Mit jetzt veröffentlichtem Urteil vom 9. Februar 2012 (Az: 1 U 67/11) hat das Oberlandesgericht (OLG) Naumburg klargestellt, dass ohne Vertrag eine Gemeinschaftspraxis von allen Gesellschaftern jederzeit aufgekündigt werden kann, selbst wenn diese schon faktisch in Vollzug gesetzt worden ist. Die aus einer solchen Situation erwachsenden Konsequenzen können fatal sein, weshalb hier besondere Vorsicht geboten ist.
Die klagende Ärztin hatte mehrere Jahre als Angestellte in einer bestehenden Gemeinschaftspraxis gearbeitet. Von den übrigen Praxispartnern wurde ihr angeboten, Mitgesellschafterin zu werden.
Die Ärztin erwarb einen anderen Vertragsarztsitz, der in die Gemeinschaftspraxis eingebracht werden sollte. Faktisch wurde der Betrieb der Gemeinschaftspraxis dann auch schon aufgenommen: Der erforderliche Antrag bei der Kassenärztlichen Vereinigung zur Genehmigung der Gemeinschaftspraxis wurde gestellt. Briefkopf, Praxisstempel, Praxisschild und Internetauftritt wurden entsprechend geändert. Zur schriftlichen Fixierung eines Vertrags über die neue Gesellschaft war es allerdings noch nicht gekommen.
Nachdem die weiteren Vertragsverhandlungen gescheitert waren, kündigten die Alt-Gesellschafter der Ärztin. Hiergegen reichte diese Klage ein und machte Ansprüche auf Gewinnbeteiligung und Abfindung geltend.
Die Klage der Ärztin hatte jedoch keinen Erfolg. Das OLG Naumburg sah die durch die Alt-Gesellschafter vorgenommene Kündigung als rechtmäßig an. Begründung: Durch die faktische Invollzugsetzung der Gemeinschaftspraxis sei eine sogenannte Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) bereits entstanden. Dem stehe nicht entgegen, dass noch kein abschließender Vertrag zwischen den Beteiligten geschlossen worden sei. Jedoch sei mangels vertraglicher Vereinbarung auf die gesetzlichen Regelungen abzustellen. Hier sieht § 723 Abs. 1 Satz 1 BGB vor, dass jeder Gesellschafter durch Kündigung die Gesellschaft jederzeit beenden kann. Somit sei die durch die Alt-Gesellschafter ausgesprochene Kündigung rechtens.
In einem Gemeinschaftspraxisvertrag werden regelmäßig Klauseln zur Kündigung aufgenommen und Fristen konstituiert. Wenn ein solcher Vertrag aber nicht vorliegt, kann jederzeit ohne die Einhaltung von Fristen gekündigt werden. Dass diese Problematik immer wieder aufkommt, unterstreicht der vom OLG Naumburg entschiedene Fall.
Trotz des häufig in solchen Situationen bestehenden Zeitdrucks und auch dann, wenn nach dem mündlich Besprochenen Einvernehmen vorherrscht, sollten Ärzte unbedingt vor Beginn der gemeinsamen Tätigkeit in einer Gemeinschaftspraxis einen schriftlichen Vertrag abschließen. Ansonsten kann dies für die Beteiligten fatale Konsequenzen haben, was etwa Abfindung, Gewinnbeteiligung, Verteilung des Gesellschaftsvermögens und die Zuordnung der Zulassung angeht.
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