiten für Konkurrenten oder sofern die Haupttätigkeit durch die begehrte Nebentätigkeit unzumutbar beeinträchtigt wird.

Praxistipp

Aus Arbeitgebersicht empfiehlt es sich daher, Nebentätigkeiten nur unter Widerrufsvorbehalt zu genehmigen. In Bezug auf Nebentätigkeiten bei anderen Gesundheitseinrichtungen sollte, zum Schutz vor Tätigkeiten des eigenen Arbeitnehmers für potenzielle Konkurrenten, ein Wettbewerbsverbot während des laufenden Anstellungsverhältnisses –klarstellend – geregelt werden.

Merke

Geprüft werden muss, ob die Nebentätigkeit einer Genehmigung der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung (KV) bedarf. Problematisch könnten Art und Umfang der Nebentätigkeiten sein, sofern Grund besteht, die Einhaltung der vertragsärztlichen Pflichten anzuzweifeln. Einer kritischen Prüfung unterzogen werden z. B. der zeitliche Umfang der Nebentätigkeit oder die Beschäftigung bei Arzneimittel-/Medizinprodukte-Herstellern. Wird gar die Anzeige/Genehmigung einer genehmigungspflichtigen Nebentätigkeit unterlassen, drohen vertragsarztrechtliche Sanktionen.

Vergütung

Ein besonderes Augenmerk sollte auf die Vergütungsregelungen geworfen werden, die aus der Natur der Sache heraus zu erheblichen Konflikten führen können. In der Rechtspraxis bewährt sowie gleichermaßen von Arbeitgeber und Arbeitsnehmer geschätzt, sind Vergütungsvereinbarungen, die ein Festgehalt und variable Komponenten umfassen.

Hinsichtlich der Höhe des Festgehalts sollte beachtet werden, dass dieses dem Berufsbild eines Arztes angemessen sein muss. Eine zu geringe Festvergütung wird seitens der zuständigen Ärztekammer und/oder KVen moniert werden.

Praxistipp

Gute Orientierungshilfen zur angemessenen Höhe eines Festgehalts bieten die gestuften Entgelttabellen der Tarifverträge der Länder (z. B. TV-L) oder des Bundes (z. B. TVöD).

Merke

Die Berufsordnungen der Ärztekammern sehen vor, dass (Anstellungs-)Verträge vor ihrem Abschluss vorgelegt werden sollen (siehe u. a. § 24 Musterberufsordnung). Ist auch eine vertragsärztliche Tätigkeit beabsichtigt, ist zu bedenken, dass der Anstellungsvertrag in aller Regel vor der Entscheidung der Zulassungsgremien vorliegen muss – hier kann es bei Unzulänglichkeiten zu Verzögerungen oder gar zum Versagen der Anstellungsgenehmigung kommen!

Mit hoher Sensibilität sollten dieRegelungen zu variablen Vergütungsbestandteilen gestaltet werden. In ihrer Regelungstiefe umfangreicher und komplexer stellen diese Regelungen auch hohe Hürden an ihre Rechtswirksamkeit und bergen Fallstricke. Wenngleich an dieser Stelle nicht auf sämtliche denkbaren Gestaltungsmöglichkeiten eingegangen werden kann, soll auf folgende Grundsätze hingewiesen werden, die bedacht und eingehalten werden müssen:

  • Vereinbaren Sie keine Zielvereinbarungen, die finanzielle Anreize für einzelne Leistungen oder Leistungsmengen setzen und die ärztliche Unabhängigkeit gefährden.
  • Nehmen Sie eine klare und ausdrückliche Differenzierung von Festgehalt und variabler Vergütung vor.
  • Legen Sie nachvollziehbar und transparent die Grundlage der Art und Weise der Berechnung, insbesondere der Anknüpfungstatsachen (z. B. durch persönliche Leistungserbringung generierte und tatsächlich eingegangene Honorare) dar.
  • Vereinbaren Sie Auskunfts-/Einsichtsrechte in die maßgeblichen Abrechnungsunterlagen.
  • Empfehlenswert ist eine Beispielberechnung unter Zugrundelegung realistischer Zielwerte.
  • Es sollten auch Regelungen im Falle von Regressverfahren (z. B. Honorarrückzahlungen wegen Verstößen gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot oder Behandlungsfehlern) verabredet und festgehalten sein.

Ein weiterer kritischer Aspekt betrifft die Frage, ob und in welcher Form in Fällen der unverschuldeten Abwesenheit (insbesondere krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit) oder im Rahmen der finanziellen Urlaubsabgeltung bei Kündigung auch die variable Vergütung – ggf. auf fiktiver Grundlage – gezahlt werden muss.

In Anbetracht des Umstands, dass diese Fragen in der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt sind, entzünden sich an „klassischen“ Regelungen, die eine anteilige, zumeist prozentuale Beteiligung an den Honoraren umfassen, häufig Auseinandersetzungen. Zeit-, kosten- und nervenintensive Rechtsstreitigkeiten sind häufig deren Folge.

Eine höhere, jedoch keinesfalls absolute Rechtssicherheit bieten sogenannte Zielvereinbarungen. Im Wege dieser Vereinbarungen, die beispielsweise nach einem Punktesystem neben „harten“ Fakten (z. B. erwirtschaftete Honorare) auch weitere „weiche“ Fakten (z. B. Ausbildung des nicht-ärztlichen Personals, Vorträge, usw.) umfassen können, wird – bei Erreichen der definierten Ziele – ein Bonus gezahlt.

Konkurrenzschutz/Wettbewerbsverbote

Während, aber auch nach Ende der Anstellung, zählt eine bestimmte Sorge auf Arbeitgeberseite mit zu den größten: Der Angestellte wird zum (unmittelbaren) Wettbewerber. Diese Befürchtung lässt sich vertragsgestalterisch durch die Aufnahme von Konkurrenz- oder Wettbewerbsverboten auffangen. Die Zulässigkeit von entsprechenden Verboten während des Bestehens des Anstellungsverhältnisses ist weitestgehend geklärt und anerkannt. Jedoch liegen bei nachvertraglichen Verboten die Tücken im Detail. Neben einer Vielzahl weiterer Aspekte sollten insbesondere folgende Grundregeln beachtet werden:

Merke

Fehlt es an der Berücksichtigung einer der vorgenannten Grundregeln, kann die Unwirksamkeit der gesamten Regelung die Folge sein.
  • Achten Sie auf eine ausdrückliche Bestimmung des sachlichen und räumlichen Schutzbereichs.
  • Derartige Regelungen sollten für maximal zwei Jahre nach Ende des Anstellungsverhältnisses gelten.
  • Wettbewerbsverbote sollten Sie schriftlich vereinbaren.
  • Auch die Zahlung einer Karenzentschädigung (Berechnung nach §§ 74 ff. HGB – mindestens die Hälfte der bisherigen Vergütung) mitsamt einer Regelung zur Anrechnung von anderen Verdiensten sollte geregelt sein.
  • Eine (fristgebundene) Verzichtsmöglichkeit auf das Wettbewerbsverbot sollte enthalten sein.

In der Rechtspraxis bringt die Bestimmung des Schutzbereichs häufig einige Schwierigkeiten mit sich. Während in sachlicher Hinsicht z. B. zwischen dem ambulanten und stationären oder dem privatärztlichen und vertragsärztlichen Bereich differenziert werden kann, fällt die Bestimmung des räumlichen Einzugsbereichs deutlich schwerer. Zu definieren ist der Kern-Einzugsbereich der Praxis. Erforderlich ist stets eine praxisindividuelle Berücksichtigung der Fachgebiete, Schwerpunkte und weiteren Qualifikationen.

Merke

Ist der Schutzbereich zu weit gefasst, z. B. weil jegliche ärztliche Tätigkeiten untersagt werden oder der räumliche Schutzbereich (deutlich) weiter reicht als das Einzugsgebiet der Praxis, ist die gesamte Klausel unwirksam – eine geltungserhaltende Reduktion findet gerade nicht statt!

Laufzeit/Befristung/Bedingungen

Erstreckt sich das Anstellungsverhältnis (auch) auf vertragsärztliche Tätigkeiten, kommen auch die KVen ins Spiel. Dann sollte i. d. R. die Wirksamkeit des Anstellungsvertrags unter die Bedingung der Erteilung einer entsprechenden Genehmigung seitens der bei den KVen angegliederten Zulassungsgremien gestellt werden. Erfolgt die Anstellung im Wege einer Praxisübertragung und soll der Abgeber fortan als Angestellter tätig werden, empfiehlt es sich, auf die Regelungen im Praxisübertragungsvertrag zu verweisen. Darin ist vereinbart, wer und wann welche Anträge bei den Zulassungsgremien stellt bzw. Erklärungen abgibt.

Praxistipp

Es ist bei einer Praxisübertragung meist sinnvoll, die Verträge (zur Anstellung sowie zur Praxisübertragung) als „rechtliche Einheit“ zu verbinden – schließlich sollen Praxisübertragung und Anstellung als Gesamtprojekt umgesetzt werden und bedingen sich oftmals wechselseitig.

Ist die Anstellung nur für eine bestimmte Zeit gewünscht (z. B. im Falle einer Praxisabgabe und einer Anstellung im Wege des Verzichts auf die Zulassung – dann regelmäßig mindestens für drei Jahre), gilt es, das Arbeitsbefristungsrecht zu beachten. So wäre zwingend erforderlich, die Befristung als solche, deren Dauer und ggf. auch den Grund ausdrücklich im Anstellungsvertrag zu benennen. Andernfalls wäre die Befristung bereits aus diesen formalen Gründen unwirksam.

Mit Sorgfalt sollten auch die Regelungen, insbesondere Fristen zur Kündigung gestaltet werden. Hierbei sind die – teils gegenläufigen – Interessen in Einklang zu bringen. Im Hinblick auf das Interesse des Arbeitgebers, ausreichend Zeit für die Suche nach einem adäquaten Ersatz zur Nachbesetzung der Angestellten-Arztstelle zu haben, und das Interesse der Angestellten, den eigenen Marktwert durch eine möglichst kurzfristige Verfügbarkeit für den neuen Arbeitgeber zu steigern, dürfte regelmäßig mit einer beidseitigen Kündigungsfrist von sechs bis zwölf Monaten zu begegnen sein.

Merke

Ohne die Vereinbarung einer Angleichung der gesetzlichen Kündigungsfristen für beide Parteien sähe das Gesetz längere Kündigungsfristen (gestuft nach Länge der Betriebszugehörigkeit) nur für die Kündigung des Arbeitgebers vor. Hingegen könnten sich Angestellte binnen der gesetzlichen Kündigungsfrist (vier Wochen, mit Wirkung zum 15. oder zum Ende eines Monats; § 622 Abs. 1 BGB) loslösen.

Fazit

Aufgrund der aufgezeigten Besonderheiten, die sich insbesondere in der Konstellation einer Praxisabgabe und nachfolgenden Anstellung aufdrängen, jedoch auch in vielen weiteren Anstellungsverhältnissen ergeben, sollte eine hohe Sensibilität bei der Rechtsgestaltung herrschen. Obgleich die Musterverträge der Ärztekammern und ggf. auch der Fachgesellschaften regelmäßig eine erste Orientierung bieten, empfiehlt sich in aller Regel eine zusätzliche, individuelle, fachliche Beratung.
Weiterführende Hinweise

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