von Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht, Rainer Hellweg, Hannover, www.armedis.de
Sowohl im Krankenhaus als auch bei niedergelassenen Radiologen ist die arbeitsteilige Behandlung von Patienten zusammen mit dem Auftraggeber der Regelfall. Wenn im Rahmen der horizontalen Arbeitsteilung etwas schiefgeht und es zum Haftungsfall kommt, stellt sich juristisch die Frage nach der Abgrenzung von Verantwortungsbereichen. Wann haftet der Auftraggeber, wann haftet der Radiologe?
Dass möglicherweise zwischen dem Radiologen und dem Patienten kein eigener Behandlungsvertrag zustande kommt, schließt eine Haftung des Radiologen nicht von vornherein aus. Dies betrifft insbesondere Chefärzte und nachgeordnete angestellte Krankenhausärzte.
Diese können vom Patienten gegebenenfalls neben dem Krankenhausträger unter dem Gesichtspunkt der „Deliktshaftung“ in Anspruch genommen werden. Gleiches gilt selbstverständlich für niedergelassene Radiologen.
Als Ausgangspunkt für die haftungsrechtliche Beurteilung im Rahmen der horizontalen Arbeitsteilung zwischen Auftraggeber und Radiologe gilt der Vertrauensgrundsatz. Danach kann sich der Arzt vom Grundsatz her darauf verlassen, dass der Kollege aus einer anderen Fachgruppe seine Aufgaben lege artis erfüllt.
Somit kann der Auftraggeber grundsätzlich auf eine zutreffende Befundung durch den Radiologen vertrauen, umgekehrt der Radiologe auf die vom Auftraggeber gestellte Indikation und eine Weiterbehandlung durch den Auftraggeber lege artis.
Der Umfang der vom Radiologen geschuldeten Leistungen richtet sich nach dem Inhalt des Auftrags bzw. der Überweisung. Ist der Auftrag auf eine konkret benannte Diagnosemaßnahme beschränkt, muss der Radiologe grundsätzlich nur diese Maßnahme durchführen. Es wäre dann Sache des auftraggebenden bzw. weiterbehandelnden Arztes oder der Abteilung, die Ergebnisse der Befunderhebung zu interpretieren und gegebenenfalls weitere Maßnahmen einzuleiten.
In einem vom Oberlandesgericht (OLG) Naumburg entschiedenen Fall (Urteil vom 18. Januar 2008, Az. 1 U 77/07) lautete der Überweisungsauftrag: „CT BWS/LWS – ossär metatast. PCA – beg. Querschnittssymptomatik“. Diese Formulierung sah das Gericht als beschränkten Auftrag im vorstehend erörterten Sinne an.
Somit wäre nach Auffassung des Gerichts der überweisende Urologe verpflichtet gewesen, über weitere notwendige Diagnosen oder Therapiemaßnahmen zu entscheiden. Da nach dem vom Gericht eingeholten Sachverständigengutachten die Befunderhebung durch den Radiologen lege artis erfolgte, wurde die Haftungsklage gegen diesen abgewiesen.
Nach einem Urteil des OLG Hamburg vom 14. Juni 2000 (Az. 3 U 202/99) muss ein Radiologe, wenn ihm eine Patientin zur Durchführung einer Kontrollmammographie von einem Gynäkologen überwiesen wurde und das Ergebnis eines Tastbefundes unauffällig blieb, nicht ohne Weiteres ergänzend auch noch eine Biopsie oder eine Ultraschalluntersuchung durchführen, wenn kein Verdacht auf ein malignes Geschehen besteht.
Wenn jedoch die Beauftragung des Radiologen bzw. die Überweisung des Patienten zur eigenverantwortlichen Abklärung einer Verdachtsdiagnose erfolgt, muss der Radiologe alle notwendigen Befunde erheben und auswerten, um den Verdacht zu bestätigen oder auszuschließen. In jedem Fall aber muss der Radiologe prüfen, ob der Auftrag durch den Auftraggeber richtiggestellt wurde und dem gegebenen Krankheitsbild entspricht.
Auch bei einem eingeschränkten Untersuchungsauftrag darf sich der Radiologe nicht blind auf diesen verlassen und beschränken. In jedem Fall muss der Radiologe prüfen, ob der Auftrag vom Auftraggeber richtiggestellt wurde und dem angegebenen Krankheitsbild entspricht. Bestehen Zweifel an der übermittelten Verdachtsdiagnose oder der Indikation der erbetenen Untersuchung, sollte der Radiologe dem nachgehen. Gerade bei der Kommunikation in der Schnittstelle zwischen Auftraggeber und dem Radiologen kann es zu haftungsrechtlichen Fehlern kommen.
In einem vom OLG Oldenburg mit Urteil vom 9. Juli 2008 (Az: 5 U 32/08) entschiedenen Fall war es durch eine fehlerhafte Abstimmung zwischen Operateur und Radiologen zu einem Haftungsschaden gekommen. Die Radiologin hatte nach der Untersuchung des intraoperativ entnommenen Gewebes als Ergebnis mitgeteilt, dass die operative Entfernung des Mammakarzinoms vollständig geglückt sei, was jedoch nicht der Fall war. Dadurch wurde ermöglicht, dass das Karzinom nachfolgend in die Lymphknoten streuen konnte.
Das Gericht sah hierin einen Behandlungsfehler sowohl des Operateurs als auch der Radiologin.
Wenn zum Beispiel bei einer Röntgenaufnahme Zufallsbefunde offenbar werden, trifft sowohl den Auftraggeber als auch den Radiologen die Verpflichtung, Weiteres zu veranlassen, damit erforderliche diagnostische oder therapeutische Maßnahmen eingeleitet werden. Zumindest sollte der Radiologe Rücksprache mit dem Auftraggeber halten und auf den Zufallsbefund explizit hinweisen.
Praxistipp |
Wenn der Radiologe Zweifel an Indikation oder Sinnhaftigkeit der in Auftrag gegebenen radiologischen Untersuchung hat, sollte er dies gegenüber dem Auftraggeber oder Überweiser zum Ausdruck bringen. Besonders deutlich sollte auf Zufallsbefunde hingewiesen werden. Hier kann auch eine Mitteilung an den Hausarzt des Patienten empfehlenswert sein, soweit dieser bekannt ist. Telefonische Mitteilungen oder Absprachen sollte von den Praxen in den Behandlungsunterlagen in jedem Fall schriftlich dokumentiert werden. Auch wenn dies zusätzlichen Arbeitsaufwand erfordert, kann der Radiologe dadurch im Falle eines späteren Haftungsprozesses der Entlastungsbeweis führen. |
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