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Betriebswirtschaft

Risikomanagement in einer radiologischen Großpraxis

03.06.2024Ausgabe 6/20246min. Lesedauer
Von Prof. Günter Stephan, ehem. Hochschule für öffentliche Verwaltung des Landes Baden-Württemberg, Kehl, stephan@hs-kehl.de

Die vergangenen Jahre waren durch viele Umbrüche und Krisen geprägt, u. a. durch die Ausbreitung von Infektionskrankheiten, Finanz- und Energiekrisen, Angriffe auf kritische Infrastrukturen, Extremwetterereignisse, Migrationsbewegungen oder tiefgreifende neue Gesetze. Deshalb sollten Großpraxen auf solche und andere Krisen so weit wie möglich vorbereitet sein. Ein vorausschauendes Risikomanagement kann aufgebaut und weiterentwickelt werden.

Risikomanagement vom Tagesgeschäft lösen

Die Inhaber großer Radiologiepraxen sind gut beraten, ihr Tagesgeschäft nicht zum Kern des Risikomanagements zu machen, da viele kleine und kleinste Störungen wertvolle Personalkapazität binden könnten. Beim Risikomanagement gilt es, Prioritäten zu setzen.

Handlungsbedarf entsteht dort, wo die Auswirkungen eines Risikoeintritts erhebliche Folgen für die Praxis, die Patienten, Besucher, das Personal und/oder die Umwelt haben können. In diesem Beitrag soll es weniger um medizinische Risiken, sondern vor allem um externe und um finanzielle Risiken gehen.

Risikoquellen

Grundsätzlich ist zwischen den Risikoquellen und den Risikoarten zu unterscheiden. Bei den Risikoquellen spricht man von externen und internen Risikoquellen. Zu den externen Quellen (außerhalb der radiologischen Praxis) zählen u. a.:

  • Gesetzgebung und Rechtsprechung
  • gesellschaftliche Entwicklungen (z. B. politische Verhältnisse, Arbeit und Freizeit)
  • gesamtwirtschaftliche Trends (z. B. Preis- und Einkommensentwicklung, Zinsen, Bevölkerungsentwicklung)

Bei den internen Quellen handelt es sich überwiegend um Managemententscheidungen der Praxisleitung, wie z. B. zur Investitionspolitik, zu Modernisierungsmaßnahmen, Praxisabläufen, Maßnahmen zur Verbesserung der Patientenzufriedenheit, zur Kostensituation oder Kapitalstruktur.

Daneben sind auch hohe Krankenstände des Personals sowie mögliche Energieausfälle als interne Risikoquellen denkbar. Auch auf Fehler bei den Behandlungen und die damit verbundenen Haftungsrisiken ist hinzuweisen.

Risikoarten

Zudem lassen sich die Risiken für eine Radiologiepraxis im Rahmen eines Risikomanagements nach den Risikoarten unterscheiden.

  • Finanzwirtschaftliche Risiken: z. B. dass der Kapitaldienst (Zinsen und Tilgungen) nicht oder nicht rechtzeitig geleistet werden kann – mit Illiquidität als Folge; Zinsen für Kredite können je nach Finanzierungsart steigen; Kassen und/oder Privatpatienten zahlen Honorare nicht, nur teilweise oder sehr spät.
  • Rechtsrisiken: Hierbei handelt es sich überwiegend um Haftungsrisiken (Arzthaftung).
  • Betriebsrisiko: Die Einzelrisiken in dieser Kategorie sind zahlreich und heterogen, z. B. Störungen bei Betriebsabläufen, Betrug, Vertrauensbruch, Umweltschäden, Katastrophen usw.

Risikomanagement

Um diese Risiken mit den unterschiedlichen Quellen und Arten stets im Blick zu haben und ggf. im Falle des Eintretens über eine Orientierung zu verfügen, bedarf es eines Risikomanagements.

Ein solches Risikomanagement besteht aus den folgenden vier Stufen:

  • 1. Risikoanalyse
  • 2. Planung von Maßnahmen/ Strategien
  • 3. Handhabung der Risiken
  • 4. Risikoüberwachung

1. Die Risikoanalyse – Identifikation von Risiken

Eine Risikoanalyse als erster Schritt des Risikomanagements kann zum einen auf interne und zum anderen auf externe Risiken bezogen werden.

Zur Risikoanalyse externer Risiken zählt die Beobachtung der Umwelt der Praxis, also des gesundheitspolitischen Umfelds (Gesundheitspolitik, Medikamentenmarkt, neue Gesetze, Rechtsprechung, gesellschaftlichen Entwicklungen, demografischer Wandel (auch vor Ort), ökologische Umwelt, technologische Entwicklungen etc.), Wettbewerber in der Umgebung, Entwicklung von künstlicher Intelligenz (KI) und Gesundheitsapps. Hinsichtlich interner Risiken sind das Setzen von falschen bzw. nicht zu erreichenden Zielen, nicht ausreichende Kenntnis der Stärken und Schwächen der Praxis, fehlende Innovation, Schwächen im Organisationsablauf (z. B. lange Wartezeiten), Patientenunzufriedenheit, Mitarbeiterunzufriedenheit (Qualifikation, Motivation, Kommunikation), Energieausfälle, Cyberkriminalität (Ausfall der Computersysteme) zu nennen.

2. Planung von Maßnahmen und Strategien

In diesem Schritt ist zu unterscheiden zwischen der

  • Risikovermeidung,
  • Risikoverminderung,
  • Risikoüberwälzung und
  • Risikoübernahme.

Alle Mitarbeiter der Großpraxis sollten gegenüber Risiken sensibel sein, damit evtl. schnell reagiert werden kann. Zu empfehlen sind Befragungen der Mitarbeiter über bekannte Risiken der Praxis.

Bei der Risikovermeidung im medizinischen Bereich müssen Patienten im Rahmen der Anamnese und der Untersuchungen auf Allergien (Kontrastmittelallergien), frühere Krankheiten und aktuelle Medikamenteneinnahmen befragt werden. Auch Namensverwechselungen können vermieden werden, indem nach dem Namen des Patienten gefragt wird. Maßnahmen zur Risikovermeidung dürften nur schwierig durchführbar sein.

Im Rahmen der Risikoverminderung wird versucht,

  • die Eintrittswahrscheinlichkeit von Risiken zu senken und/oder
  • das Schadensausmaß herabzusetzen.

Bei IT-Anlagen in einer Großpraxis sind das ständige Erstellen von Back-ups sowie Maßnahmen zur Cybersicherheit zu erwähnen. Bei hohen Krankheitsständen des Personals könnten Reservekräfte aktiviert werden. Auch eine Reduzierung von Öffnungs-/Sprechzeiten ist denkbar. Hier sollte vorab eine Notfallplanung erstellt und auch aktualisiert werden.

Die Risikoüberwälzung bedeutet den vollständigen oder auch teilweisen Transfer von Risiken auf Dritte. Der Abschluss von Versicherungen tritt hier in den Vordergrund. Folgende Versicherungen sind u. a. für Radiologie-Arztpraxen von Bedeutung:

  • Berufshaftpflichtversicherungen
  • Inhaltsversicherung für Schäden an der Praxiseinrichtung
  • Betriebsunterbrechungs-/Ertragsausfallversicherung
  • Private Krankenversicherung für die geschäftsführenden Ärzte

Zu empfehlen sind auch Cyberversicherungen, die im Schadensfall die Kosten von IT-Spezialisten übernehmen.

Um das Anlagenrisiko zu minimieren, ist auch das Leasing als Finanzierungsform ein Instrument der Risikoüberwälzung. Anstatt Großanlagen zu kaufen, können diese auch geleast werden.

Zu unterscheiden sind hier das Operate Leasing und das Finance-Leasing. Eigentumsrisiken verbleiben bei beiden Leasingarten beim Leasinggeber, während beim längerfristigen Finance-Leasing die Investitionsrisiken beim Leasingnehmer, also der Großpraxis verbleiben. Vor den Entscheidungen, ob Anlagen gekauft oder geleast werden sollen, sind detaillierte Investitions-/Wirtschaftlichkeitsberechnungen zu empfehlen.

Risiken können niemals vollkommen verhindert werden. Eine Risikoübernahme ist ebenfalls eine Strategie der Risikobegrenzung. Hier sind dann die Risikodeckungsmassen von Bedeutung. Es geht um die Höhe des Eigenkapitals sowie um Rückstellungen.

Eigenkapital kann entweder von außen (neue Gesellschafter) oder von innen gebildet bzw. zugeführt werden. Genügend Eigenkapital dient dann zur Abdeckung von entstandenen Schäden.

Rückstellungen haben die Aufgabe, Aufwand, dessen Zahlungsvorgang erst in einem späteren Zeitraum wirksam wird, in der aktuellen Bilanz festzuhalten. Daraus ergibt sich ein Verbindlichkeitscharakter der Rückstellungen. Sie stellen also ein Ungewissheitsmerkmal dar, da die genaue Höhe, der Fälligkeitszeitpunkt und/oder Be- und Entstehen der Verbindlichkeiten nicht genau feststehen.

Somit können in der Bilanz (sofern eine zu erstellen ist) Risiken dargestellt werden.

In der ärztlichen Großpraxis dürfte dies beispielsweise auf Prozesskosten im Rahmen eines Haftungsfalls sowie auf Steuern zutreffen.

Eine Risikoreduzierung im finanziellen Bereich besteht darin, die Kapitalstruktur der Praxis – bezogen auf die Kapitalhöhe, -fristigkeit und -sicherheit – optimal zu gestalten. Zu hohes Fremdkapital (Kredite) sollte vermieden werden, Liquiditätsreserven sind zu empfehlen, große Abhängigkeit von einem Kapitalgeber sollte vermieden werden sowie Veräußerungen von nicht benötigten Anlagen sollten in Erwägung gezogen werden.

4. Risikohandhabung und -überwachung

Bei der Risikohandhabung ist zu beachten, wie hoch die Wahrscheinlichkeiten sowie die Auswirkungen von Risiken sind. Dies sollte mittels eines Risikoportfolios dargestellt werden.

In einem Berichtswesen können dann regelmäßig die Auswirkungen des Risikomanagements dargestellt werden. Es sollte ein Risikobeauftragter in der Praxis ernannt werden, der sich mit dem Risikomanagement beschäftigt und für die entsprechende Sensibilität der Beschäftigten sorgt.

Wichtig sind regelmäßige Gespräche mit allen Praxismitarbeitern, die evtl. auf weitere Risiken aufmerksam machen sowie Hinweise auf die Erfolgswirksamkeit von Risikoverminderungsmaßnahmen geben können. Auch externe Prüfer können einbezogen werden. Gespräche mit den Wirtschaftsprüfern dürften weitere wertvolle Quellen sein.

Fazit

Größere Radiologiepraxen sollten deshalb Prozesse, Strukturen und Kompetenzen entwickeln, um auf gewisse Risiken vorbereitet zu sein. Denn Risiken werden zum Teil nur unzureichend wahrgenommen und bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt. Dies sollte sich unbedingt ändern.
Weiterführender Hinweis

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