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Interview

„Mit dem mobilen CT beim Oktoberfest konnten wir den Rettungsdienst entlasten!“

02.01.2023Ausgabe 1/20234min. Lesedauer

Ein mobiles CT auf einem Volksfest. Das hat es weltweit bisher nicht gegeben, auch nicht beim MĂŒnchner Oktoberfest. Doch nach der zweijĂ€hrigen Coronapause wurde im vergangenen Jahr einiges anders. So entschied die Ärztliche Leitung des Rettungsdienstes MĂŒnchen und MĂŒnchen-Land zusammen mit der Stadtspitze, ein mobiles CT auf dem Oktoberfest einzusetzen. Dr. med. Wilhelm H. Flatz, Oberarzt an der Klinik und Poliklinik fĂŒr Radiologie des Klinikums der UniversitĂ€t MĂŒnchen, betreute das Projekt. Ursula Katthöfer () fragte ihn, ob mobile CTs bei Volksfesten Zukunft haben.

Redaktion: Welchen Zweck sollte das mobile CT auf der „Wiesn“ erfĂŒllen?

Dr. Flatz: Ziel war, mit dem Einsatz des mobilen Hightech-CTs auf dem grĂ¶ĂŸten Volksfest der Welt die Rettungsdienste und Notaufnahmen der Stadt MĂŒnchen zu entlasten. Das Oktoberfest wird jĂ€hrlich von etwa sechs Millionen Menschen besucht. WĂ€hrenddessen gibt es ein deutlich höheres Patientenaufkommen fĂŒr die Notaufnahmen und die Rettungsdienste. Kombiniert mit der in 2022 besonders ausgeprĂ€gten Überlastung durch die Pandemie und PersonalausfĂ€lle mindert dieses erhöhte Patientenaufkommen die Ressourcen im Rettungssystem. Die Herausforderung war absehbar.

Redaktion: Konnten Sie Ihr Ziel erreichen?

Dr. Flatz: Es ist mehr als gelungen, die medizinischen Ziele zu erreichen. Es war in allen FĂ€llen möglich, nach der CT auf der Wiesn ĂŒber die passenden Therapieoptionen zu entscheiden. Die Patienten wurden entweder innerhalb kĂŒrzester Zeit in ein Krankenhaus gebracht oder konnten vor Ort ausgenĂŒchtert entlassen werden. Wenn Verletzungen auf dem Oktoberfest rasch und prĂ€zise diagnostiziert und Patienten schnell versorgt werden, dann erhĂ€lt der MĂŒnchner BĂŒrger weiterhin die Möglichkeit, bei einem Notfall adĂ€quat versorgt zu werden.

Redaktion: Wie viele Patienten wurden untersucht und was wurde vornehmlich diagnostiziert?

Dr. Flatz: Eine Ă€ußere Verletzung wie eine Kopfplatzwunde wird vom Untersucher sofort erkannt. Aber eine lebensbedrohliche Gehirnblutung sieht man nur mit dem CT. Insgesamt hatten wir 205 Patienten im CT, um Gehirnblutungen oder Verletzungen an der HalswirbelsĂ€ule auszuschließen.

Redaktion: WĂ€hrend des Oktoberfests entsteht ein ganzes „Wiesn-Krankenhaus“ inklusive zwei OPs und Schockraum. Wie unterscheiden sich die AblĂ€ufe zwischen Radiologie und Notfallmedizin vom stationĂ€ren Krankenhaus?

Dr. Flatz: Auch in einem Notfallsystem im Krankenhaus arbeiten Radiologen sehr eng mit anderen Disziplinen wie der Chirurgie zusammen, die Versorgung ist immer eine Teamleistung. Das Besondere am Oktoberfest ist die AtmosphĂ€re. Wie in einer Stadt gibt es fĂŒr die sechs Millionen Besucher ein Rathaus und einen im Volksmund „Behördenhof“ genannten Ort auf der Theresienwiese. Dort sind Feuerwehr, Polizei, Rettungsdienste und der erweiterte SanitĂ€tsbereich, in dem auch kleinere chirurgische Eingriffe vorgenommen werden, angesiedelt. Und das CT mittendrin. Alle sind wie eine große Familie.

Redaktion: Wie wurden die CT-Untersuchungen abgerechnet und wie aufwendig war die BĂŒrokratie?

Dr. Flatz: Die Kosten fĂŒr den Betrieb wurden von der Stadt MĂŒnchen getragen. Ein mobiles CT aufzubauen, geht sehr schnell. Die Formalien brauchen etwas lĂ€nger. Sie zu erfĂŒllen und die ArbeitsablĂ€ufe aus der Klinik auf ein Notfallsystem auf dem Oktoberfest zu ĂŒbertragen, war schon herausfordernd. Aber die formalen Regularien ließen sich innerhalb kurzer Zeit erfĂŒllen. Und sobald wir den Workflow angepasst hatten, war er fĂŒr die Profis nicht mehr ungewöhnlich.

Redaktion: Die WeihnachtsmĂ€rkte sind vorbei. Es folgen Karneval, große Sportveranstaltungen und viele weitere Volksfeste. Ab welcher GrĂ¶ĂŸe lohnt sich der Aufbau eines mobilen CTs?

Dr. Flatz: In der Notfallmedizin gilt der Grundsatz, dass jede Sekunde zĂ€hlt. Je frĂŒher man Verletzungen oder UnfĂ€lle diagnostiziert, desto schneller kann man ĂŒber eine patientenzentrierte Therapie entscheiden. Aus medizinischer Sicht ist es immer sinnvoll, zeitnah eine Diagnostik durchzufĂŒhren. Das mĂŒssten die jeweiligen Veranstalter diskutieren und darĂŒber beraten, wer die Kosten trĂ€gt.

Redaktion: WĂ€re das auch ein Modell fĂŒr radiologische Großpraxen?

Dr. Flatz: Radiologische Praxen mĂŒssen nach wirtschaftlichen Kriterien haushalten. Ob ein mobiles CT sich wirtschaftlich betreiben lĂ€sst, hĂ€ngt von vielen Faktoren ab und lĂ€sst sich noch nicht beantworten. Die Notfallbehandlung prĂ€klinisch wie klinisch ist zwar essenziell fĂŒr die Sicherheit der BĂŒrger, hĂ€ufig allerdings alleine nicht kostendeckend.

Redaktion: Werden Sie die Leistung beim Oktoberfest 2023 – so es denn stattfindet – wieder anbieten?

Dr. Flatz: Wir werten gerade die Daten des ersten Einsatzes exakt aus. Nach aktuellem Sachstand lief alles großartig, aus medizinischer Sicht erscheint der Einsatz sinnvoll, der BĂŒrger erhielt auch zum Oktoberfest eine zuverlĂ€ssige Notfallversorgung. Wir wĂŒrden nur sehr wenig anders machen, uns aber etwas mehr Planungszeit wĂŒnschen. Ja, wir wĂŒrden das mobile CT wieder anbieten.

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