ArbeitsrechtWenn die Rufbereitschaft vom Direktionsrecht gedeckt ist – Optionen für Klinik-Radiologen
Von RA, FA MedizinR und ArbeitsR Benedikt Büchling, Hagen, kanzlei-am-aerztehaus.de
Gehört die Leistung von Rufbereitschaftsdiensten zum Berufsbild des betroffenen Arbeitnehmers – wie dies z. B. bei Klinik-Radiologen der Fall sein kann – so ist die Anordnung von Rufbereitschaftsdiensten grundsätzlich vom arbeitgeberseitigen Direktionsrecht i. S. d. § 106 Gewerbeordnung (GewO) gedeckt. Dies entschied im Falle einer Anästhesie-Krankenschwester das Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern (Urteil vom 23.07.2021, Az. 3 Sa 28/21).
Kurzversion des Falls
Das LAG entschied im Fall einer klagenden Anästhesieschwester, dass Rufbereitschaftszeiten im Rahmen der wöchentlich geschuldeten Arbeitszeit von 40 Stunden anrechenbar seien. Weder der Arbeitsvertrag noch der entsprechende Tarifvertrag enthalte eine Regelung, die eine Anrechnungsmöglichkeit von Rufbereitschaftszeiten auf die wöchentlich geschuldete Arbeitszeit verbieten. Ein anderslautender Wille sei in den vertraglichen Regelungen nicht erkennbar. Es handele sich nach Ansicht des Gerichts um eine Frage des Direktionsrechts. Der Träger habe kraft dieses Rechts die Befugnis, Rufbereitschaftsdienste anzuordnen. Im Ergebnis bedeutet dies, dass Bereitschafts- und Rufbereitschaftsdienste mit der vertraglich geschuldeten Vergütung abgegolten sind, soweit nichts anderes im Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder etwaigen anderen Vereinbarungen geregelt ist.
Bedeutung für Klinik-Radiologen
Die Entscheidung ist auch für Klinik-Radiologen (Krankenhausärzte) von Interesse, da auch sie regelmäßig Bereitschafts- und/oder Rufbereitschaftsdienste erbringen, deren Vergütung sich an den jeweils für anwendbar erklärten Tarifverträgen orientiert. Diese Tarifverträge enthalten zu diesen Fragen regelmäßig Arbeitszeitregelungen, die an die Stelle einzelvertraglicher Vereinbarungen treten, soweit deren Anwendbarkeit im Arbeitsvertrag nicht explizit ausgeschlossen wurde. So enthält der „Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TV-Ärzte/VKA)“ z. B. auszugsweise folgende Regelungen:
„(…) Die Ärztin/Der Arzt ist verpflichtet, sich auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle aufzuhalten, um im Bedarfsfall die Arbeit aufzunehmen (Bereitschaftsdienst). (…) Der Arzt hat sich auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer dem Arbeitgeber anzuzeigenden Stelle aufzuhalten, um auf Abruf die Arbeit aufzunehmen (Rufbereitschaft). (…) Für die Rufbereitschaft wird eine tägliche Pauschale je Entgeltgruppe bezahlt. Sie beträgt für die Tage Montag bis Freitag das Zweifache, für Samstag, Sonntag sowie für Feiertage das Vierfache des auf eine Stunde entfallenden Anteils des Tabellenentgelts der jeweiligen Entgeltgruppe und Stufe. (…)“
Die Erbringung von Bereitschafts- und Rufbereitschaftsdiensten ist daher regelmäßig Dienstaufgabe des Klinik-Radiologen. Diese Dienste werden – anders als im Falle der Anästhesieschwester – zumeist nach Maßgabe o. g. Tarifregelungen gesondert vergütet. Bei dieser arbeitsvertraglichen Gestaltung steht fest, dass der Träger den Klinik-Radiologen zur Erbringung von Bereitschafts- und/oder Rufbereitschaftsdiensten qua Direktionsrecht (in den Grenzen des Arbeitszeitgesetzes) anweisen kann.
Optionen für Radiologen
Gerade unter dem Aspekt der „Work-Life-Balance“ kann es aus Sicht des angestellten Klinik-Radiologen angezeigt sein, im Rahmen von Vertragsverhandlungen eine Einschränkung dieses weiten Direktionsrechts zu vereinbaren. Denkbar ist zum einen, dass die Regelungen in dem jeweiligen Tarifvertrag auf das Arbeitsverhältnis in dem Punkt „Bereitschafts- oder Rufbereitschaftsdienste“ gerade keine Anwendung finden sollen. Zum anderen kann auch eine gewisse Beschränkung im Sinne einer Maximalgröße pro Monat oder Quartal aufgenommen werden. Auch kann eine abweichende – vorteilhafte – Vergütungsstruktur vereinbart werden. Die Frage, welche arbeitsvertragliche Gestaltung im Einzelfall gewählt wird, kann von den Arbeitsvertragsparteien frei gewählt werden, soweit ein Tarifvertrag nicht allgemeinverbindlich ist. Ferner dürften Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht über eine Verbandsmitgliedschaft in den Tarifvertragsparteien an den Tarifvertrag gebunden sein (Tarifbindung).
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