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Interview„Aufgrund der positiven Resonanz wird der Röko auch in Zukunft ein digitales Programm haben!“

28.02.2022Ausgabe 3/20227min. Lesedauer

„Vielfalt leben – Zukunft gestalten“ – der Titel des 103. Deutschen Röntgenkongresses (Röko) klingt wie ein Appell. Er stammt von Dr. med. Kerstin Westphalen, der diesjährigen Präsidentin des Röko. Sie ist Chefärztin am Institut für diagnostische und interventionelle Radiologie der DRK Kliniken in Berlin-Köpenick und Leiterin des Degir-Zentrums für interventionelle Gefäßmedizin und minimalinvasive Therapie. Ursula Katthöfer (textwiese.com) fragte sie, welche Themen den Kongress prägen werden.

Redaktion: „Vielfalt leben“ – welche Rolle spielt Diversität für die Radiologie?

Dr. Kerstin Westphalen: Wir leben in einer modernen Gesellschaft zu der meines Erachtens die Diversität gehört. Dieser müssen wir durch eine offene Willkommenskultur begegnen. Es gibt mittlerweile zahlreiche Studien, die die positiven Wirkungen von Diversität in Arbeitskontexten belegen: verstärkte Innovationskraft, bessere Gewinnung und Bindung von Talenten, erhöhte Motivation und Leistungsfähigkeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, erhöhte Wettbewerbsfähigkeit usw. Die Medizin im Allgemeinen und die Radiologie im Speziellen sollten daher aus einem gesunden Eigeninteresse sicherstellen, dass alle Personalressourcen geschlechts- und herkunftsunabhängig im Sinne einer „Talentförderung“ erschlossen und optimal gefördert werden.

Redaktion: „Zukunft gestalten“ bezieht sich auf das Thema Nachhaltigkeit. Wo steht die Radiologie beim Umwelt- und Klimaschutz?

Dr. Kerstin Westphalen: Der Gesundheitssektor gehört in Deutschland zu den Branchen mit dem größten Ressourcenverbrauch. Auch die Radiologie trägt dazu bei. Deshalb stellt sich die Frage, wie die Radiologie klimabelastende Emissionen reduzieren, Ressourcen schützen und insgesamt mehr Nachhaltigkeitskonzepte entwickeln und umsetzen kann. An vielen radiologischen Standorten gibt es bereits Initiativen für mehr Nachhaltigkeit. So haben sich einige Kliniken das Ziel „Nullemissionen“ gesetzt und im ambulanten Bereich wurden nachhaltige Praxiskonzepte entwickelt und umgesetzt. Wichtig ist: Schon kleine Schritte können zu mehr Nachhaltigkeit in der radiologischen Versorgung beitragen. Dazu gehört beispielsweise der Einsatz von Mehrfach- und Glasprodukten, die Umstellung auf Ökostrom oder der Einkauf neuer Geräte, die energieeffizient sowie reparatur- und recyclingfähig sind.

Redaktion: Was tut die DRG fĂĽr mehr Nachhaltigkeit?

Dr. Kerstin Westphalen: Sie möchte Radiologinnen und Radiologen noch stärker für den Umwelt- und Klimaschutz sensibilisieren und über das Konzept der Nachhaltigkeit aufklären. Dazu gründete sie Anfang 2021 die Kommission „Nachhaltigkeit@DRG“, die nicht nur konkrete Vorschläge für die nachhaltige Gestaltung der Radiologie erarbeiten will, sondern auch die DRG selbst nachhaltiger ausrichten möchte. So hat die DRG beispielsweise die Digitalisierung aller Mitgliederangelegenheiten vorangetrieben, einen nachhaltigen Wissenstransfer über die Akademie, den digitalen Röko und die digitale Lernplattform conrad sichergestellt und durch die kontinuierliche Gremienbeteiligung des Forums Junge Radiologie die nächste Generation fest im Blick. Ein vom DRG-Vorstand verabschiedeter Zehn-Punkte-Plan sieht vor, für notwendige Dienstreisen künftig ökologische Verkehrsmittel zu nutzen, soweit wie möglich auf Papierausdrucke und postalischen Versand zu verzichten oder das Catering auf DRG-eigenen Veranstaltungen und Gremiensitzungen nachhaltig zu gestalten.

Redaktion: Radiologische Geräte sind extrem energieintensiv. Werden Energieeffizienz und CO2-Reduktion eine Rolle spielen?

Dr. Kerstin Westphalen: In der Radiologie wurde lange Zeit eher Wert auf eine gute Ausstattung der Geräte gelegt und bei Ausschreibungen auf optimale Leistung zu einem günstigen Preis geachtet. Es ging vor allem um schnelle Bildgebung und hohe Bildqualität. Das geht in der Regel mit einem höheren Energieverbrauch einher. Die Bewertung der Nachhaltigkeit von Geräten (Energieeffizienz, Reparatur- und Recyclingfähigkeit) sollte jedoch ein wichtiges Auswahlkriterium sein. Umweltsiegel bzw. Energielabel könnten hier für Orientierung sorgen. Die gibt es leider derzeit noch nicht für medizinische Großgeräte.

Redaktion: Es geht beim Röko auch um 50 Jahre CT. Wie begehen Sie dieses Jubiläum?

Dr. Kerstin Westphalen: Als eines der wichtigsten bildgebenden Verfahren ist die CT trotz Strahlenbelastung für die moderne Diagnostik unentbehrlich. Ob Untersuchungen der Lunge, des Bauchraums oder des Kopfes – eine CT liefert schnell und präzise wichtige Informationen über Veränderungen oder Verletzungen im Körper. Sie wird daher auch völlig zu Recht als das „Arbeitspferd der Radiologie“ bezeichnet. Die inzwischen über 50 Jahre alte Technik hat uns den Weg zu einer modernen Diagnostik und minimalinvasiven Therapie ermöglicht. Und die Innovationsreise geht weiter. So wird beispielsweise das vor kurzem zur Marktreife gebrachte Photon Counting von vielen Radiologen als der nächste große Schritt in der CT-Bildgebung gehandelt. Anlässlich ihrer über 50-jährigen Geschichte soll die CT einen besonderen Platz im Kongressprogramm einnehmen. Fragen nach Anwendungsmöglichkeiten, Strahlenexposition, Kontrastmitteleinsatz und Innovationen rücken dabei in den Mittelpunkt.

Redaktion: In den Interventionen zeigt sich neben der Diagnostik die Vielfalt der Radiologie. Welche Rolle soll die interventionelle Radiologie beim Röko spielen?

Dr. Kerstin Westphalen: Sie ist ein zentrales und äußerst anspruchsvolles Arbeitsfeld der Radiologie. Hier werden wir von Diagnostikern zu minimalinvasiven Therapeuten. Neben der Vermittlung von interventionellen Kenntnissen und Fertigkeiten – unter anderem durch Simulator-Trainings – soll es auch um die Vermittlung von klinischem Wissen gehen, das alle Interventionsradiologen für die Indikationsstellung, die Durchführung der Behandlung oder die Nachsorge der Patienten dringend benötigen. Wir wollen damit die patientenzentrierte Versorgung stärken.

Redaktion: Der Röko hat in den vergangenen zwei Jahren einen umfassenden digitalen Transformationsprozess durchlaufen. Mit welchen Erfahrungen?

Dr. Kerstin Westphalen: Die DRG kann auf einen erfolgreichen digitalen Transformationsprozess zurückblicken. Im Jahr 2020 wurde pandemiebedingt sehr kurzfristig, d. h. nur zwei Monate vor dem 101. Deutschen Röntgenkongress, eine sehr wegweisende Entscheidung getroffen. Statt den Präsenskongress 1:1 digital zu übersetzen, wurde ein Programm entwickelt, das sich nahezu über das gesamte Jahr erstreckte. Wir haben damit ein kontinuierliches Fortbildungsangebot geschaffen in einer Zeit, in der es keinerlei Präsenzveranstaltungen gab. Zudem konnten wir über das neue digitale Format neue Teilnehmergruppen gewinnen, da nun wirklich jeder, also z. B. auch Radiologinnen und Radiologen mit Kindern, problemlos teilnehmen konnte. Die Nachfrage war entsprechend groß.

Im Jahr 2021 haben wir das Programm noch einmal substanziell ausgebaut und vor allem der Wissenschaft mehr Raum gegeben. Die Aufmerksamkeit selbst für solche nicht fortbildungs-/CME-relevanten Veranstaltungen war unglaublich groß. Erwähnen möchte ich auch die Industrie, die sehr dankbar war, dass wir ihr so schnell ein überzeugendes digitales Angebot bereitstellen konnten. Mit unserem 2021 eingeführten Industrieportal haben wir eine fantastische Möglichkeit geschaffen, umfassende Informationen und Dialogangebote der Unternehmen aus erster Hand anzubieten.

Redaktion: Das Format des diesjährigen Kongresses ist wiederum neu. Drei Monate lang gibt es digitale Veranstaltungen, in deren Mitte der Präsenzkongress im Wiesbadener Rheinmain Congresscenter liegt. Wie wichtig ist das „Sehen und Gesehenwerden“ noch?

Dr. Kerstin Westphalen: Eigentlich war der Röko im digitalen Format als Übergangslösung und Teil unseres pandemischen Krisenmanagements gedacht. Die große positive Resonanz und der Blick in eine immer stärker digitalisierte Welt von morgen führten jedoch zu dem Entschluss, den Deutschen Röntgenkongress auch zukünftig um einen digitalen Programmteil zu erweitern. Gleichzeitig war aber immer klar, dass dadurch die soziale Seite eines Kongresses nicht umfassend ersetzt werden kann. Die menschliche Interaktion ist für viele Teilnehmer nach wie vor eine wichtige Motivation, um im gemeinschaftlichen Austausch einer wissenschaftlichen Gesellschaft aktiv zu sein. Darauf wollen und werden wir nicht verzichten.

Redaktion: Dennoch ist der Präsenzkongress nur noch drei statt vier Tage lang. Warum?

Dr. Kerstin Westphalen: Die Kombination aus Digital- und Präsenzkongress entzerrt das Programm, sodass wir den Präsenzkongress schlanker halten können. Die traditionell besucherstärksten Tage sind der Donnerstag und der Freitag. Wir haben deshalb den Kongress-Samstag gestrichen, da an diesem Tag ohnehin keine Industrie-Ausstellung mehr stattfindet und in der Vergangenheit mehrheitlich Zertifizierungsprüfungen stattfanden, die inzwischen über das gesamte Jahr digital organisiert werden. Schließlich macht der Wegfall des Samstags den Kongress auch familienfreundlicher.

Redaktion: Es gibt kein Kombiticket für die digitalen Angebote und den Präsenzkongress. Warum nicht?

Dr. Kerstin Westphalen: Hinter den beiden Kongressmodulen liegen sehr unterschiedliche Finanzierungsstrukturen und -prozesse, die wir getrennt voneinander abbilden müssen, um das Einladungsmanagement für uns und die Teilnehmer schlank und nachvollziehbar zu halten. Wir haben aber für beide Kongressteile eine sehr attraktive Preisstruktur angelegt. Im Rahmen des digitalen Kongressmoduls ist besonders auch das Angebot der vereinfachten Gruppenanmeldung hervorzuheben, die es Kliniken aber auch größeren Praxen ermöglicht, die Fortbildung aller ihrer Angestellten aktiv zu fördern. Darüber hinaus stehen die Webinare des digitalen Kongressmoduls den hier Teilnehmenden, die zugleich Mitglied in der DRG sind, bis Ende 2024 als On-Demand-Webinare in conrad, der Lernplattform der DRG, zur Verfügung.

Redaktion: Zum Schluss eine persönliche Frage: Ihr eigenes Haus in Köpenick hebt ausdrücklich hervor, dass Sie erst die zweite Frau in der Position der Röko-Präsidentin sind. Spricht dieses Betonen für oder gegen den bisherigen Erfolg der Gleichstellung?

Dr. Kerstin Westphalen: In der DRG haben wir einen Frauenanteil von rund 36 Prozent, was ziemlich genau dem Anteil berufstätiger Radiologinnen in Deutschland entspricht. Im stationären Bereich üben aber nur fünf Prozent der Radiologinnen eine leitende Funktion aus. Hier gibt es ein Missverhältnis, das sich in die DRG hinein verlängert. Kurz: Es fehlen Frauen in verantwortlichen Positionen. Insofern sehe ich mich in meiner Funktion als Kongresspräsidentin als positives Ergebnis dieser ganz klaren Zielformulierung unserer Fachgesellschaft. Ich appelliere an meine Kolleginnen: Trauen Sie sich und nutzen Sie die Möglichkeiten, sich innerhalb der Fachgesellschaft, aber auch als Referentin auf dem Kongress einzubringen und die weiteren Geschicke aktiv mitzugestalten. Wenn nicht jetzt, wann dann?

103. Deutscher Röntgenkongress

Die Röko-Präsenzveranstaltung findet vom 25.05. bis zum 27.05.2022 im Rheinmain Congresscenter in Wiesbaden statt. Der Digitalkongress beginnt bereits am 27.03. (dem Geburtstag von Wilhelm Conrad Röntgen) und endet am 26.06.2022. Weitere Informationen sowie die Möglichkeit zur Anmeldung finden Sie unter .

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