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Berufsrecht

01.09.2024Ausgabe 9/20243min. Lesedauer
Von Rechtsanwältin, Fachanwältin für Medizinrecht Prof. Dr. Birgit Schröder, Hamburg, dr-schroeder.com

Ein Kinderarzt will nur noch Patienten aufnehmen, die Deutsch sprechen oder einen Dolmetscher mitbringen. In der Presse wurde dieses Thema kontrovers diskutiert. Auch in der Radiologie ist es aus rechtlicher Persepktive wichtig, dass der Patient den Arzt versteht – gerade weil es sowohl diagnostische als auch interventionelle Komponenten gibt.

Ausgangs- und Rechtslage

Niedergelassene Ärzte sowie Klinikärzte haben zunehmend Schwierigkeiten, mit Patienten zu kommunizieren, sie über die Risiken und die Tragweite der notwendigen oder gewünschten Behandlung aufzuklären, wenn es bereits an grundlegenden Deutschkenntnissen fehlt. Ein Mindestmaß an Kommunikation ist bei Behandlungen zwingend erforderlich. Ansonsten drohen Missverständnisse mit ernsten Folgen für die Gesundheit. § 630e Bürgerliches Gesetzbuch (BGB, „Aufklärungspflichten“) bestimmt, dass die Aufklärung für den Patienten verständlich sein muss. Sie richtet sich sprachlich wie inhaltlich nach dem Empfängerhorizont des Patienten. Zum Teil handelt es sich bei den Behandlungen um „Körperverletzung“ im Sinne der §§ 223 ff. Strafgesetzbuch (StGB, z. B. Impfungen). Diese kann allein durch eine Einwilligung der berechtigten Person gerechtfertigt werden. Die „Einwilligung“ setzt jedoch wiederum eine wirksame Aufklärung im Sinne des § 630d Abs. 2 BGB voraus. Die Anforderungen an die Übersetzung sind dabei umso höher, je schwerwiegender und risikoreicher der geplante Eingriff ist. Sofern eine Verständigung im Einzelfall nicht sicher möglich ist, sollte der Arzt die Behandlung im Zweifel nicht durchführen.

Fokus Radiologie

Bei diagnostischen Eingriffen wie der Radiologie sind die Anforderungen an die Aufklärung hoch. Umso wichtiger ist, dass die erteilten Informationen auch wirklich verstanden werden, um den Patienten eine informierte Entscheidung zu ermöglichen. Blutungen, Infektionen oder Kontrastmittelreaktionen als mögliche Komplikationen sind in der Regel noch greifbar – bei der Wahrscheinlichkeit einer Krebsentstehung oder genetischer Schäden mit großer zeitlicher Verzögerung haben die Patienten bei Vorliegen einer Sprachbarriere meist kaum noch eine Möglichkeit, die Informationen aufzunehmen und sachgerecht zu verarbeiten. Gerade bei der Eingriffsqualität ionisierender Strahlung gibt es bei Patienten Fragen und zum Teil große Unsicherheiten. Die Aufklärung ist dementsprechend komplex. Dabei handelt es sich um eine originäre ärztliche Aufgabe, die auch dann nicht an nichtärztliches Personal delegiert werden darf, wenn dieses die Sprache des Patienten spricht. Möglich ist nur eine reine Funktion des Dolmetschers.

Behandlungspflicht

Im niedergelassenen Bereich sind Ärzte nach § 95 Abs. 3, S. 1 SGB V zur medizinischen Versorgung von Patienten verpflichtet, sofern die Ärzte als Vertragsärzte praktizieren. Abweisungsgründe ergeben sich im Wesentlichen aus § 13 des Bundesmantelvertrags für Ärzte (BMV-Ä). Dazu gehört z. B. ein fehlender Versicherungsnachweis oder inakzeptables Patientenverhalten. Bei Privatpatienten unterliegen die Ärzte hingegen grundsätzlich nicht der Behandlungspflicht. Private Arztpraxen haben bei der Ablehnung von Patienten größere Handlungsspielräume. Dem privat abrechnenden Arzt steht die Ablehnung einer Behandlung nach § 7 Abs. 2 S. 2 MBO-Ä grundsätzlich frei. Eine ärztliche Behandlungspflicht besteht dann, wenn ein Notfall vorliegt – also eine schnelle medizinische Versorgung wichtig ist und ohne diese Schäden drohen.

Wird die Untersuchung/Behandlung durchgeführt, obwohl die Aufklärung wegen der Sprachbarriere nicht verstanden wurde, fehlt es an der rechtlich notwendigen Einwilligung und der Arzt geht ein Haftungsrisiko ein. Ob z. B. die Behandlung in einer Praxis generell von Deutschkenntnissen oder der Anwesenheit eines Dolmetschers abhängig gemacht werden soll, muss jeder Praxisinhaber für sich entscheiden.

Fazit

Sprachbarrieren verhindern gute medizinische Betreuung und tragen erhebliches Haftungspotenzial in sich. Sie müssen als Ärztin bzw. Arzt für sich entscheiden, ob Sie eine Untersuchung bzw. Behandlung durchführen möchten, obwohl die Verständigung schwierig ist. Bei zeitlich unkritischen Behandlungen sind Sie gut beraten, abzuwarten, bis die Verständigung sichergestellt ist.

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