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AbrechnungsbetrugWas tun, wenn der Staatsanwalt in der Praxis steht?

01.01.2024Ausgabe 1/20244min. Lesedauer

Es ist Montagmorgen – irgendwo in einer radiologischen Praxis in Deutschland. Der diensthabende Radiologe schaut sich gerade Aufnahmen des gestrigen Tages an, als eine MFA in den Raum kommt: „Herr Doktor, draußen stehen zwei Herren von der Staatsanwaltschaft“, raunt sie. Staatsanwaltschaft? Hastig wendet sich der Arzt von seinen Bildern ab und stürmt klopfenden Herzens in den Vorraum. Dort stehen zwei gut gekleidete Herren. Es liegt ein Durchsuchungsbefehl vor. Der Vorwurf lautet auf „Abrechnungsbetrug“.

1. Der erste Eindruck zählt, daher gilt: Ruhig bleiben!

Zunächst sollten Sie gegenüber der Staatsanwaltschaft und den zuständigen Ermittlungsbeamten – bei allem Verständnis für den berechtigten Unmut über derartige rücksichtslose Maßnahmen – höflich und korrekt auftreten. Erfahrungsgemäß ist hier der erste Eindruck durchaus für den weiteren Gang der Durchsuchung und etwaiger Beschlagnahmen etc. von besonderer Bedeutung. Derjenige, der durch sein Verhalten unmittelbar den Eindruck erweckt, „ertappt“ worden zu sein, und der daher unangemessen reagiert, muss davon ausgehen, dass die vorhandenen Ermessens- und Beurteilungsspielräume der vor Ort tätigen Beamten sicherlich nicht zu seinem Vorteil ausgelegt werden. Es ist für den Betroffenen ungeheuer wichtig, dass derartige Maßnahmen zügig und mit wenig Aufsehen abgewickelt werden.

2. Durchsuchungsbeschluss aushändigen lassen

Zum freundlichen und korrekten Auftreten gehört jedoch sicher nicht, dass die Verhaltensweise der Staatsanwaltschaft vorbehaltlos akzeptiert oder ihr gar ausdrücklich zugestimmt wird. So sollte jeder Betroffene die zuständigen Beamten nach einem Durchsuchungsbeschluss befragen, den er sich dann auch im Doppel aushändigen oder in Kopie unmittelbar übergeben lassen sollte.

3. Gesamte Umstände sofort dokumentieren

Falls ein solcher Durchsuchungsbeschluss nicht vorliegt, weil die Staatsanwaltschaft die Auffassung vertritt, es läge Gefahr im Verzug vor, dann sollte der Betroffene dies ausdrücklich in einem eigenen Aktenvermerk dokumentieren. Daneben ist es empfehlenswert, sich dies von Unbeteiligten bestätigen zu lassen. Hierbei ist es sinnvoll, die gesamten Umstände (Ort, Zeit, Personen, Ablauf) in Kurzform schriftlich zu fixieren, damit auf der Basis dieses festgehaltenen Sachverhalts später im Verfahren ggf. eine rechtsfehlerhafte Bejahung von Gefahr im Verzug festgestellt werden kann. Bei krassen Fällen kann dies dann dazu führen, dass die eben auf dieser rechtsfehlerhaften Bejahung von „Gefahr im Verzug“ durchgeführte Durchsuchung und die hierbei sichergestellten Beweise einem Verwertungsverbot unterfallen und damit nicht mehr zulasten des Beschuldigten im Verfahren herangezogen werden können.

4. Beschlagnahmte Unterlagen bzw. Gegenstände schriftlich aufzeichnen

Soweit die Staatsanwaltschaft Unterlagen und/oder Gegenstände beschlagnahmt, ist auch hierüber eine schriftliche Aufzeichnung zu fertigen. In dieser Aufzeichnung müssen sämtliche Unterlagen und Gegenstände dezidiert genannt werden. Achten Sie darauf, dass diese Liste vollständig ist sowie eine hinreichende Konkretisierung und Zuordnung der beschlagnahmten Unterlagen und Gegenstände enthält. Nur so ist sichergestellt, dass Sie nach Abschluss des Verfahrens auch sämtliche Unterlagen und Gegenstände zurückerhalten. Ferner können Sie auch während des Verfahrenslaufs dann intern überprüfen, welche Unterlagen sich zur Zeit nicht in Ihrem Besitz befinden.

Des Weiteren sollten Sie versuchen, die Staatsanwaltschaft darauf hinzuweisen, dass ggf. nicht alle Unterlagen beschlagnahmt werden müssen. Beispiel: Geht es um den möglichen Abrechnungsbetrug der letzten drei Jahre, so brauchen die Behandlungsunterlagen der davorliegenden Zeit nicht mitgenommen zu werden. Auch sollten Sie sich selbstverständlich die Durchschrift einer derartigen Aufzeichnung nach vorheriger Unterschriftsleistung durch die vor Ort tätigen Beamten – möglichst den vor Ort tätigen Staatsanwalt – aushändigen lassen.

5. Keinesfalls Bereitschaft zur freiwilligen Durchsuchung signalisieren

Für den Fall, dass der zuständige Ermittlungsbeamte, der eine Durchsuchung vornehmen will, sich zuvor telefonisch und/oder persönlich erkundigt, ob Sie freiwillig zu einer Durchsuchung bereit sind, kann nur eine generelle Ablehnung empfohlen werden. Anderenfalls schneidet man sich von vornherein die Möglichkeit ab, dass unter Umständen die Staatsanwaltschaft zu Unrecht Gefahr im Verzug bejaht und dies später zu einem Verwertungsverbot führen könnte. Ferner ist es nicht unerheblich, dass nach dieser vorherigen Erkundigung bis zu einer möglichen richterlichen Durchsuchungsanordnung die Zwischenzeit „genutzt“ werden kann. Zwar dürfen Sie selbstverständlich Beweismittel nicht vernichten, gleichwohl können Sie durch vorbereitende Handlungen die dann zu erwartende Durchsuchung in ihren Folgen abmildern.

6. Sofort Kontakt zum Rechtsanwalt aufnehmen

Auch sollten Sie zu Beginn der Durchsuchung vorsorglich immer telefonisch mit Ihrem Rechtsanwalt Kontakt aufnehmen, da dieser unter Berücksichtigung der konkreten individuellen Einzelfallsituation weitergehende Empfehlungen geben und eine zumindest formal korrekte Abwicklung sicherstellen kann. Sehr oft ist in diesem Kontext dann auch eine unmittelbare telefonische Rücksprache zwischen dem Rechtsanwalt und dem vor Ort anwesenden Staatsanwalt möglich, was zu einer professionelleren Umsetzung und damit auch zur Vermeidung von Eskalationen dienlich und hilfreich ist. Daneben darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass es sich für den betroffenen Arzt immer um eine Ausnahmesituation handelt.

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