ArbeitsrechtFristlose Kündigung: Wann kommt sie infrage?
Arztpraxen und Kliniken stehen in ihrer Rolle als Arbeitgeber gelegentlich vor der Frage, ob die Gründe für eine fristlose Kündigung eines Arbeitnehmers in der jeweiligen Situation ausreichen oder nicht. Die folgenden sechs Fälle wurden in den vergangenen zwölf Monaten vor den Arbeitsgerichten (ArbG) verhandelt und sind grundsätzlich auch im Gesundheitssektor, z. B. in einer Radiologie-Praxis, vorstellbar.
Gefälschter Impfpass
Legt der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber einen gefälschten Impfausweis vor, ist eine fristlose Kündigung möglich. Dadurch, dass der Arbeitnehmer die unwahre Behauptung vollständigen Impfschutzes durch Vorlage eines falschen Impfnachweises zu belegen versucht hat, habe er das für eine auch nur befristete Fortführung des Arbeitsverhältnisses notwendige Vertrauen verwirkt, so das AG Köln.
Neben der hohen kriminellen Energie, die der Arbeitnehmer gezeigt habe, und der Rücksichtslosigkeit gegenüber den wirtschaftlichen und moralischen Interessen des Arbeitgebers werden auch die besonders gewichtigen gesundheitlichen Interessen auf Kundenseite unterstrichen. Vor diesem Hintergrund konnte aus Sicht eines verständigen Arbeitgebers nicht mehr davon ausgegangen werden, dass der Arbeitnehmer den berechtigten Interessen des Arbeitgebers in Zukunft Beachtung schenken würde (ArbG Köln, Urteil vom 23.03.2022, Az. 8 Ca 6830/21).
„Krank“ wegen Prüfung
Lässt sich ein gesunder Auszubildender krankschreiben, um so eine Prüfung zu „schwänzen“, reicht auch das für eine fristlose Kündigung aus. Durch das Verhalten begeht der Auszubildende eine schwere Verletzung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten. Eine fristlose Kündigung durch den Arbeitgeber kann dann gerechtfertigt sein. Darauf, ob es sich bei der Arbeitsunfähigkeits(AU)-Bescheinigung um eine Gefälligkeitsbescheinigung oder um eine erschlichene Bescheinigung gehandelt hat, kam es für die Kammer nicht an.
Eine Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist war dem Arbeitgeber nicht zuzumuten. Kein Auszubildender dürfe davon ausgehen, dass dessen Ausbilder es hinnimmt, falsche AU-Bescheinigungen vorgelegt zu bekommen, um sich den anstehenden Prüfungen, insbesondere wenn es sich um Nachholprüfungen handelt, zu entziehen (ArbG Siegburg, Urteil vom 17.03.2022, Az. 5 Ca 1849/21).
Verfälschte Gehaltsabrechnungen
Wenn ein Arbeitnehmer Gehaltsabrechnungen verfälscht, um damit einen Kredit erlangen zu können, ist ebenfalls eine fristlose Kündigung gerechtfertigt. Das Herstellen verfälschter Abrechnungen und deren Verwendung im Rechtsverkehr verletze zugleich die gegenüber dem Arbeitgeber begründete Rücksichtnahmepflicht aus § 241 Abs. 2 Bügerliches Gesetzbuch (BGB). Ein derartiges Verhalten könne unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen (Landesarbeitsgericht [LAG] Hamm, Urteil vom 19.08.2021, Az. 8 Sa 1671/19).
Weitergabe privater E-Mails
Auch im folgenden Fall entschied das ArbG, dass eine fristlose Kündigung zulässig ist: Ein Arbeitnehmer, der Zugriff auf den PC und das E-Mail-Konto seines Arbeitgebers hat, liest unbefugt eine an den Vorgesetzten gerichtete E-Mail und fertigt von dem Anhang einer offensichtlich privaten E-Mail eine Kopie an. Die Kopie gibt der Arbeitnehmer an eine dritte Person weiter.
In der unbefugten Kenntnisnahme und Weitergabe fremder Daten liegt wegen der damit einhergehenden Verletzung von Persönlichkeitsrechten ein schwerwiegender Verstoß gegen die arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht. Dieser Verstoß sei auch nicht durch die vom Arbeitnehmer vorgetragenen Beweggründe, nämlich Beweise sichern zu wollen, gerechtfertigt gewesen (LAG Köln, Urteil vom 02.11.2021, Az. 4 Sa 290/21).
Chronisch zu spät
Kommt ein Arbeitnehmer wiederholt zu spät zur Arbeit (ohne dass zuvor deswegen eine Abmahnung des Arbeitgebers erteilt wurde) so kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an, ob eine fristlose Kündigung gerechtfertigt ist oder nicht.
Der Vorwurf wiederholten Zuspätkommens könne i. d. R. nur den Ausspruch einer ordentlichen, nicht den einer fristlosen Kündigung rechtfertigen. Eine außerordentliche Kündigung aus diesem Grund komme ausnahmsweise nur dann in Betracht, wenn die Unpünktlichkeit des Arbeitnehmers den Grad und die Auswirkung einer beharrlichen Verletzung (Verweigerung) seiner Arbeitspflicht erreicht habe (AG Düsseldorf, Urteil vom 24.02.2022, Az. 10 Ca 4119/21).
Praxisinventar nach Hause tragen
Ebenfalls von den jeweiligen Umständen abhängig ist die Entscheidung, wenn Arbeitgeber-Eigentum vom Arbeitnehmer mit nach Hause genommen wird. In dem zugrundliegenden Fall hatte der Arbeitgeber angeordnet, dass während der Pandemie vorwiegend im Homeoffice gearbeitet werden soll. Der Arbeitnehmer nahm seinen Bürostuhl mit, da er keinen geeigneten Stuhl daheim gehabt habe. Der Arbeitgeber hielt das für eine „schwere Pflichtverletzung“.
Die unabgesprochene Mitnahme von Eigentum des Arbeitgebers nach Hause sei zwar eine Pflichtverletzung, die an sich eine fristlose Kündigung begründen könne. In der konkreten Situation reiche die Mitnahme des Bürostuhls aber nicht aus. Denn der Arbeitgeber habe während der Pandemie der Tätigkeit im Homeoffice generell Vorrang vor der Präsenztätigkeit im Büro eingeräumt, die dafür notwendige Ausstattung so kurzfristig aber nicht zur Verfügung gestellt (ArbG Köln, Urteil vom 18.01.2022, Az. 16 Ca 4198/21).
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