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Organisation

Die klinische Radiologie und ihr Beitrag zur Versorgungsqualität (Teil 2)

30.09.2024Ausgabe 10/20245min. Lesedauer
Von Dr. Bernd May, Geschäftsführer MBM Medical-Unternehmensberatung GmbH, und Prof. Dr. med. Günter Layer, Chefarzt des Zentralinstituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Klinikum Ludwigshafen

Zu den Herausforderungen der klinischen Radiologie zählen u. a. hohe Kosten für radiologische Modalitäten sowie der akute Personalmangel. Die Lösungsansätze liegen u. a. in der Nutzung von und Entlastung durch Teleradiologie, künstliche Intelligenz (KI), dem Erwirtschaften von Zusatzerlösen im KV-Bereich oder im Outsourcing der klinischen Radiologie an Praxen. Die Kostenaspekte der wichtigsten Lösungsansätze wurden in Teil 1 dieses Beitrags besprochen (siehe RWF Nr. 09/2024), in diesem Teil 2 geht es um die Qualitätsaspekte der klinischen Radiologie sowie um eine Gesamteinordnung.

Qualitätsaspekte der klinischen Radiologie

Die Beurteilung der Qualität der klinischen Radiologie ist komplex und vielschichtig. Es beginnt mit der Überprüfung der Untersuchungsanforderung und der Frage, ob diese und die angeforderte Modalität zum klinischen Kontext passen. Ein proaktives Verhalten des fachkundigen Radiologen kann helfen, fehlerhafte Anforderungen sowie zeitaufwendige Stufen- und Wiederholungsdiagnostik zu vermeiden und mit der radiologischen Ergebnisqualität zu einer Verkürzung der Verweildauer beizutragen. Das Potenzial an Verkürzungstagen ist genau messbar und kann wertmäßig die Größenordnung der Gesamtkosten einer radiologischen Einheit erreichen. Bei einem Level-2-Versorger entspräche das einer Größenordnung von etwa 6 Mio. Euro pro Jahr.

Qualitätsrelevant ist ein Team von Spezialisten, also des Neuroradiologen bei neurologischen und neurochirurgischen Partnern, des Kinderradiologen für eine Kinderklinik sowie Spezialisierungen, z. B. in der Tumordiagnostik, Unfallchirurgie, Rheumatologie oder Kardiologie.

Zusammenspiel von Qualität und Erlöspotenzialen

Ein solches Team von Spezialisten kann spezialisierte Leistungen für die Versorgung von Patienten auch außerhalb der Klinik rentabel vermarkten. Damit treten Kliniken, insbesondere große Kliniken mit einem Spezialistenteam, bei der Versorgung von privat versicherten oder selbstzahlenden Patienten in unmittelbaren Wettbewerb mit den Arztpraxen.

Dies gelingt nach Auffassung des Autors mit großem Erfolg, wie einige Kliniken beispielhaft zeigen, bei

  • Kardio-CT und -MRT,
  • umfassender Mamma-Diagnostik mit MRT und Stanzbiopsien,
  • umfassender, MRT-gestützter Prostata-Diagnostik mit MRT-gesteuerter oder Ultraschall-Fusionsbiopsie und minimalinvasiver Therapie bei benignen und malignen Prostata-Tumoren mithilfe von hochintensivem fokussierten Ultraschall (HifU),
  • Kinderradiologie mit MRT,
  • spezialisierten neuroradiologischen Untersuchungen oder
  • interventionellen Verfahren mit einem zunehmend großen Spektrum.

Wenn Kliniken die Versorgungsprozesse infrastrukturell sowie personell gut organisieren, können die Erlösmöglichkeiten ohne Weiteres mittlere sechsstellige Beträge erreichen. Weitere Erlöspotenziale liegen in der ambulant spezialfachärztlichen Versorgung ASV nach § 116 b SGB V bei seltenen oder schweren Erkrankungen mit besonderem Krankheitsverlauf. Zu letzteren zählen bisher Augentumoren, chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED), Epilepsie, gastrointestinale Tumoren, gynäkologische Tumoren, Hauttumoren, Hirntumoren, Knochen- und Weichteiltumoren, Kopf- oder Halstumoren, Lungentumoren und Tumoren des Thorax, Multiple Sklerose, Rheuma sowie urologische Tumoren. Es handelt sich bei der ASV um extrabudgetäre Erlöse, die also ohne Abzüge mit den KV-Abrechnungen erfolgen. Diese rentieren sich insbesondere bei Leistungen mit CT, MRT und PET/CT.

Wichtiger ist allerdings der prozessuale Vorteil innerhalb der ASV. Denn wenn die Klinikradiologie bei der überwiegend anfallenden Tumordiagnostik die Untersuchungen selbst durchführt und in den Tumor-Boards bespricht, so entsteht dabei der Vorteil gegenüber den nicht-ASV-Prozessen. Denn bei den letztgenannten Prozessen stellen ambulante Radiologien auf digitalen Datenträgern die Untersuchungsergebnisse zur Verfügung, und zwar mit dem für die Klinikradiologie doppelten Aufwand der zusätzlichen Beurteilung und Präsentation solcher Untersuchungen.

Ermächtigungsleistungen für KV-Patienten spielen zunehmend eine untergeordnete Rolle und hängen vom Wohlwollen der niedergelassenen Ärzte sowie der KV ab. Die geplante und derzeit in der politischen Diskussion befindliche Krankenhausreform will mehr Brücken zwischen den Sektoren bauen, z. B. mit den Level 1i(intersektoral)-Kliniken. Zudem gibt es seit Anfang des Jahres 2024 eine dreistufige Notfallversorgung mit gestaffelten Zusatzzahlungen. Das sind zwei gute Ansätze mit viel Potenzial für eine bessere Versorgung über die Sektorengrenzen hinweg. Es ist allerdings kaum vorstellbar, dass Praxen eine auch nur einigermaßen umfassende Notfallversorgung bei fehlender radiologischer Diagnostik durchführen können. Radiologische Praxiskliniken mit Level 1i-Niveau hätten ein enormes Brückenpotenzial.

Zusammenfassung und Fazit

  • Der Autor hat es in den vergangenen 30 Jahren bei der Analyse klinischer Radiologien mit ambulant-stationärer Vernetzung extrem selten erlebt, dass der niedergelassene Partner bei der Übernahme der Versorgung seine Rolle gemäß des Anforderungsprofils der Klinik angepasst hat, also die Versorgung optimal auf die Unterstützung der klinischen Prozesse ausgerichtet hat. Bei der überwiegenden Zahl der Fälle hat der niedergelassene Partner nach Möglichkeit ein großes Leistungsvolumen abgerechnet und die klinischen Potenziale für die eigene Abrechnung und den eigenen wirtschaftlichen Vorteil eingesetzt.
  • Der Autor ist nicht überzeugt, dass etwaige Kostenvorteile beim Outsourcing der „teuren“ Radiologie die beschriebenen entstehenden Qualitätsnachteile ausgleichen. Unter Berücksichtigung aller Aspekte überwiegen die Nachteile bei der Ergebnisqualität etwaige Vorteile hinsichtlich der Kostenreduktion. Dieser Qualitätsnachteil kann zu längeren Verweildauern führen mit einem enormen Kostenpotenzial in Höhe der Vollkosten der radiologischen Versorgung.Andererseits sollte auch eine klinische Radiologie an die Prozesserfordernisse und die hohen Qualitätsanforderungen angepasst werden und sich messen lassen. Besonders relevant ist die Nutzung von klinischen Spezialisierungen zur Vermarktung außerhalb der Klinik. Es gibt Kliniken, in denen die Radiologie durch eine Vermarktung bei Privat- und Verlegungspatienten aus anderen Kliniken die hohen Kostenanteile der Radiologie erwirtschaftet.
  • ASV ist (länderabhängig) mitunter aufwendig (Zeit und Papier) und gegen den Widerstand anderer Interessensgruppen durchzusetzen. Sie bietet (grob) etwa ein Zehntel des bei Privatpatienten erwirtschaftbaren Erlösvolumens, abhängig von der Ausstattung der Radiologie und den beantragten ASV-Leistungen. Zudem optimiert die ASV die Prozessqualität im Krankenhaus und stärkt die individualisierte Behandlung der Patienten – insbesondere bei Onkologie-Patienten.
  • Teleradiologische Ansätze mit ausschließlicher Konzentration auf die Befundung ohne Überprüfung, ob die angeforderte Untersuchung mit Modalität zum klinischen Kontext passt, sind ganz sicher keine dauerhafte Lösung für eine klinische Radiologie. Der in diesem Sinne erfolgreiche Einsatz von KI wird sicher noch einige Jahre auf sich warten lassen.

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