von Rechtsanwalt Nico Gottwald, Sindelfingen, gottwald@rpmed.de
Nach § 103 Abs. 6 Satz 2 SGB V sind bei der Bewerberauswahl im Rahmen einer Nachbesetzung eines Arztsitzes in einem gesperrten Planungsbereich auch die Interessen des oder der in der Praxis verbleibenden Vertragsärzte angemessen zu berücksichtigen. In der Praxis kommt es daher häufig zur Gründung einer „Übergangs-Berufsausübungsgemeinschaft“ (Übergangs-BAG)“, die nur dazu dient, über § 103 Abs. 6 Satz 2 SGB V Einfluss auf das Nachbesetzungsverfahren nehmen zu können. Ein aktuelles Urteil des Bundessozialgerichts vom 11. Dezember 2013 (Az: B 6 KA 49/12 R) kann dazu führen, dass solche Modelle in Zukunft häufiger scheitern.
Vertragsärzte, die beabsichtigen, ihre vertragsärztliche Tätigkeit aufzugeben, begeben sich oft übergangsweise in eine (überörtliche) BAG, um dann alsbald danach auf ihre Zulassung zu verzichten und das Nachbesetzungsverfahren einzuleiten. So wird das faktische Veto-Recht der verbleibenden Partner der BAG oder die durch § 103 Abs. 4b SGB V eröffnete Möglichkeit, den Vertragsarztsitz in eine Stelle für einen angestellten Arzt „umzuwandeln“, gesichert, was die Chance auf einen möglichst hohen Verkaufserlös deutlich erhöht.
So kann unter Umständen ein aufgabewilliger Vertragsarzt in einem gesperrten Planungsbereich seinen Vertragsarztsitz in eine (überörtliche) BAG mit demjenigen Vertragsarzt einbringen, der ihm hierfür die lukrativsten Bedingungen bietet. Scheidet der aufgabewillige Vertragsarzt unmittelbar nach der Genehmigung der (überörtlichen) BAG aus, könnte sich wiederum der verbleibende Partner den zahlungskräftigsten Bewerber im Nachbesetzungsverfahren aussuchen.
Diesem Vorgehen erteilt das BSG mit seinem Urteil vom 11. Dezember 2013 (Az: B 6 KA 49/12 R) zwar keine direkte Absage. Der 6. Senat stellt jedoch klar, dass die Gründung einer solchen Übergangs-BAG genau zu prüfen ist und die Interessen der verbleibenden BAG-Partner nur dann schutzwürdig sind, wenn die Gründung der BAG nicht in missbräuchlicher Absicht erfolgte.
Dem BSG-Urteil lag der Fall zweier Radiologen zugrunde, die zu Beginn des Jahres 2010 eine überörtliche BAG gründeten. Wenig später beendete einer der Radiologen seine vertragsärztliche Tätigkeit und verzichtete zum 30. Juni 2010 auf seine Zulassung.
Auf die Nachfolge bewarb sich die 1939 geborene Klägerin, die seit 2003 Altersrente bezieht, sowie eine weitere Ärztin, bei der es sich um eine Angestellte eines MVZ handelt, dessen Leiter ihr Ehemann ist. Sitz des MVZ, das ebenfalls radiologische Leistungen erbringt, ist ein Ärztehaus, in dem sich auch die Räume der nachzubesetzenden Praxis befinden.
Der Zulassungsausschuss ließ zunächst die Klägerin als Nachfolgerin zu. Dagegen wurde der Berufungsausschuss angerufen – und dieser bestimmte die angestellte Ärztin des MVZ als Nachfolgerin. Daraufhin erhob die zunächst zugelassene, ältere Radiologin Klage. Damit hatte sie in den beiden ersten Instanzen Erfolg. Der beklagte Berufungsausschusses wurde zur Neubescheidung der Praxisnachfolge verurteilt.
Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, dass die angestellte MVZ-Ärztin grundsätzlich nicht als Nachfolgerin in Betracht komme, da der in der BAG verbliebene Radiologe nicht mit ihr zusammenarbeiten wolle. Ausnahmen würden jedoch gelten, wenn die Gründung der Berufsausübungsgemeinschaft missbräuchlich mit dem Ziel erfolgt sei, Einfluss auf die Auswahl des Nachfolgers zu nehmen. Dafür bestünden hier Anhaltspunkte. Bei der Auswahlentscheidung werde auch zu berücksichtigen sein, ob die zum Zeitpunkt der Entscheidung 73-jährige Klägerin tatsächlich bereit sei, langfristig an der vertragsärztlichen Versorgung teilzunehmen.
Das BSG verwies den Rechtsstreit letztlich zurück an das Landessozialgericht, da es selbst nicht abschließend entscheiden konnte, ob die Klägerin oder die angestellte Ärztin als Praxisnachfolgerin zuzulassen ist. Gleichzeitig machte es allerdings Ausführungen von maßgeblicher Bedeutung.
Zwar seien die Zulassungsgremien bei der Auswahlentscheidung verpflichtet, die in § 103 Abs. 6 Satz 2 SGB V angesprochenen „Interessen“ der in der Praxis verbleibenden Ärzte, das heißt hier des verbleibenden Radiologen, zu gewichten. Je deutlicher sich jedoch der Eindruck aufdränge,
desto geringer seien die Interessen der verbleibenden Ärzte zu gewichten. Dies gehe jedoch nicht so weit, dass die Interessen der verbleibenden Ärzte unter Hinweis auf die Missbräuchlichkeit der Gründung der BAG vollständig unberücksichtigt bleiben könnten. Ein Arzt, mit dem die anderen Mitglieder der BAG aus objektiv nachvollziehbaren Gründen nicht zusammenarbeiten könnten, könne nicht als Nachfolger zugelassen werden.
Vorliegend sei nachvollziehbar, dass der in der BAG verbleibende Radiologe nicht mit der angestellten MVZ-Ärztin zusammen arbeiten könne. Diese sei durch Ihre Tätigkeit im radiologischen MVZ ihres Ehemannes, das sich dazu noch im gleichen Haus wie die nachzubesetzende Praxis befinde, aufs engste mit einem Konkurrenten der Praxis verbunden. Sie habe daher vermutlich ein Interesse daran, die Zulassung zu diesem MVZ zu ziehen.
Für die Nachfolgezulassung komme daher allein die klagende Radiologin in Betracht. Dies gelte jedoch nur unter der Voraussetzung, dass sie die Praxis fortführen wolle und könne. Dies könne bei einer 73-jährigen Rentnerin durchaus zweifelhaft sein. Diese Gesichtspunkte werde das LSG erneut zu prüfen haben. Soweit das LSG als Kriterium der Eignung für die Nachfolge darauf abgestellt habe, wie lange die Nachfolgerin die Praxis fortführen wolle oder könne, sei es nicht zu beanstanden, wenn ein Zeitraum von fünf Jahren als ausreichend erachtet werde.
Fazit |
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Bisher liegt nur der Terminbericht des BSG vor, in dem sich das Gericht aber gleich zu zwei wichtigen und äußerst praxisrelevanten Punkten äußert. Erstens konkretisiert das BSG, dass die Interessen der verbleibenden Partner einer BAG im Rahmen eines Nachbesetzungsverfahrens zwar zu berücksichtigen seien; es komme aber darauf an, wie schutzwürdig diese Interessen seien. Diene die in der Praxis oft bemühte Gründung einer „Übergangs-BAG“ tatsächlich nur dazu, um über § 103 Abs. 6 Satz 2 SGB V Einfluss auf die Nachbesetzung nehmen zu können, seien die Interessen des verbleibenden Arztes bzw. der verbleibenden Ärzte nur sehr gering zu gewichten, allerdings nicht vollständig zu vernachlässigen. Zweitens benennt das BSG mit Blick auf die Versorgungskontinuität einen Zeitraum von fünf Jahren, um einen Fortführungswillen zu dokumentieren. Der Wille und die Fähigkeit zur Fortführung der Praxis sind schließlich Voraussetzungen für die Zulassung im Wege der Praxisnachfolge. Auch dies kann sich in der Praxis maßgeblich auswirken, wenn der ausgewählte Bewerber eigentlich nur übergangsweise auf dem Sitz tätig werden sollte. Unklar bleibt jedoch, ob es sich bei den fünf Jahren um einen Mindestzeitraum handeln soll und ob die bloße Behauptung, die Praxis mindestens fünf Jahre weiterführen zu wollen, künftig ausreichen wird. |
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