Logo: Radiologen Wirtschaftsforum
Newsletter abonnieren

Wirtschaftlichkeit

Wichtige Kennzahlen für die radiologische Großpraxis

01.01.2022Ausgabe 1/20224min. Lesedauer
Von Prof. Günter Stephan, ehem. Hochschule für öffentliche Verwaltung des Landes Baden-Württemberg, Kehl, stephan@hs-kehl.de

Jede Arztpraxis benötigt Kennzahlen. Diese helfen dem Praxismanagement, die festgelegten Ziele zu verfolgen, die richtigen Entscheidungen zu treffen, Schwachstellen in der Praxis zu erkennen und Verbesserungen für die Zukunft anzusteuern. Bei Kennzahlen geht es nicht nur um das Finanzwesen, sondern beispielsweise auch um die Zufriedenheit der Patienten und Mitarbeiter, die Qualität der Praxis und um den Ablauf der Prozesse. In diesem Beitrag stehen die finanziellen Kennzahlen im Vordergrund.

Kennzahlen der Rentabilität

Bei der Umsatzrentabilität (Formel siehe Kasten) werden der Praxisgewinn und der Praxisumsatz ins Verhältnis gesetzt. Wenn eine radiologische Praxis z. B. einen jährlichen Gewinn von 500.000 Euro bei einem Praxisumsatz von 2.500.000 Euro erzielt, dann beträgt die Umsatzrendite 20 Prozent. D. h., jeder Euro Umsatz führt zu einem Gewinn von 0,20 Euro. Radiologische Praxen hatten im Jahr 2017 im Durchschnitt eine Umsatzrentabilität von 35,6 Prozent (Quelle: e-marktwissen.de).

Umsatzrentabilität

Umsatzrendite
=
Gewinn
x 100
Umsatz

Diese Kennzahl hängt insbesondere von der technischen Ausstattung der Praxis ab. Geräteintensive Praxen erwirtschaften zwar höhere Honorareinkünfte, haben aber auch höhere Kosten (z. B. Abschreibungen oder Zinsen). Diese können die Umsatzrendite negativ beeinflussen. Ein Vergleich mit entsprechenden anderen radiologischen Großpraxen zeigt, ob diese erzielte Umsatzrentabilität gut oder schlecht ist. Man kann auch die Entwicklung im Zeitablauf darstellen, d. h., wie hoch war die Umsatzrendite in den Jahren 2019, 2020 und 2021. Eine steigende Umsatzrendite kann u. a. auf ein effizientes Kostenmanagement hinweisen, eine sinkende Umsatzrendite auf das Gegenteil. Hier dürfte es notwendig werden, die Ursache der steigenden Kosten zu finden und gegenzusteuern.

Auch die Ermittlung des Umsatzes je Arztstunde ist empfehlenswert. Sind die genauen Jahresstunden der Ärzte nicht bekannt, so kann auf Durchschnittswerte zurückgegriffen werden, z. B. Arbeitsstunden pro Tag, multipliziert mit 210 Jahresarbeitstagen. Auch hier gibt ein Mehrjahresvergleich wichtige Hinweise auf die Ursachen bzw. Verschlechterungen dieses Werts.

Liquiditätskennzahlen

Bei den Liquiditätskennzahlen geht es um die Beurteilung der Zahlungsfähigkeit der Praxis. Dazu werden Zahlen aus dem Jahresabschluss benötigt. Man sollte unterscheiden zwischen der

Merke

Liquiditätsengpässe bzw. -überschüsse haben nichts mit dem Praxisgewinn bzw. -verlust zu tun. Diese Kennzahlen werden aus anderen Größen (Erträge und Aufwendungen) errechnet.
  • kurzfristigen und der
  • langfristigen Liquidität.

Kurzfristige Liquidität

Die kurzfristige Liquidität soll aufzeigen, wie schnell die Praxis kurzfristige Zahlungsverpflichtungen erfüllen kann. Somit sind flüssige Mittel (dazu zählen insbesondere alle Bankguthaben und Guthaben auf Girokonten) sowie kurzfristige Forderungen zu den kurzfristigen Verbindlichkeiten (dazu zählen z. B. die Überziehung von Girokonten, kurzfristige Bankkredite, kurzfristige Rückstellungen etc.) ins Verhältnis zu setzen.

Die einzelnen Grade der Liquidität (Liquidität 1., 2. oder 3. Grades) erlauben eine Bewertung, wie schnell die Praxis ihren kurzfristigen Zahlungsverpflichtungen nachkommen kann. In allen Fällen sollte das Ergebnis über 1 bzw. 100 Prozent liegen (siehe Tabelle „Liquidität“).

Liquidität

Liquidität 1. Grades
=
Flüssige Mittel
x 100
kurzfr. Verbindlichkeiten
Beispiel:
Flüssige Mittel = 450.000 Euro
kurzfr. Verbindlichkeiten = 500.000 Euro
450.000 Euro
x 100
500.000 Euro
= 90 Prozent
Liquidität 2. Grades
=
Flüssige Mittel + kurzfr. Forderungen
x 100
kurzfr. Verbindlichkeiten
Beispiel:
kurzfr. Forderungen = 100.000 Euro
450.000 Euro + 100.000 Euro
x 100
500.000 Euro
= 110 Prozent
Liquidität 3. Grades
=
Flüssige Mittel + kurzfr. Forderungen + Vorräte
x 100
kurzfr. Verbindlichkeiten
Beispiel:
Vorräte = 10.000 Euro
450.000 Euro + 100.000 Euro + 10.000 Euro
x 100
500.000 Euro
= 112 Prozent

Die Liquidität 1. Grades liegt im Rechenbeispiel mit 90 Prozent unter dem Zielwert von 100 Prozent, weil die flüssigen Mittel geringer sind als die kurzfristigen Verbindlichkeiten. Diese können kurzfristig nur zu 90 Prozent bedient werden. Erst die Liquiditätsergebnisse des 2. und 3. Grades erfüllen die Vorgaben. Allerdings müssen die Forderungen von den Kunden vorher eingezogen werden, damit die Praxis ihre gesamten kurzfristigen Verbindlichkeiten bedienen kann.

Die Liquiditätskennzahlen sollten monatlich erhoben werden, da die Liquidität in einer Praxis schwankt. Im Januar, April, Juli und Oktober erfolgen die Zahlungen der kassenärztlichen Vereinigung, sodass die Liquidität dann steigt. Im März, Juni, September und Dezember erfolgen die Einkommenssteuervorauszahlungen, sodass hier evtl. Liquiditätsengpässe entstehen könnten. Die Buchführung der Praxis müsste die monatlichen kurzfristigen Verbindlichkeiten zur Verfügung stellen. Eine monatliche betriebswirtschaftliche Auswertung (BWA) ist zur Beurteilung hilfreich.

Langfristige Liquidität

Wichtig ist die Finanzierungsregel, dass langfristig gebundene Vermögensgegenstände (z. B. MRT-Geräte, Fahrzeuge) durch langfristige Mittel (Eigen- oder Fremdkapital) zu finanzieren sind. Kennzahlen der langfristigen Liquidität werden durch Deckungsgrade ausgedrückt (siehe Tabelle „Deckungsgrad“). Ähnlich wie bei den Liquiditätskennzahlen gibt es auch beim Deckungsgrad verschiedene Ausgestaltungen. Für eine finanziell „gesunde“ Praxis sollten dabei bestimmte Zielwerte für diese Kennzahlen erfüllt sein.

Deckungsgrad

Deckungsgrad 1
=
Eigenkapital
x 100
Anlagevermögen
Ziel: 80 bis 100 Prozent des Eigenkapitals sollten das Anlagevermögen decken.
Deckungsgrad 2
=
Eigenkapital + langfr. Fremdkapital
x 100
Anlagevermögen
Ziel: 100 bis 120 Prozent. Hier wird untersucht, ob das Anlagevermögen durch das Eigenkapital und das langfristige Fremdkapital abgedeckt wird. Langfristiges Kapital sollte das Anlagevermögen decken.
Deckungsgrad 3
=
Eigenkapital + langfr. Fremdkapital
x 100
Anlagevermögen + Vorräte
Ziel: 100 Prozent

Innenfinanzierung

Eine weitere wichtige Kennzahl ist der sogenannte Cashflow. Er gibt den Überschuss oder das Defizit an, der bzw. das sich ergibt, wenn man von den Einzahlungen der Praxis die Auszahlungen abzieht. Der Cashflow zeigt somit an, wie stark sich die Praxis von innen heraus (d. h., ohne Kredite) finanziert.

Merke

Die genannten Kennzahlen sind i. d. R. auch Grundlage für ein Kreditgespräch bei Banken, wenn die Praxis Fremdkapital benötigt.

(ID:47886341)