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EinkommensteuerSteuervorteile bei Praxisaufgabe – Fünftel-Regelung und „besonderer Steuersatz“

02.01.2025Ausgabe 1/20254min. Lesedauer
Von Dipl.-Finanzwirt Marvin Gummels, Hage

Bei Aufgabe oder Veräußerung einer Radiologiepraxis werden die stillen Reserven aufgedeckt und ein Aufgabe- bzw. Veräußerungsgewinn realisiert. Allerdings gibt es bei der Besteuerung – neben dem im ersten Teil dieses Beitrags (RWF, Nr. 12/2024) vorgestellten Freibetrag – weitere steuerliche Privilegien wie die in § 34 Abs. 1 und 3 Einkommensteuergesetz (EStG ) verankerten Tarifbegünstigungen.

Günstige Fünftel-Regelung

Der gemäß § 18 Abs. 3 i. V.m. § 16 EStG ermittelte privilegierte Aufgabe- oder Veräußerungsgewinn stellt außerordentliche Einkünfte im Sinne des § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG dar. Vorteil: Kraft Gesetzes werden diese außerordentlichen Einkünfte ermäßigt mit der Fünftel-Regelung besteuert (§ 34 Abs. 1 EStG). Die Fünftel-Regelung besagt, dass die Einkommensteuer zunächst ohne Berücksichtigung der außerordentlichen Einkünfte ermittelt wird. Danach erfolgt eine Ermittlung der Einkommensteuer unter Ansatz von einem Fünftel der außerordentlichen Einkünfte. Die Differenz zwischen beiden Ergebnissen wird mit dem Faktor 5 multipliziert und auf die reguläre Einkommensteuer (ohne Berücksichtigung der außerordentlichen Einkünfte) aufgeschlagen. Es ergibt sich sodann die festzusetzende Einkommensteuer. Im Ergebnis mildert die Fünftel-Regelung also Progressionssteigerungen durch ein höheres Einkommen des Radiologen ab. Daraus folgt allerdings auch, dass sich die Fünftel-Regelung bei einem regulären zu versteuernden Einkommen im Spitzensteuersatz nicht oder nur minimal auswirkt.

Beispiel 1: Der verheiratete Radiologe R veräußert im Januar 2024 seine Radiologie und erzielt dabei nach Abzug des Freibetrags i. S. d. § 16 Abs. 4 EStG einen steuerpflichtigen Gewinn von 119.000 Euro. Ohne Berücksichtigung dieses Gewinns beläuft sich sein zu versteuerndes Einkommen für 2024 auf 50.000 Euro.

Lösung: Das gesamte zu versteuernde Einkommen würde normalerweise 169.000 Euro und die festzusetzende Einkommensteuer 49.774 Euro betragen. Die Anwendung der Fünftel-Regelung führt damit zu einer steuerlichen Entlastung in Höhe von 9.120 Euro (= 49.774 Euro – 40.654 Euro, siehe Kalkulationsbeispiel).

Kalkulationsbeispiel: Fünftel-Regelung (§ 34 Abs. 1 EStG)

1. Zu versteuerndes Einkommen
169.000 Euro
./. außerordentliche Einkünfte
- 119.000 Euro
Verbleibendes zu versteuerndes Einkommen
50.000 Euro
Darauf entfallende Einkommensteuer
6.114 Euro
2. Verbleibendes zu versteuerndes Einkommen
50.000 Euro
Zzgl. 1/5 der außerordentlichen Einkünfte
23.800 Euro
Zwischensumme
73.800 Euro
Darauf entfallende Einkommensteuer
13.022 Euro
Abzgl. Steuer auf das verbleibende z. v. E.
- 6.114 Euro
Unterschiedsbetrag
6.908 Euro
Multipliziert mit dem Faktor 5
34.540 Euro
34.540 Euro
3. Tarifliche Einkommensteuer
40.654 Euro

Alternative „besonderer Steuersatz“

Alternativ zur Fünftel-Regelung besteht die Möglichkeit, einen Antrag auf Besteuerung der außerordentlichen Einkünfte mit einem besonderen Steuersatz zu stellen (§ 34 Abs. 3 EStG). Während die Fünftel-Regelung die Glättung eines durch den zusammengeballten Zufluss eintretenden Progressionssprungs bezweckt und vor allem für Radiologen mit einem verhältnismäßig geringen zu versteuernden Einkommen lukrativ ist, soll die Regelung des § 34 Abs. 3 EStG auch der Sicherung der Altersvorsorge von aus dem Berufsleben ausscheidenden Radiologen dienen. Der besondere Steuersatz des § 34 Abs. 3 EStG kann für die außerordentlichen Einkünfte, die aus der Praxisaufgabe oder Veräußerung resultieren, unter bestimmten Bedingungen beantragt werden. So muss der Radiologe das 55. Lebensjahr vollendet haben oder dauerhaft berufsunfähig im sozialversicherungsrechtlichen Sinne sein. Zudem darf er den besonderen Steuersatz zuvor noch nicht „verbraucht“ haben. Dabei ist der Antrag innerhalb der Einkommensteuererklärung auf der Anlage S (Zeile 26) zu stellen.

Merke

Ähnlich wie den Freibetrag i. S. d. § 16 Abs. 4 EStG kann der besondere Steuersatz nur einmal im Leben beantragt werden. Zudem ist der besondere Steuersatz betragsmäßig begrenzt auf einen Gewinn von max. 5,0 Mio. Euro. Bei 7,0 Mio. Euro Gewinn wären „nur“ noch 5,0 Mio. Euro begünstigt.

Der besondere Steuersatz beträgt für die außerordentlichen Einkünfte 56 Prozent des durchschnittlichen Steuersatzes, der sich ergäbe, wenn die tarifliche Einkommensteuer nach dem gesamten zu versteuernden Einkommen zzgl. der dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte zu bemessen wäre. Bei einem durchschnittlichen Steuersatz von 40 Prozent wäre der Aufgabe- oder Veräußerungsgewinn damit lediglich mit 22,4 Prozent (56 Prozent von 40 Prozent) zu versteuern.

Beispiel 2: Der alleinstehende Radiologe R veräußert 2024 im Alter von 65 Jahren seine Radiologie und erzielt dabei einen steuerpflichtigen Gewinn von 250.000 Euro. Ohne Berücksichtigung dieses Gewinns beläuft sich sein zu versteuerndes Einkommen auf 100.000 Euro. Er stellt einen Antrag nach § 34 Abs. 3 EStG.

Lösung: Das zu versteuernde Einkommen beträgt 350.000 Euro und die Einkommensteuer regulär 138.563 Euro. Der durchschnittliche Steuersatz beträgt folglich 39,5894 Prozent (138.563 Euro : 350.000 Euro). Dieser wird nun zu 56 Prozent auf die außerordentlichen Einkünfte in Höhe von 250.000 Euro angewandt, sodass die Besteuerung mit einem Steuersatz von 22,1700 Prozent erfolgt. Damit reduziert sich die Einkommensteuer auf 86.822 Euro (250.000 Euro x 22,1700 % zzgl. 100.000 Euro nach § 32a EStG mit der regulären Besteuerung). Die steuerliche Entlastung beträgt 51.741 Euro. Bei Anwendung der Fünftel-Regelung hätte sich in diesem Beispiel eine Steuer von 136.397 Euro und damit nahezu keine Entlastung ergeben. Das liegt daran, dass sich der Radiologe bereits im Spitzensteuersatz befindet und die Fünftel-Regelung nahezu keine Progressionssprünge abmildern kann.

Mindestversteuerung von 14 Prozent

Eine Einschränkung des Vorteils aus der Inanspruchnahme des ermäßigten Steuersatzes ergibt sich bei einem niedrigen zu versteuernden Einkommen. Denn der ermäßigte Steuersatz beträgt immer mindestens 14 Prozent (allgemeiner Eingangssteuersatz). Im Regelfall wird es sich daher bei niedrigem Einkommen empfehlen, keinen Antrag nach § 34 Abs. 3 EStG zu stellen. Hier führt fast immer eine Besteuerung nach § 34 Abs. 1 EStG (Fünftel-Regelung) zur höheren Ersparnis.

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