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Aktuelle Gesetzgebung

Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten nach dem neuen Strahlenschutzgesetz

31.08.2017Ausgabe 9/20175min. Lesedauer
Von RA Till Sebastian Wipperfürth, LL.M., DIERKS+BOHLE Rechtsanwälte Partnerschaft mbB, Berlin, www.db-law.de

Mit dem Strahlenschutzgesetz (StrlSchG) wird das Strahlenschutzrecht in Deutschland – in Umsetzung europäischen Rechts – auf eine neue gesetzliche Grundlage gestellt. Für Ärzte und Zahnärzte, die Röntgendiagnostik durchführen, bedeutet dies: Die alte Röntgenverordnung (RöV) und die alte Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) gehören in ihrer bisherigen Form spätestens ab dem 01.01.2019 der Vergangenheit an. Mit dem StrlSchG werden weitgehend identische Regelungen der RöV und der StrlSchV zusammengeführt und Doppelstrukturen beseitigt.

§ 85 StrlSchG ersetzt § 28 RöV

Die vormals in § 28 RöV normierten Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten finden sich in § 85 StrlSchG wieder. Im Wesentlichen hat das StrlSchG die Aufzeichnungspflichten der RöV unverändert übernommen. Demgegenüber sind die Unterschiede allenfalls marginal (s. a. Tabelle 1).

Tabelle 1: Vergleich Aufzeichnungspflichten StrlSchG – RöV

StrlSchG
RöV
Angaben zur rechtfertigenden Indikation
x
x
Zeitpunkt und Art der Anwendung
x
x
Angaben zur Patientenexposition oder zur Ermittlung dieser Exposition
x
x
Begründung im Falle einer Überschreitung diagnostischer Referenzwerte
x
Ggf. Angaben zur Exposition von Betreuungs- und Begleitpersonen
x
Erhobener Untersuchungsbefund
(bei Untersuchung)
x
x
Bestrahlungsplan und -protokoll
(bei Behandlung)
x
x
Ergebnisse der Patientenbefragung zu früheren Röntgenuntersuchungen und anderen bildgebenden Verfahren, Schwangerschaft
x
Untersuchte Körperregion
x

Inhaltliche Vorgaben an die Aufzeichnungen

Die Aufzeichnungen müssen nach wie vor Angaben enthalten

  • zur rechtfertigenden Indikation,
  • zu Zeitpunkt und Art der Röntgenuntersuchung,
  • zur Patientenexposition oder zu deren Ermittlung sowie
  • zum Untersuchungsbefund.

Frage nach Schwangerschaft entfällt

Nach dem StrlSchG ist der Arzt aber nicht mehr verpflichtet, Patienten vor der Durchführung radiologischer Diagnostik zu früheren Röntgenuntersuchungen und anderen bildgebenden Verfahren (z. B. Ultraschalldiagnostik, MRT) sowie zu (auch nur möglicherweise) bestehenden Schwangerschaften zu befragen. Daher konnte das noch in der RöV vorgesehene Erfordernis entfallen, die Ergebnisse solcher Befragungen zu dokumentieren und aufzubewahren.

Praxishinweis

Ob der Gesetzgeber mit dem Verzicht auf die Befragung nach Voruntersuchungen und Schwangerschaft den strahlenschutzrechtlichen Pflichtenumfang des Arztes reduzieren wollte, mag bezweifelt werden. Es ist zu erwarten, dass diese Pflichten über die „Hintertür“ einer Rechtsverordnung der Bundesregierung wieder eingeführt werden.

Keine Angaben zu der untersuchten Körperregion erforderlich

Außerdem müssen die Aufzeichnungen keine Angaben zu der untersuchten Körperregion mehr enthalten. Vermutlich, weil diese aus den Aufnahmen und dem Untersuchungsbefund hervorgehen.

Pflichtangaben zur Patientenexposition leicht verschärft

Umgekehrt hat der Gesetzgeber die Pflichtangaben zur Patientenexposition geringfügig verschärft. Es genügt nicht mehr allein, die Exposition oder Angaben zu ihrer Ermittlung festzuhalten. Darüber hinaus müssen Ärzte es begründen, wenn sie bei ihrer Untersuchung diagnostische Referenzwerte überschreiten.

Ist eine Betreuungs- oder Begleitperson des Patienten bei dessen Untersuchung ebenfalls ionisierender Strahlung ausgesetzt, muss dies vermerkt werden.

Welche Daten zur Patientenexposition im Einzelnen erfasst werden müssen, gibt das StrlSchG hingegen nicht vor. Die damit einhergehende Rechtsunsicherheit ist insbesondere vor dem Hintergrund bedenklich, dass Verstöße gegen die strahlenschutzrechtlichen Aufzeichnungspflichten Ordnungswidrigkeiten darstellen und mit einem Bußgeld bis zu 10.000 Euro geahndet werden können.

Die SSK empfiehlt für Röntgenuntersuchungen unter anderem:

Praxishinweis

Bis zu einer etwaigen Konkretisierung der expositionsrelevanten Daten in Rechtsverordnungen oder Verwaltungsvorschriften kann hierfür auf die in dem Dokument „“ zusammengefassten – allerdings rechtlich unverbindlichen – Empfehlungen der Strahlenschutzkommission (SSK) zurückgegriffen werden.

Tabelle 2: Zu dokumentierende Dosisausgangsgrößen mit gebräuchlichen physikalischen Einheiten

Verfahren
Dosisausgangsgrößen
Übliche Einheiten
Radiographie
Dosis-Flächen-Produkt (DFP) je Aufnahme

cGy cm2

Durchleuchtung
Dosis-Flächen-Produkt (DFP)

cGy cm2

Zusätzlich bei fluoroskopischen Interventionen (nach SSK 2007)
Durchleuchtungszeit (t);
Anzahl der Aufnahmen (N)
min
Optional
Kumulierte Einfallsdosis (ED)
mGy
Computertomographie
Dosis-Längen-Produkt (DLP) pro Scanserie
mGy cm
Volumen-Computertomographie-Dosisindex (CTDIvol) pro Scanserie bzw. pro axialem Schnittbild
mGy
Zusätzlich bei CT-Durchleuchtung
Kumulierter Volumen-Computertomographie-Dosisindex (CTDIvol)
mGy
DVT/CBCT
Dosis-Flächen-Produkt (DFP)
oder

cGy cm2

Dosis-Längen-Produkt (DLP)
mGy cm
Mammographie
Mittlere Parenchymdosis (AGD, Average Glandular Dose)
mSv
Zahnmedizinische Projektionsaufnahmen
Dosis-Flächen-Produkt (DFP)
bzw.

cGy cm2

Einfalldosis
mGy
Knochendichtemessung (DXA)
Einfalldosis
µGy
Nuklearmedizinische Untersuchungen
Radiopharmarkon und applizierte Aktivität
MBq
  • Als dosisrelevante Daten sollen zumindest die Dosisausgangsgrößen (dazu Tabelle 2) mit den zugehörigen physikalischen Einheiten gespeichert werden.
  • Daneben sollen sämtliche vom Röntgengerät im DICOM-Standard zur Verfügung gestellten Daten erfasst werden, die für die Ermittlung der Strahlenexposition relevant sind.
  • Falls die Modalität selbst einen Dosisbericht bereitstellt, soll dieser bevorzugt als DICOM Dose SR (Structured Dose Report) dokumentiert werden.
  • Geeignete Werkzeuge zur strukturierten Auswertung dosisrelevanter Daten sollen genutzt werden (z. B. Dosisregistrierungs- und Managementsysteme). Die Art und der Umfang der elektronischen Dosisdokumentationen sind regelmäßig dem technischen Stand der Bildgebung (beschrieben z. B. im DICOM-Standard und in den Normen) anzupassen.

Quelle: „Dosisdokumentation und Archivierung digitaler Bild- und Untersuchungsdaten in Radiologie und Nuklearmedizin“ der Strahlenschutzkommission (SSK)

Aufbewahrungsfristen wie bisher

An den Aufbewahrungsfristen hat der Gesetzgeber nichts geändert:

  • Diese betragen in der radiologischen Diagnostik grundsätzlich zehn Jahre.
  • Für minderjährige Patienten verlängern sich die Aufbewahrungsfristen bis zur Vollendung ihres 28. Lebensjahres.

Auch digitale Bild- und sonstige Untersuchungsdaten aufbewahren

Neu ist hingegen, dass sich die Aufbewahrungspflicht nicht nur auf die angefertigten Aufzeichnungen und Röntgenbilder beschränkt. Zusätzlich sind außerdem auch digitale Bild- und sonstige Untersuchungsdaten (wie etwa Ergebnisse lediglich in Form von Messwerten, etwa bei der Knochendichtemessung mittels Röntgenstrahlung) innerhalb der oben genannten Zeiträume zu speichern. Der Gesetzgeber möchte auf diese Weise der zunehmenden Anwendung digitaler Aufnahmeverfahren Rechnung tragen.

Rechtsverordnung der Bundesregierung geplant

Die technischen Anforderungen, die v. a. mit Blick auf die Datenverfügbarkeit und Datensicherheit an die Aufbewahrung der Aufzeichnungen, Röntgenbilder und digitalen Bilddaten zu stellen sind, werden aller Voraussicht nach Gegenstand einer Rechtsverordnung sein. Diese wird derzeit im Bundesumweltministerium erarbeitet. Mit einem ersten Entwurf dürfte frühestens Anfang 2018 zu rechnen sein.

Datenbank-Lösungen

Eine umfassende Datenbank-Lösung zur automatischen Erfassung, Archivierung und Auswertung von Strahlendosen bieten Dosiserfassungsprogramme wie z. B. DoseCare® von Guerbet. Diese sehr verschieden angelegten Programme erfüllen dabei nicht nur die gesetzlichen Anforderungen, sondern unterstützen die Prozesse der täglichen Praxis in unterschiedlichem Maße.

Weiterführende Hinweise

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