Interview„Das neue MT-Berufe-Gesetz wird viele radiologische Institute herausfordern!“
Am 01.01.2023 tritt das neue MT-Berufe-Gesetz, auch „Gesetz über die Berufe in der medizinischen Technologie“, in Kraft. Ein zeitgemäßes Gesetz, das die bisherige MTRA-Ausbildung reformiert. „Medizinische/r Technologe/in für Radiologie“ (MT-R) heißt der Beruf fortan. In den Ausbildungsstätten sollen Praxisanleiter die Auszubildenden begleiten. Das klingt noch sehr abstrakt. Was konkret auf radiologische Praxen und Abteilungen zukommt, erfuhr Ursula Katthöfer (textwiese.com) im Gespräch mit Claudia Fritz-Fröhlich, Leitende MTRA am Institut für Radiologie und interventionelle Therapie des Vivantes Klinikum im Friedrichshain in Berlin.
Redaktion: Sie haben fast 40 Jahre Berufserfahrung. Worauf sollten Radiologen, in deren Praxen oder Abteilungen es demnächst die Praxisanleitung von angehenden MT-R gibt, besonders achten?
Claudia Fritz-Fröhlich: Die Zusammenarbeit zwischen Schule und Praxisanleitung ist sehr wichtig. Denn die Schule vermittelt den Stoff, auf den wir aufbauen. Zudem brauchen wir eine vorausschauende Planung, um zu wissen, wann welche Auszubildenden kommen. Wir haben beispielsweise in unserem Institut etwa 40 MTRAs, MFAs mit und ohne Röntgenschein sowie Krankenpflegerinnen. Wir kooperieren mit drei verschiedenen Schulen für Medizinische Fachberufe in Berlin und Brandenburg. Es macht die Sache noch komplexer, dass alle drei Schulen ganz unterschiedliche Ausbildungspläne haben. Erst mit der neuen MT-R-Ausbildungsverordnung wird es von Januar an ein einheitliches Curriculum geben.
Redaktion: Das klingt nach einem Puzzlespiel, zumal dem neuen Gesetz zufolge 15 Prozent der zu absolvierenden Stundenzahl eines Auszubildenden als Praxisanleitung stattfinden müssen. Geht das überhaupt?
Claudia Fritz-Fröhlich: Wir brauchen zusätzliches Personal. Einem Auszubildenden beispielsweise die CT zu erklären, mit ihm Untersuchungen an Patienten durchzuführen und Fallbeispiele zu besprechen, ist zeitaufwendig. Beim Röntgen in der Projektionsradiografie und bei der CT muss der Praxisanleiter die Leistung des Auszubildenden gemeinsam mit dem Lehrer prüfen. Beurteilt wird u. a., ob ein Auszubildender patientenorientiert und indikationsgerecht arbeitet. Die Schule stellt Unterlagen zur Verfügung, um zu bewerten, ob der Auszubildende Hygiene und Strahlenschutz einhält, eine Verlaufskontrolle macht und die Bilder selbst richtig einschätzt: Ist die Belichtung in Ordnung, liegt der Buchstabe richtig, usw. Das geht nicht ohne qualifiziertes Personal.
Redaktion: Könnten Radiologen, z. B. Assistenzärzte, die Rolle der Praxisanleiter übernehmen?
Claudia Fritz-Fröhlich: Nein. Gerade die Assistenzärzte sind ja selbst in der Ausbildung, das ist eine völlig andere Ebene. Es gibt auch immer wieder die Diskussion, ob eine MFA mit Röntgenschein die Praxisanleitung übernehmen könne. Das Interprofessionelle kann sie übernehmen, wenn ich als Leitende MTRA der Meinung bin, dass sie dafür kompetent ist. In der Angiografie sind viele MFAs oder Krankenpflegerinnen, die ihren Arbeitsplatz sehr gut kennen und gut vermitteln können.
Redaktion: Gibt es dafür ein Honorar?
Claudia Fritz-Fröhlich: Das ist eine sehr schwierige Frage. Es ist ein Zuschlag für die Praxisanleiter mit Zusatzausbildung vorgesehen. Diese muss ich offiziell bei der Schule anmelden, damit sie als Praxisanleiter anerkannt werden. Doch Auszubildende schauen sich bei mehreren Personen etwas ab. Dann zu entscheiden, dass jemand ein Zusatzhonorar bekommt, ein anderer jedoch nicht, sorgt für Unmut. Wer nicht honoriert wird, fragt sich, warum er den Auszubildenden überhaupt etwas zeigen soll. Ich bin gespannt, wie diese Situation sich auflösen lässt, wenn das Gesetz erst einmal in Kraft ist.
Redaktion: Wie lässt sich die Arbeit mit den Auszubildenden am besten organisieren?
Claudia Fritz-Fröhlich: Es muss klar sein, welcher Auszubildende welchen Praxisanleitern zugeordnet ist. Es sollen immer zwei Praxisanleiter sein, damit auch im Fall von Wechselschicht, Fortbildung, Urlaub oder Erkrankung immer jemand ansprechbar ist. Bei uns im Haus bin ich die Hauptansprechpartnerin. Wir haben fünf weitere Praxisanleiter, die sich jeweils maximal um zwei Auszubildende kümmern dürfen. Auf der anderen Seite haben wir mehrere Auszubildende von drei Schulen, was organisatorisch schon recht anspruchsvoll ist. Denn ich kann nicht zwei Nachwuchskräfte, die noch in der Ausbildung sind, an einen Arbeitsplatz setzen. Wir dürfen schließlich nicht vergessen, die Patienten gut zu versorgen. An der CT verteile ich die Auszubildenden beispielsweise auf die Früh- und Spätschicht.
Die Auszubildenden bekommen am ersten Tag einen Ablaufplan, aus dem hervorgeht, wo sie eingesetzt werden und wer ihre Ansprechpartner sind. Es folgt die Einweisung in Hygiene, Strahlen-, Arbeits- und Brandschutz. Auch die Arbeitszeiten und das Verhalten bei Krankheit oder einem Arbeitsunfall werden thematisiert. Außerdem sehe ich mir die Schulunterlagen an. Der erste Tag ist schon sehr aufregend.
Redaktion: Welche Rolle spielt Kommunikation?
Claudia Fritz-Fröhlich: Bei jedem Einsatz, egal ob er vier, acht oder zehn Wochen dauert, gibt es immer ein Einführungs-, Zwischen- und Endgespräch. Darin geht es um die Erwartungen der Auszubildenden. Wir geben ihnen Feedback. Auch außerhalb dieser Gespräche bleibt die Tür immer offen.
Redaktion: Während der Ausbildung soll möglichst viel praktische Erfahrung gesammelt werden. Geschieht dies ausschließlich in einem Haus oder auch anderswo?
Claudia Fritz-Fröhlich: Beides ist möglich. Doch wenn Auszubildende fünf Stationen haben, dann empfiehlt es sich, dass sie die meisten Stationen an einem festen Standort machen und an anderen Standorten nur für kurze Zeit hospitieren. Das gibt der Ausbildung Stabilität und die radiologische Abteilung muss mit der Einarbeitung nicht immer wieder von vorn anfangen. Der Auszubildende weiß, wo der Wäscheschrank steht, wie es zur Intensivstation geht und welche Dienstmodelle es gibt. Das spart enorm viel Zeit. Wenn wir jemanden bereits kennen, können wir sofort auf Ausbildungsinhalte fokussieren, die ihn weiterbringen. Viele Auszubildende freuen sich richtig, wenn sie wieder zu uns kommen. Sie fühlen sich zugehörig.
Redaktion: Das bedeutet, dass Praxisanleiter die Auszubildenden drei Jahre lang regelmäßig sehen.
Claudia Fritz-Fröhlich: Auch daraus ergeben sich langfristige Vorteile. Das Haus kann dem Auszubildenden einen Minijob anbieten und ihn sonnabends oder sonntags einteilen. Dann weiß er schon, wie Wochenenddienste funktionieren. Ich habe vor kurzem eine junge Frau eingestellt, die als Praktikantin zu uns kam, sich für die Ausbildung zur MTRA entschied, bei uns ausgebildet wurde, ihr Staatsexamen machte und nun bei uns anfängt. Sie kennt alle Geräte und das Team hat sogar die Umbauphase von der alten zur neuen CT miterlebt. Wir haben ihr viel beigebracht, nun gibt sie uns viel zurück.
Redaktion: Es könnte aber auch sein, dass Praxisanleiter und Auszubildende nicht miteinander zurechtkommen.
Claudia Fritz-Fröhlich: Dann ist es nicht sinnvoll, immer wieder zusammen zu kommen. Manche Auszubildende mögen relativ kleine Abteilungen oder Praxen. Sie empfinden eine Abteilung mit 40 Mitarbeitenden als zu stressig. Dann ist das für sie nicht das Richtige. Manchmal stimmt die Chemie auch einfach nicht.
Redaktion: Stichwort Chemie: Wie wichtig ist die Empathie der Praxisanleiter?
Claudia Fritz-Fröhlich: Sehr wichtig. Viele Menschen der jungen Generation sind sehr unsicher. Das mag mit der Pandemie zusammenhängen, in der menschliche Kontakte stark eingeschränkt waren. Wir haben nun Auszubildende, die schon am ersten Tag Angst davor haben, am Ende durch die Prüfung zu fallen.
Redaktion: Welche Voraussetzungen müssen Praxisanleiter noch mitbringen?
Claudia Fritz-Fröhlich: Momentan müssen sie ein Jahr Berufserfahrung als MTRA haben, um zu einer berufspädagogischen Zusatzqualifikation zum Praxisanleiter mit mindestens 300 Stunden zugelassen zu werden. In diesem Kurs geht es in verschiedenen Modulen um Anleitungsprozesse und Lernmethoden, Beurteilung und Bewertung, Kommunikation und Interaktion. Es gibt Theorie- und Praxisphasen. Der Kurs schließt mit einer Abschlusspräsentation ab.
Ich selbst habe vor neun Jahren meinen Praxisanleiterkurs mit 40 Stunden absolviert und falle unter den Bestandsschutz. Der gilt für alle, die zwischen dem 01.01.2021 und 31.12.2022 als Praxisanleiter tätig und als solche bei den Behörden gemeldet sind. Allerdings müssen wir nach dem 01.01.2023 jährlich eine mindestens 24-stündige berufspädagogische Fortbildung machen.
Redaktion: Wenn Praxen und Abteilungen ihre MTRAs für diese Fortbildungen freistellen, fehlen sie am Arbeitsplatz.
Claudia Fritz-Fröhlich: In einigen Bundesländern ist die Praxisanleitung völliges Neuland. Wer dann niemanden beschäftigt, der unter den Bestandsschutz fällt, muss erst einmal eine MTRA für 300 Stunden zur Fortbildung schicken. Je nachdem wie die Fortbildung organisiert ist, fehlt die Person dann über ein halbes Jahr lang regelmäßig.
Die Kosten für die Qualifizierung liegen bei etwa 2.000 Euro. Wir haben lange auf das neue Gesetz gewartet, doch diese 300 Stunden und die neue Organisation werden viele radiologische Institute vor große Herausforderungen stellen!
Vielen Dank!
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