GesetzgebungDie Änderungen des MuSchG zu Beschäftigungs- und Kündigungsverboten gelten schon jetzt
Von RA, FA für MedizinR Torsten Münnch, DIERKS+BOHLE Rechtsanwälte Partnerschaft mbB, Berlin, www.db-law.de
Mit dem neuen Mutterschutzgesetz (MuSchG) sind – mit Wirkung seit dem 30.05.2017 – das Beschäftigungsverbot nach der Geburt eines behinderten Kindes verlängert und der Kündigungsschutz nach einer Fehlgeburt neu geregelt worden. Weitere Änderungen durch das Gesetz werden erst 2018 in Kraft treten. Hier die Einzelheiten, die bei der Beschäftigung von Schwangeren beachtet werden müssen.
Diese Beschäftigungsverbote gelten vor und nach der Entbindung
Grundsätzlich gilt wie bisher: Der Arbeitgeber darf eine Frau bis zum Ablauf von sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Entbindung nicht beschäftigen.
Während der Schutzfrist erhält die Frau von der Krankenkasse Mutterschaftsgeld, begrenzt auf maximal 13 Euro pro Kalendertag. Eine eventuell verbleibende Differenz zum tatsächlichen kalendertäglichen Lohn zahlt der Arbeitgeber. Er bekommt seine Aufwendungen aber aufgrund der Regelungen des Gesetzes über den Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung (AAG) von der Krankenkasse der Arbeitnehmerin erstattet.
Vorgeburtliche Schutzfrist
Auf den vorgeburtlichen Schutz kann die Frau – jederzeit widerruflich – verzichten. Tut sie dies, kann der Arbeitgeber ihre Beschäftigung nicht unter Hinweis auf die Schwangerschaft ablehnen.
Für die Berechnung des vorgeburtlichen Beschäftigungsverbots ist die Vorhersage des Entbindungstages durch einen Arzt oder eine Hebamme maßgebend. Irrt sich der Arzt oder die Hebamme über den Entbindungszeitpunkt, so verkürzt oder verlängert sich das vorgeburtliche Beschäftigungsverbot entsprechend. Der Arbeitgeber hat gegen den irrenden Arzt bzw. die irrende Hebamme nur dann einen Schadenersatzanspruch (aus § 826 Bürgerliches Gesetzbuch wegen sittenwidriger Schädigung), wenn das Entbindungsdatum – was sicher selten vorkommt – vorsätzlich falsch attestiert wurde. Eine lediglich fahrlässig falsche Berechnung löst also noch keinen Schadenersatzanspruch aus.
Vorgeburtliche Beschäftigungsverbote
Des Weiteren können von Beginn der Schwangerschaft an für bestimmte Arbeiten gesetzliche Verbote gelten, z. B. für das Heben und Tragen von Lasten.
Praxishinweis |
Für Röntgenpraxen/-abteilungen relevant ist das Verbot, werdende Mütter im Röntgenraum oder am CT zu beschäftigen. Obwohl es keine gesetzlichen Grenzwerte gibt, gehen die meisten Landesbehörden davon aus, dass werdende Mütter auch nicht an MRT eingesetzt werden sollen. Ein Einsatz am Schaltplatz außerhalb des MRT ist hingegen möglich. Erkundigen Sie sich bei der für Sie zuständigen Landesaufsichtsbehörde für Arbeitsschutz nach den Einsatzmöglichkeiten am MRT. Missachtungen der Verbote sind bußgeldbewehrt. |
Nachgeburtliche Schutzfrist
Bei Früh- und Mehrlingsgeburten gilt ein nachgeburtliches Beschäftigungsverbot von zwölf Wochen. Damit soll den typischerweise erhöhten Belastungen derartiger Geburten Rechnung getragen werden.
Mehr Schutz wird bei Geburt eines behinderten Kindes eingeräumt
Neu ist seit Ende Mai 2017, dass der Beschäftigungsschutz für Mütter von Neugeborenen mit einer Behinderung ausgedehnt wurde. Er beträgt statt bislang acht nunmehr zwölf Wochen.
Arzt muss Behinderung feststellen
Die verlängerte Schutzfrist gilt nur, wenn ein Arzt vor Ablauf von acht Wochen nach der Entbindung die Behinderung feststellt. Feststellungen durch Behörden – etwa durch ein Versorgungsamt (§ 69 Sozialgesetzbuch [SGB] IX) oder über das Vorliegen eines erhöhten Pflegebedarfs nach dem SGB V oder dem SGB IX – sind weder maßgebend noch erforderlich.
Wird die Acht-Wochen-Frist versäumt, nützt eine nachträglich ausgestellte ärztliche Feststellung nicht mehr.
Das ist eine „Behinderung“
Ob das Kind behindert ist, hat der Arzt nach der Begriffsdefinition des § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX zu beurteilen. Danach ist ein Mensch behindert, wenn seine körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher seine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist.
Insbesondere die Beurteilung der Beeinträchtigung der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ist nicht trivial. Die von der Weltgesundheitsorganisation aufgestellte International Classification of Functioning, Disability and Health (ICF) unterteilt das gesellschaftliche Leben in folgende neun Bereiche:
Merke! |
Für Neugeborene kommt eine Behinderung allenfalls in Bezug auf die Teilnahme am häuslichen Leben in Betracht. Eine Beeinträchtigung liegt auf der Hand, wenn das Kind z. B. blind geboren wird. Ansonsten kann es im konkreten Einzelfall streitig sein, ob das Neugeborene – in Anbetracht seiner zwar altersgerechten, aber gleichwohl von vornherein sehr eingeschränkten Möglichkeiten – überhaupt eine Beeinträchtigung erfährt. |
- Beteiligung am persönlichen Unterhalt
- Teilnahme an der Mobilität
- Einbindung in soziale Beziehungen
- Teilnahme am Informationsaustausch
- Teilnahme am häuslichen Leben und an der Hilfe für andere
- Beteiligung am Bildungs- und Ausbildungswesen
- Beteiligung an Arbeit und Beschäftigung
- Teilnahme am Wirtschaftsleben und die Einbindung in die Gemeinschaft
- Teilnahme am sozialen und staatsbürgerlichen Leben
Arbeitgeber hat wenig Rechte
Ein Arbeitgeber wird kaum erfolgreich gegen die ärztliche Feststellung der Behinderung vorgehen können. Ihr kommt nämlich eine kaum zu widerlegende Indizwirkung zu. Der Arbeitgeber kann nicht einfach die Unversehrtheit des Kindes behaupten und der Arbeitnehmerin wegen Nichterscheinens am Arbeitsplatz kündigen. Vielmehr muss er konkret darlegen, dass das Kind nicht behindert oder nicht in der gesellschaftlichen Teilhabe beeinträchtigt ist. Das ist eine in der Realität kaum zu überwindende Hürde.
Mutter muss Verlängerung beantragen
Die Mutter muss das verlängerte Beschäftigungsverbot beim Arbeitgeber unter Vorlage der ärztlichen Feststellung der Behinderung beantragen. Es besteht aber keine Antragspflicht. Die Mutter kann also frei entscheiden, ob sie ihren besonderen körperlichen und psychischen Belastungen Rechnung tragen will, die typischerweise mit der Geburt eines behinderten Kindes verbunden sind.
Kündigungsschutz bei Fehlgeburt
Neu ist seit dem 30.05.2017 das Kündigungsverbot bei einer Fehlgeburt nach der zwölften Schwangerschaftswoche. Hier gilt nun, was bislang schon bei einer „normalen“ Entbindung (und der ihr gleichgestellten Totgeburt einer toten Leibesfrucht mit einem Mindestgewicht von 500 g) galt: Die werdende Mutter ist ab Beginn der Schwangerschaft bis vier Monate nach der (Fehl-)Geburt vor Kündigungen geschützt. Die Möglichkeit, von der zuständigen Arbeitsschutzbehörde (je nach Bundesland: Gewerbeaufsicht, Regierungspräsidium oder ein dafür eingerichtetes Landesamt) eine Kündigung erlaubt zu bekommen, ist auf extrem seltene Ausnahmefälle beschränkt (z. B. tätlicher Angriff der Frau auf den Arbeitgeber).
Passiert die Fehlgeburt allerdings vor der zwölften Schwangerschaftswoche, bleibt es bei der alten Rechtslage: Der Kündigungsschutz, der durch die Schwangerschaft ausgelöst wurde, endet sofort.
Schutzfristen Beschäftigungsverbot | Beschäftigungsverbot | Kündigungsverbot | |||||
Normalgeburt | Frühgeburt | Geburt von Mehrlingen | Geburt eines behinderten Kindes | allgemein | in der Radiologie | allgemein | |
vor Geburt | 6 Wochen | 6 Wochen | 6 Wochen | 6 Wochen | Schutz vor Überforderung und Überbeanspruchung, z. B. kein Heben und Tragen von Lasten, keine Mehrarbeit Anmerkung: Die Schwangere kann auf das generelle Beschäftigungsverbot verzichten. |
| ab Beginn der Schwangerschaft |
nach Geburt | 8 Wochen | 12 Wochen | 12 Wochen | 12 Wochen Antrag der Mutter ist erforderlich. |
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- Das neue MuSchG vom 23.05.2017
- Der Beitrag wird mit den ab dem 01.01.2018 geltenden Mutterschutz-Änderungen fortgesetzt.
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