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Personalmanagement„Es wird schwieriger, ausreichend geeignete Bewerber für den MTR-Beruf zu akquirieren!“

03.06.2024Ausgabe 6/20246min. Lesedauer

Der Mangel an Medizinischen Technolog/-innen für Radiologie (MTR) wirkt sich inzwischen negativ auf die radiologische Versorgung aus. Das beschreibt ein MTR aus Sachsen in seinem Leserbrief an das RWF. Er schildert radiologische Abteilungen, die nachts und am Wochenende nicht mehr komplett besetzt werden können, eine Zusammenlegung bzw. die Schließung einer ambulanten Radiologie sowie gekürzte Sprechzeiten. Es gebe nicht einmal genug Personal, um ans Telefon zu gehen. Wie wird sich die Personalsituation entwickeln und welche Änderungen werden damit einhergehen? Diese Frage unseres Lesers gab Ursula Katthöfer (textwiese.com) weiter an Michael Wiertz. Er ist Medizinpädagoge M. A. und leitet die MTR-Schule des Universitätsklinikums Aachen.
 

Redaktion: Die Radiologie braucht gut ausgebildete MTR. Wie entwickeln sich die Ausbildungszahlen derzeit?

Wiertz: Aus Sicht des Uniklinikums Aachen sind sie unverändert. In unserem Kurs starten pro Jahr gemäß unserer staatlichen Zulassung 20 junge Menschen. Wir beginnen sogar mit 22 Auszubildenden, da im Lauf der Jahre, ähnlich wie in der Pflege, etwa 25 bis 30 Prozent abspringen.

Doch es stehen alle MTR-Schulen vor der großen Herausforderung, ausreichend geeignete Bewerber zu akquirieren. Wie die Situation im Einzelnen ist, lässt sich schwer sagen. Leider gibt es bisher keine Untersuchung zu statistisch signifikanten Entwicklungen.

Redaktion: Was macht die Akquise so schwierig?

Wiertz: Der MTR-Beruf ist immer noch sehr unbekannt. Wir informieren an allgemeinbildenden Schulen und nehmen Einladungen zu Berufsinformationstagen wahr. An unserer Schule haben wir Tage der offenen Tür. Sie finden an Samstagen statt, weil dann wenig Betrieb ist und wir die Besucher durch die Abteilungen führen und ihnen z. B. ein MRT zeigen können. Aus dem virtuellen Infotag, den wir während der Coronapandemie veranstaltet hatten, sind Youtube-Videos geblieben. Dennoch fällt es insgesamt schwer, ausreichend Menschen zu MTR auszubilden. Ein Problem sind die enormen Finanzierungslücken bei vielen privaten Schulen, die keinen Krankenhaus-Träger haben. Das Krankenhausfinanzierungsgesetz regelt, dass ausbildende Krankenhäuser über den Krankenkassenfonds refinanziert werden. Aus dem Fonds erhalten sie Kosten für Personal, Aus- und Weiterbildung sowie Sachmittel ihrer MTR-Schulen. Für private Schulen und niedergelassene Radiologen ist die Ausbildung hingegen ein enormer Kostenaufwand, da sie nicht refinanziert werden.

Redaktion: Was heißt das für den Arbeitsmarkt?

Wiertz: Das Deutsche Krankenhausinstitut hat in seiner Studie „Fachkräftemangel und Fachkräftebedarf in MTA-Berufen“ errechnet, dass 25 Prozent der MTR bis 2030 in den Ruhestand gehen werden. Das entspricht 3.270 Vollzeitkräften. Und diese Zahlen beziehen sich nur auf Krankenhäuser, über den niedergelassenen Sektor gibt es hierzu keinerlei belastbare Statistiken. Der Bedarf lässt sich nur decken, wenn die Ausbildungszahlen konstant bleiben. Doch ich habe meine Zweifel. Zwar geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage im Deutschen Bundestag hervor, dass wir pro Jahr rund 800 MTR-Absolventen haben. Doch werden viele aller Wahrscheinlichkeit nach aus dem Beruf ausscheiden, weil die große Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit im Arbeitsalltag zu belastend ist. Die Verantwortung für eine gute Versorgung wird von zu wenigen Einzelpersonen getragen. Das empfinden auch MTR als unangenehm.

Redaktion: Inzwischen rekrutieren Krankenhäuser Personal aus dem Ausland. Wäre das auch bei MTR eine Lösung?

Wiertz: Wir haben an unserer Schule viele Bewerbungen aus Nordafrika und dem Iran. Doch gibt es unglaubliche Probleme zum Aufenthaltsstatus und beim nicht-einheitlichen Schulbildungsstand. Wer seine Ausbildung im Ausland bereits abgeschlossen hat, muss diese bei den Behörden der Bundesländer anerkennen lassen. Sie vergleichen die Ausbildungsinhalte und die Praxisanteile. Oft stellen sie fest, dass in der praktischen Ausbildung mehrere 100 Stunden fehlen. Die Bewerber erhalten dann einen Defizitbescheid. Damit können sie Anpassungslehrgänge besuchen. Auf Anhieb fallen mir nur zwei Schulen ein, die diese Lehrgänge anbieten: eine in Esslingen und eine in Lüdenscheid. Wir brauchen mehr Anpassungskurse und müssen das Verfahren dringend vereinfachen und beschleunigen.

Redaktion: Wohin zieht es Absolventen nach der MTR-Ausbildung? In die Klinik oder in die ambulante Niederlassung?

Wiertz: Bei uns am Uniklinikum Aachen bleiben 75 Prozent aller erfolgreichen Absolventen im Haus. Wer das Haus verlässt, geht am liebsten in ein anderes Krankenhaus, selten zieht es jemanden in eine ambulante Praxis. Grund ist m. E., dass die jungen Leute ihr breit erworbenes Wissen vertiefen möchten, um Erfahrungen zu sammeln. Deshalb bleiben sie im Krankenhaus. Eine Spezialisierung auf konventionelles Röntgen, CT und MRT, wie sie in Niederlassungen oft nachgefragt wird, ist bei Berufsanfängern eher unerwünscht.

Redaktion: Wie könnte diesem Ungleichgewicht entgegengewirkt werden?

Wiertz: Ich denke nicht, dass ein Entgegenwirken notwendig ist. Solange die ambulanten Praxen keinen aktiven Anteil an der Ausbildung haben, ist es durchaus gerechtfertigt, dass die Kliniken zunächst ihren Bedarf decken. Jeder, der Nachwuchs haben möchte, sollte am Ausbildungsprozess teilnehmen. Womit wir wieder bei der mangelnden Refinanzierung der Ausbildung in privaten Einrichtungen sind. Der niedergelassene Sektor müsste in § 76 des MT-Berufegesetzes integriert werden, damit er ebenfalls aus dem Krankenkassenfonds Geld erhält. Das ist ein wichtiger Dreh- und Angelpunkt, der überarbeitet werden muss.

Doch ist es eine natürliche Entwicklung, dass MTR irgendwann in eine Praxis gehen. Zur Klinik gehören Bereitschafts-, Wochenend- und Nachtdienste. Multimorbide Patienten müssen aufwendig gestützt und gelagert werden. In den Praxen hingegen gehen nahezu alle Patienten zu Fuß, die körperliche Belastung ist für MTR deutlich geringer. Allerdings sind die Taktraten in auf Effizienz getrimmten Praxen viel höher.

Redaktion: Welche Rolle spielt die Vergütung z. B. nach TV-L bei der Entscheidung für Klinik oder Praxis?

Wiertz: Mir hat ein niedergelassener Radiologe gesagt, dass seine Praxis Gehälter wie im Krankenhaus nicht bezahlen könne. Das mag hochspezialisierten Praxen gelingen, aber grundsätzlich ist das Gehalt in der Niederlassung nicht unbedingt höher als in der Klinik. Das liegt auch an der Struktur des Tarifsystems. Im öffentlichen Dienst gelten Tabellen, in der freien Wirtschaft muss man durch Leistung überzeugen. Es ist zudem immer schwierig, in der Niederlassung mit demjenigen, der direkt für das Gehalt verantwortlich ist, unmittelbar zusammenzuarbeiten. Das ist im Krankenhaus ein wenig anders.

Ich gebe jedem Absolventenjahrgang mit auf den Weg, bei der Arbeitgeberwahl nicht nur monetäre Aspekte zu berücksichtigen. Die Atmosphäre, Zuschüsse zu Fahrt- oder Lebenshaltungskosten sowie die Bereitschaft, Fortbildungen zu finanzieren, sollten ebenfalls beachtet werden.

Redaktion: Wie könnten die Digitalisierung und Anwendungen mit Künstlicher Intelligenz (KI) radiologische Abteilungen entlasten?

Wiertz: In den letzten Jahren hat sich Remote Scanning entwickelt. Dass spezialisierte MTR das Personal vor Ort, das den Patienten betreut und lagert, unterstützen, ist ein guter Ansatz. KI-Algorithmen werden sicherlich dazu beitragen, Zeit, Dauer und Bildqualität der Remote-Untersuchungen zu optimieren. KI könnte auch die Abläufe verbessern, z. B. bei der Priorisierung der Patienten, um Notfälle effizienter herauszufiltern. Das würde die Versorgungsqualität verbessern.

Redaktion: Wohin wird sich die Weiterbildung von MTR vor dem Hintergrund des Personalmangels entwickeln? Was müssen sie dazulernen?

Wiertz: In der Deutschen Gesell- schaft für Medizinische Technolog:innen für Radiologie (DGMTR), also der Fachvertretung in der DRG, entwickeln wir Konzepte zur Spezialisierung und organisieren Fachkräftezertifikate ähnlich zur Mammografie. Sich z. B. auf kardiovaskuläre Untersuchungen zu spezialisieren, kann einerseits ein attraktives Angebot für MTR sein und andererseits die Versorgungsqualität heben. Das neue MT-Berufegesetz führt die Spezialisierung unter dem Stichwort der vorbehaltenen Tätigkeiten.

Redaktion: Ihr Fazit: Gehen Sie davon aus, dass es wegen des Personalmangels zu einer weiteren Verschlechterung der Versorgung kommt?

Wiertz: Die demografische Entwicklung zeichnet ein düsteres Bild. Der Bedarf wird in den nächsten Jahren immens sein. Es bleibt fraglich, ob die Ausbildung allein diesen Bedarf abdecken kann und ob die Beschäftigten in Lohn und Brot bleiben. Das betrifft übrigens nicht nur die radiologische Diagnostik, sondern auch die Strahlentherapie und die Nuklearmedizin. Auch dort zeichnet sich ein Personalnotstand ab.

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