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Vertragsarztrecht/StrafrechtBetrugsschaden „nur“ 804 statt 1,2 Mio. Euro!

29.11.2024Ausgabe 12/20242min. Lesedauer
Von Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht Sören Kleinke, Münster, rechtsanwalt-kleinke.de

Täuscht ein Vertragsarzt bei der quartalsweisen Abrechnungssammelerklärung über klar abgrenzbare Honorarbestandteile ärztlicher Leistungen, so ist für die strafrechtlich relevante Höhe des Betrugsschadens nur die Summe der abgerechneten „Luftleistungen“ und nicht das gesamte Honorarvolumen aller betroffenen Quartale relevant, so das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe (Urteil vom 10.04.2024, Az. 1 Ws 80/24).

Sachverhalt

Der angeklagte Vertragsarzt hatte in fünf Quartalen in den Jahren 2021 und 2022 insgesamt 37 Corona-Schutzimpfungen gegen Covid-19 im Wege der quartalsweisen Sammelerklärungen gegenüber seiner KV abgerechnet, ohne diese durchgeführt zu haben. Für diese Impfungen, die nach der jeweils geltenden Corona-Impf-Verordnung anfangs mit jeweils 20 Euro, später mit jeweils 28 Euro vergütet wurden, ließ der Vertragsarzt sich von den Patienten jeweils ein Honorar von 50 Euro zahlen und bescheinigte ihnen dann die angebliche Durchführung in deren Impfpässen. Die Staatsanwaltschaft berechnete den entstandenen Betrugsschaden mit dem Gesamthonorar, was der Vertragsarzt in allen betroffenen Quartalen aufgrund seiner Sammelerklärung erhalten hatte – knapp 1.200.000 Euro. Die Staatsanwaltschaft beantragte aufgrund dieser Summe die Durchführung des Strafverfahrens bei dem für derartige Schadenshöhen zuständigen Landgericht. Das Landgericht eröffnete das Strafverfahren jedoch „nur“ vor dem Amtsgericht, da der Schaden anhand der tatsächlich zu Unrecht abgerechneten „Luftleistungen“ zu berechnen sei.

Entscheidungsgründe

Das OLG bestätigte das Vorgehen des Landgerichts und den Vermögensschaden von lediglich 804 Euro statt rund 1,2 Mio. Euro. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Schadensbestimmung beim Abrechnungsbetrug anhand der sogenannten streng formalen Betrachtungsweise ergebe nichts anderes.

Merke

Anders ist insbesondere in Fällen eines sogenannten Qualitätsmangels zu entscheiden. Ein solcher Mangel liegt vor, wenn dem abrechnenden Arzt entweder die erforderliche fachliche Qualifikation oder sogar die Kassenzulassung (im Fall eines Strohmanns) fehlt. Dann stellen die Quartalsberechnungen insgesamt den Vermögensschaden dar, weil sämtliche Leistungen nicht abrechenbar sind.

Fazit

Die Höhe des strafrechtlich relevanten Vermögensschadens wirkt sich – neben der gerichtlichen Zuständigkeit – vor allem auf den zu erwartenden Strafrahmen aus. Das betrifft in der Folge auch etwaige weitere rechtliche Konsequenzen wie insbesondere den Widerruf der Approbation durch die zuständige Behörde. Die Schadensberechnung bei dem Vorwurf eines Abrechnungsbetrugs kann dabei durch die Strafgerichte durchaus abweichend von der Schadensberechnung seitens der KVen erfolgen. Diese Berechnung durch die KVen fallen häufig deutlich höher aus, da diese nach der Rechtsprechung des BSG ein sehr weites Schätzungsermessen bezgl. der Schadensberechnung haben.

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