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Interview„Das neue MT-Berufe-Gesetz bringt viele positive Neuerungen!“

26.02.2021Ausgabe 3/20215min. Lesedauer

Ein Dinosaurier – so nannte Claudia Rössing, Präsidentin der Fachrichtung Radiologie/Funktionsdiagnostik beim Dachverband für Technologen/-innen und Analytiker/-innen (DVTA), die Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für MTA-Berufe. Die Verordnung stammt aus dem Jahr 1994. Nun hat der Bundestag das MTA-Reform-Gesetz beschlossen. Am 01.01.2023 tritt das neue „Gesetz über die Berufe in der medizinischen Technologie“ in Kraft. Claudia Rössing wird am 21.04.2021 von 16:00 bis 17:30 Uhr beim Webinar „MTA-ReformGesetz: Das bedeuten die neuen Regelungen für die Praxis“ Referentin sein. Vorab schildert sie im Interview mit Ursula Katthöfer (textwiese.com) die anstehenden Anpassungen und deren Folgen.

Redaktion: Nach fast 30 Jahren soll im Rahmen des MTA-Reform-Gesetzes das neue seinen Vorgänger (Gesetz über technische Assistenten in der Medizin, kurz MTAG) von 1993 ablösen. Was freut Sie besonders?

Rössing: Wir bekommen ein zeitgemäßes Gesetz, dass eine umfassende, qualifizierte Ausbildung auf dem jeweils aktuellen technischen Stand gewährleistet. Die Ausbildung orientiert sich nicht mehr an festen Inhalten, sondern an Kompetenzen, die an die zukünftigen technischen Entwicklungen angepasst werden können. Das macht die Ausbildung deutlich flexibler und für die Zukunft attraktiver.

Redaktion: Ich hätte erwartet, dass Sie den Wegfall des Schulgelds und die Ausbildungsvergütung zuerst nennen.

Rössing: Es gibt so viele gute Neuerungen. Die Abschaffung des Schulgelds und die einheitliche Regelung zur Ausbildungsvergütung sind für die Fachkräftesicherung sehr wichtig. MTRAs können in Zukunft ihr Privatleben selbstständiger gestalten, von zu Hause ausziehen oder ein Auto finanzieren. Sie werden von Schülern zu Auszubildenden.

Redaktion: MTRA sollen in Zukunft „Medizinische/r Technologe/in für Radiologie“, kurz MT-R, heißen. Wird da ein neues Etikett aufgeklebt oder steckt mehr dahinter?

Rössing: MT-R assistieren nicht, sondern sie arbeiten eigenverantwortlich und selbstständig. Die neue Berufsbezeichnung bildet genau das angemessen ab. Im Strahlenschutzgesetz, in den Regelungen zur Teleradiologie und in der Richtlinie zur Verordnung über den Schutz vor Schäden durch ionisierende Strahlung wird diese Eigenständigkeit schon länger berücksichtigt. Nun trägt ihr endlich auch unser eigenes Gesetz Rechnung. Radiologen können heute gar nicht mehr ohne MTRA arbeiten, da unsere Tätigkeiten in der Arztausbildung nicht vorkommen. In den vergangenen fast 30 Jahren kamen immer mehr diagnostische Methoden, medizinische Möglichkeiten und Wissen dazu. Ohne MTRA keine Diagnostik, ohne Diagnostik keine Therapie.

Redaktion: Bekommen MT-R mit der Reform denn tatsächlich mehr Verantwortung als bisher die MTRA?

Rössing: MTRA tragen diese Verantwortung schon lange. Sie gehen täglich mit sich schnell verändernden Technologien und der Digitalisierung um. Doch jetzt wird die Realität am Arbeitsplatz gesetzlich legitimiert. Gerade die Kontrastmittelgabe war immer eine rechtliche Grauzone.

Redaktion: Warum ist es sinnvoll, dass die MT-R Kontrastmittel und Radiopharmaka eigenständig verabreichen?

Rössing: In der heutigen, täglichen Routine sind Kontrastmittelgabe und Bildgebung schwer voneinander abzugrenzen, da bei modernen Geräten keine Trennung zwischen beiden Prozessen mehr existiert und sie zum Teil simultan ablaufen. Hauptsächlich betroffen sind Applikationen mit geringem Risiko, wie bei der Schilddrüse und bei Knochen. Allerdings bleibt die Aufsichtspflicht der Ärzte bestehen. Bei einem Kontrastmittelvorfall müssen sie entscheiden, wie reagiert wird.

Redaktion: Regelt das neue Gesetz auch, inwiefern Künstliche Intelligenz (KI) MT-R unterstützen soll?

Rössing: Es gibt keine explizite Regelung. Doch heißt es im Gesetz, dass MT-R im Umgang mit Datenmanagement und weiteren digitalen Technologien zu befähigen sind. So werden neue technische Entwicklungen wie KI über das Vermitteln von Kompetenzen abgesichert. Auch daran zeigt sich, dass das neue Gesetz nicht so starr ist wie sein Vorgänger. Wenn KI Einzug hält, muss in der Ausbildung durch die Schulen reagiert werden.

Redaktion: Stichwort Ausbildung: Deren Reform ist Kern des neuen Gesetzes. Die Ausbildungsvorgaben werden konkreter. Worauf müssen sich Ausbildungsbetriebe einstellen?

Rössing: Analog zu den neuen Gesetzen zu Pflege, Operationstechnischen und Anästhesietechnischen Assistenten sowie Notfallsanitätern soll es in den Ausbildungsstätten Praxisanleiter geben. Das sind in der Regel MT-R, die eine entsprechende Ausbildung absolviert haben. Wie sich die Praxisanleitung gestaltet, wird zurzeit geregelt. Sie soll 300 Stunden pro niedergelassenem Ausbildungsbetrieb oder Abteilung in einem Krankenhaus umfassen.

Redaktion: Welche Aufgaben kommen auf die Praxisanleiter zu?

Rössing: Sie geben den Auszubildenden Aufträge, damit diese ihr theoretisches Wissen in die Praxis übertragen und am Patienten anwenden können. Sie sind für Organisation und Umsetzung der Aufgaben verantwortlich und bewerten die Leistung. Optimal ist es, wenn sie die Auszubildenden auch ins Team integrieren, damit sie der Praxis oder der radiologischen Abteilung später erhalten bleiben.

Redaktion: Das ist recht viel auf einmal.

Rössing: Deshalb schreibt das Gesetz auch die Praxisbegleitung vor. Lehrpersonen aus den Schulen sollen Praxisanleiter und Auszubildende unterstützen und nehmen mit ihnen zusammen die Prüfung am Patienten – also das praktische Examen – ab.

Redaktion: Bei der praktischen Ausbildung sollen insgesamt 400 Stunden mehr in Ausbildungsstätten stattfinden als bisher. Darüber freuen sich radiologische Institute der Krankenhäuser und Praxen angesichts des Personalengpasses. Wo ist der Vorteil für die Azubis?

Rössing: Sie haben einen größeren Theorie-Praxis-Transfer. Statt an der Puppe zu lernen, arbeiten sie am Patienten. Das gibt mehr Sicherheit für die Abschlussprüfungen. Da sie auch früher mit Team und Arbeitsplatz in Kontakt kommen, findet die Sozialisation mit dem Beruf früher statt. Kurz: Es macht mehr Spaß, im richtigen Leben zu stehen als die Schulbank zu drücken.

Redaktion: Die Ausbildung wird in Teilzeit möglich sein. Dann soll sie maximal fünf Jahre dauern. Rechnen Sie damit, dass es viele Teilzeit-Azubis geben wird?

Rössing: Das ist im Moment die spannende Frage. Die Schulleiterin einer Klinik berichtete mir, dass es vor allem von MFA aus der Radiologie Nachfragen gibt. Sie möchten sich nebenberuflich weiterqualifizieren. MFA können Kenntnisse im Strahlenschutz erwerben, jedoch nicht die Fachkunde. Mit abgeschlossener MT-R-Ausbildung haben MFA dann eine weitergehende Qualifikation sowie die Fachkunde. Für die Schulen ist derzeit das größte Problem, die Anzahl der Teilzeit-Auszubildenden richtig abzuschätzen. Denn davon hängt ab, ob und wie viele neue Lehrkräfte fest eingestellt werden müssen. Der Personalschlüssel für Lehrkräfte ist gesetzlich geregelt.

Redaktion: Der Unterricht an den Schulen muss von Lehrkräften gegeben werden, die eine abgeschlossene pädagogische Ausbildung mindestens auf Bachelor-Niveau haben. Gibt es davon genug?

Rössing: Das hängt von den Bundesländern ab. In den neuen Bundesländern war es üblich, erst Diplom-Medizinpädagogik zu studieren, bevor man an einer MTA-Schule lehrte. Dort sind vermutlich 75 Prozent des Lehrpersonals entsprechend qualifiziert. In den alten Bundesländern gab es diese Forderung nicht, dort liegt der Anteil bei 40 Prozent. Hauptamtlich Lehrende können sich nachqualifizieren. Das Gesetz sieht eine Übergangsregelung bis zum Jahr 2033 vor.

Redaktion: Ihr Blick in die Zukunft: Wo steht der Beruf in zehn Jahren?

Rössing: Wir haben heute einen attraktiven Beruf. Das wird sich fortsetzen. MT-R werden stärker an den Schnittstellen zwischen Patienten, Ärzten, IT und Geräten arbeiten. Mich würde die Gegenfrage interessieren: Wie werden Radiologen das Berufsbild beurteilen?

Webinar am 21.04.2021 von 16:00 –17:30 Uhr

Guerbet lädt Sie ein zum Webinar „MTA-Reform-Gesetz: Das bedeuten die neuen Regelungen für die Praxis“, u. a. mit Claudia Rössing vom DVTA als Referentin. Das Webinar ist eine kostenfreie Serviceleistung von Guerbet. []

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