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Leistungsrecht

Besteht GKV-Anspruch auf PSMA-PET-CT bei Anstieg des PSA-Werts trotz Prostataektomie?

01.07.2024Ausgabe 7/20245min. Lesedauer
Von Rechtsanwältin, Fachanwältin für Medizinrecht Prof. Birgit Schröder, Hamburg, dr-schroeder.com

Das Urteil zu einer Auseinandersetzung zwischen einem Versicherungsnehmer und seiner gesetzlichen Krankenversicherung um die Erstattung der Kosten für eine prostataspezifische, membranantigene Positronen-Emissions-Therapie/Computertomografie-Untersuchung (PSMA-PET-CT-Untersuchung) verdeutlicht, in welchen Fällen es sich aus Patientensicht lohnen kann, den Rechtsweg zu beschreiten – auch für behandelnde Radiologen eine wichtige Hintergrundinformation für die Behandlung und Beratung betroffener Patienten (Urteil des Hessischen Landessozialgerichts [LSG] vom 21.03.2024, Az. L 1 KR 166/22).

Sachverhalt

Der Patient und Kläger ist Versicherungsnehmer der beklagten Krankenkasse. Er leidet an den Folgen eines Prostatakarzinoms und hat bei der Krankenkasse die Kostenübernahme für eine PSMA-PET-CT-Untersuchung beantragt. Hierbei handelt es sich um eine Kombination nuklearmedizinisch-radiologischer Verfahren zur Sichtbarmachung von Prostatakarzinomzellen und Metastasen.

Kasse lehnt Kostenübernahme ab

Die Krankenkasse lehnte, gestützt auf ein MDK-Gutachten, die Kostenübernahme ab. Begründet wurde diese Ablehnung damit, dass eine Ausnahmeindikation für eine PET-CT nicht vorliege. Als Vertragsleistung sei eine Salvage Strahlentherapie anzuwenden. Vorliegend sei noch kein Rezidiv nachzuweisen, weil es nur einen einmaligen Anstieg des PSA-Werts aus dem Nullbereich gegeben habe. In diesem Fall sei die Strahlentherapie aber leitliniengerecht und solle möglichst frühzeitig begonnen werden. Eine akut lebensbedrohliche Situation sei nicht ersichtlich.

Bei dem Patienten wurde dennoch eine PSMA-PET-CT-Untersuchung durchgeführt. Eine Anreicherung eines Lymphknotens im kleinen Becken wurde dabei detektiert. Das Universitätsklinikum Frankfurt am Main berechnete für die Untersuchung einen Betrag in Höhe von 1.421,86 Euro, den der Patient beglich.

Patient legt Widerspruch ein: Es geht um rund 1.400 Euro

Gegen die Ablehnung einer Kostenübernahme durch die Krankenkasse erhob der Patient Widerspruch – ohne Erfolg. Begründung für die Ablehnung des Widerspruchs: Die beantragte Untersuchung sei als neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode grundsätzlich von der Leistungspflicht der Beklagten ausgenommen. Nur in bestimmten Konstellationen habe der G-BA die PET-CT als Untersuchungsmethode befürwortet. Eine solche Ausnahmeindikation wurde im Fall des Patienten indes verneint. Im Wesentlichen wurde erneut auf die Einschätzung des MDK-Gutachters verwiesen.

Der Patient verfolgte seinen Antrag weiter: Vor Gericht hatte er damit zunächst ebenfalls keinen Erfolg. Mit Gerichtsbescheid hat das angerufene Sozialgericht (SG) die Klage abgewiesen und folgte letztlich im Wesentlichen der Rechtsauffassung der Krankenkasse. Auch dagegen legte der klagende Patient ein Rechtsmittel ein und war mit der Berufung erfolgreich: Laut dem LSG besteht der Anspruch des Patienten auf Erstattung der Kosten für die durchgeführte PSMA-PET-CT-Untersuchung in Höhe von 1.421,86 Euro.

Entscheidungsgründe

Das LSG sah die Voraussetzungen gemäß § 13 Abs. 3 S. 1, 2. Variante SGB V als erfüllt an. Die Krankenkasse hat danach die Leistung zu Unrecht abgelehnt.

§ 13 Abs. 3 S. 1, 2. Variante SGB V

„Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war.“

Der Anspruch ergebe sich dabei nicht aus § 27 Abs. 1 SGB V, da das streitgegenständliche PSMA-PET-CT zum maßgeblichen Zeitpunkt unstreitig (noch) nicht zu den von der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) grundsätzlich zu erbringenden Leistungen gehörte.

Allerdings bestand die PSMA-PET-CT im Rahmen der sog. spezialfachärztlichen Versorgung nach § 116b SGB V bereits seit April 2018 als Sachleistung der GKV zur Verfügung (s. BSG-Urteil vom 10.03.2021, Az. B 1 KR 6/21 R bzw. Beitrag „BSG: Nuklearmedizinische Untersuchung und die Anforderungen an die Selbstbeschaffung“ in RWF Nr. 7/2023 sowie Hessisches LSG, Urteil vom 30.11.2023, Az. L 8 KR 315/22).Laut LSG bestehe der Anspruch des Patienten auf Durchführung der PSMA-PET-CT-Untersuchung gemäß § 2 Abs. 1a SGB V.

§ 2 Abs. 1a SGB V

„Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, können auch eine von Absatz 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. ...“

Unstreitig war, dass es sich bei dem Kläger um eine lebensbedrohliche Erkrankung handelt.

Anders als das SG nahm der Senat des LSG an, dass diese Erkrankung auch die Durchführung der diagnostischen Maßnahme mittels PSMA-PET-CT zur Lokalisation des Residualtumors bzw. von Metastasen erforderlich mache. Zum Zeitpunkt der Durchführung der PSMA-PET-CT-Untersuchung bestand bei dem Patienten die sehr hohe Wahrscheinlichkeit des Vorliegens von Metastasen bzw. eines außerhalb des OP-Gebiets zurückgebliebenen Residualtumors. Damit war eine schwerwiegende, lebensbedrohliche Erkrankung wahrscheinlich, die den erforderlichen Zeitdruck begründete.

Durch den Anstieg des PSA-Werts trotz Entfernung der Prostata wird eindeutig ein Rezidiv bzw. eine Metastasierung nachgewiesen. Daraus folgt Abklärungsbedarf – auch wenn es sich nicht um einen schnellen Anstieg handelt.

Untersuchungsalternativen bestanden nicht: Das PSMA-PET-CT zur Lokalisierung der Metastasen bzw. des Rezidivs sei erforderlich und zum Zeitpunkt der Durchführung der Untersuchung auch alternativlos gewesen. Ein CT des Abdomens, ein Knochenscan sowie ein MRT waren zuvor bereits ohne Hinweis auf Metastasen bzw. eines Rezidivs bei dem Kläger durchgeführt worden.

Das Erfordernis einer spürbar positiven Einwirkung auf den Krankheitsverlauf sei im Bereich der Untersuchungsmethoden dahingehend zu verstehen, dass die aus der Untersuchung gewonnenen Erkenntnisse von entscheidender Bedeutung für das weitere diagnostische und therapeutische Vorgehen sein müssen. Dieses Kriterium wurde als erfüllt angesehen – und zwar im Sinne einer besseren Heilungschance. Denn diese bedingt, dass man genau feststellen kann, wohin genau man applizieren muss. Diese Information war ausschließlich durch das PSMA-PET-CT zu bekommen. Vor diesem Hintergrund könne der Patient auch nicht darauf verwiesen werden, dass eine Salvage-Strahlentherapie als Standardtherapie zur Verfügung gestanden hätte.

Eine Revision wurde nicht zugelassen. Die Entscheidung ist damit rechtskräftig.

Fazit

Bei einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung lohnt sich der Gang vor Gericht. Den betroffenen Patienten kann nur geraten werden, den Weg vor Gericht zu gehen – denn je lebensbedrohlicher die konkrete Erkrankungssituation ist, umso geringer können die Anforderungen an den Erfolg sein. Gefordert wird vom Gesetzgeber, dass durch die begehrte Behandlung oder Untersuchung eine „nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf“ besteht. Dieses wird sich oftmals durch eine entsprechende ärztliche Stellungnahme substantiiert darlegen lassen – wie dieser Fall wieder einmal zeigt.

Weiterführender Hinweis

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