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BerufsrechtBGH: Verkauf eines Patientenstamms ist verbotene Zuweisung gegen Entgelt

31.10.2022Ausgabe 11/20222min. Lesedauer
Von RA Tim Hesse, Kanzlei am Ärztehaus, Münster, kanzlei-am-aerztehaus.de

Wegen eines Verstoßes gegen das berufsrechtliche Verbot entgeltlicher Zuweisung hat der Bundesgerichtshof (BGH) einen Kaufvertrag über den „Patientenstamm“ für nichtig erklärt. Aus diesem Fall einer Zahnarztpraxis lassen sich auch Schlüsse für Radiologiepraxen ziehen (Beschluss vom 09.11.2021, Az. VIII ZR 362/19).

Sachverhalt

Ein niedergelassener Zahnarzt einigte sich mit einer Kollegin, die ihre Tätigkeit einstellte, über den Erwerb des Patientenstamms ihrer privat- und vertragszahnärztlichen Praxis und die künftige Versorgung ihrer Patienten. U. a. wurde die Umleitung der Anrufe auf dem Telefonanschluss und der Aufrufe der Internetseite der Zahnärztin auf den Anschluss und die Domain des Käufers vereinbart. Die Patientenkartei und sämtliche Krankenunterlagen sollten mit vollständiger Kaufpreiszahlung in Eigentum und Besitz des Käufers übergehen, soweit Patienten-Einwilligungserklärungen vorlägen. Im Übrigen verpflichtete sich die Zahnärztin, ihren Patienten in einem informativen Rundschreiben die Fortsetzung der Behandlungen durch den Kläger zu empfehlen. Später berief sie sich auf die Unwirksamkeit dieser Regelungen.

Entscheidungsgründe

Die Klage des Käufers auf Vertragserfüllung hatte keinen Erfolg. Der BGH bestätigte die Nichtigkeit des Kaufvertrags. Anders als der Verkauf einer Arztpraxis im Ganzen sei der „Verkauf eines Patientenstamms“ rechtlich nicht zulässig. Die Berufsordnung untersage es, für die Zuweisung von Patienten oder Untersuchungsmaterial ein Entgelt oder eine sonstige wirtschaftliche Vergünstigung zu fordern, sich versprechen oder gewähren zu lassen oder selbst zu versprechen oder zu gewähren. Bei Praxisveräußerungen gelte insoweit keine Ausnahme. Unter einer unzulässigen Zuweisung sei jede Patienteneinwirkung mit der Absicht zu verstehen, dessen Wahl unter Ärzten oder anderen Leistungserbringern zu beeinflussen. Entscheidend sei dabei, mit welcher Intention die Einwirkung erfolgt. Die von den Parteien vereinbarten Um- und Weiterleitungen sowie das Empfehlungsanschreiben stellten zweifellos eine solche Zuweisung dar.

Fazit

Die Entscheidung bestätigt einmal mehr, wie wichtig es ist, Verträge zur Praxisveräußerung einwandfrei zu formulieren und einer fundierten rechtlichen Prüfung zu unterziehen. Grobe Schnitzer können den Anspruch auf Kaufpreiszahlung hinfällig machen. Eine isolierte wirtschaftliche Verwertung des „Patientenstamms“ als bloße Umsatz- und Gewinnchance ist nicht möglich. Im Gegensatz dazu ist das Empfehlen eines Nachfolgers (insbesondere auf konkrete Nachfrage) nicht generell verboten. Unzulässig ist, sich hierfür ein Entgelt versprechen zu lassen.

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