Berufsstart„Jeder, der sich im Forum Junge Radiologie engagieren möchte, ist willkommen!“
Das Forum Junge Radiologie (FJR) der Deutschen Röntgengesellschaft (DRG) hat rund 2.000 Mitglieder. Damit bilden radiologische Assistenzärztinnen und -ärzte bzw. junge Fachärztinnen und -ärzte die größte Mitgliedsgruppe der DRG. Doch wird ihre Stimme auch gehört? Wie reagiert die ältere Generation auf den Nachwuchs? Fragen, die Dr. Saif Afat beantwortet. Er ist Vorstandsmitglied des Forums Junge Radiologie und Vertreter des FJR in mehreren Arbeitsgruppen. Der 34-Jährige ist Facharzt für Radiologie am Universitätsklinikum Tübingen. Ursula Katthöfer (textwiese.com) sprach mit ihm.
Redaktion: Bleiben wir bei der Einstiegsfrage: Wird Ihre Stimme in der DRG gehört?
Dr. Saif Afat: Die ältere Generation hat verstanden, dass unsere Stimme wichtig ist. Das Forum Junge Radiologie entstand vor etwa drei Jahren. Der DRG-Vorstand holte Thekla Oechtering als Assistenzärztin in den Vorstand, weil bis dahin nur Professoren vertreten waren. Thekla initiierte gemeinsam mit einer Gruppe das FJR, um die Nachwuchsarbeit zu organisieren. Anfangs wurden wir weniger ernst genommen, doch die Nachfrage nach unserer Interessenvertretung war enorm. Inzwischen sind wir mit 2.000 Mitgliedern eine feste Größe. Wir bewirken viel bei Kongressen und haben in den Vorständen aller AGs der DRG junge Kolleginnen und Kollegen kooptiert. Wir sind national und international sehr gut mit anderen Gruppierungen vernetzt. Ich vertrete uns z. B. beim Radiology Trainee Forum der European Society of Radiology.
Redaktion: Was unterscheidet denn junge Radiologen von der älteren Generation?
Dr. Saif Afat: Die beiden Generationen sind in zwei unterschiedlichen Zeitaltern groß geworden. Junge Radiologen hatten noch nie eine analoge Röntgenaufnahme in der Hand, ältere hatten zunächst Respekt vor Digitalisierung und künstlicher Intelligenz (KI). Die Radiologie ist extrem digitalisiert und entwickelt sich sehr dynamisch. Junge Radiologen sind zukunftsorientiert und wollen das Fach in die neue Richtung lenken. Wir spüren nicht unbedingt eine Aufbruchstimmung, doch wir merken, dass viele junge Radiologen sich engagieren möchten. Dazu ist unsere Plattform da. Geschäftsführung und Vorstand der DRG öffnen sich und unterstützen uns. Das pusht uns sehr. Auch die Generation der Chefärzte wird jünger. Das ist für uns genial. Viele haben begriffen, dass wir eine neue Arbeitswelt mit neuen Arbeitsmethoden haben.
Redaktion: Andererseits klagen Chefärzte und Praxisinhaber zunehmend darüber, dass Nachwuchskräfte Teilzeitmodelle bevorzugen und sehr auf die Work-Life-Balance achten.
Dr. Saif Afat: Das sehe ich nicht pessimistisch. Die Zeiten ändern sich. In vielen Lebensbereichen halten wir heute für selbstverständlich, was früher unrealistisch erschien. Ein älterer Kollege erzählte mir, dass es bei der Einführung große Widerstände gegen PACS gab. Radiologen wollten bis zum letzten Moment die Bilder auf dem Leuchtkasten ansehen. So werden sich auch neue Arbeitsweisen durchsetzen. New Work ist teilweise sehr fantasievoll. Wir haben während der Pandemie viel zu neuen Arbeitskonzepten gelernt, als wir in Quarantäne und Lockdown weiterarbeiten konnten. Heute gibt es Kollegen, die ein Start-up aufbauen und in Teilzeit in einer Klinik arbeiten. Oder zwei teilen sich eine Stelle. Oder jemand arbeitet sowohl in einer Praxis als auch in einer Klinik. Das sehe ich als zukunftsorientiertes Denken.
Redaktion: Aber löst es auch den Fachkräftemangel?
Dr. Saif Afat: Fachkräfte zu motivieren und zu halten, hängt sehr von einzelnen Personen ab. Wenn Chefärzte oder Praxisinhaber Assistenzärzte unterstützen, mit ihnen vertrauensvolle Gespräche führen, Perspektiven und Karrierewege aufzeigen und Forschung fördern, dann bleiben junge Radiologen in den Häusern oder kommen nach einer Familienphase gern zurück. Es geht allerdings nicht, dass eine Mutter nach ihrer Elternzeit in einer Plateauphase landet. Sie sollte die Aussicht haben, Oberärztin zu werden. Wenn sie nach ihrer Rückkehr in der interventionellen Radiologie arbeiten möchte, dann sollte sie auch die Möglichkeit dazu bekommen. Auch die Kliniken müssen mithalten, um Assistenzärzte zu binden. Der Wettbewerb mit den niedergelassenen Praxen ist groß. Sie sind für junge Ärzte finanziell lukrativ und bieten mehr Freizeit. Jüngere Chefärzte haben das bereits begriffen und handeln dementsprechend. Wir haben hier in Tübingen z. B. nicht nur die vorgeschriebenen jährlichen Mitarbeitergespräche, sondern finden auch ein offenes Ohr für Karrierewege und -planung. Es ist extrem wichtig, dass Vorgesetzte uns zuhören.
Redaktion: Das Forum Junge Radiologie unterstützt bei Weiterbildung, Suche nach Stipendien und Prüfungsvorbereitung. Was wird besonders nachgefragt?
Dr. Saif Afat: Alles, was die Facharztprüfung vorbereitet: alte Prüfungsprotokolle, „Fit für den Facharzt“-Kurse, unsere Online-Lernplattform, die sich am Weiterbildungs-Curriculum der DRG orientiert. Auch auf dem Röntgenkongress ist Weiterbildung ein großes Thema. Wir kooperieren mit allen AGs in der DRG und entwickeln Sessions für den Kongress. Seitdem wir einen Instagram-Account haben, wächst die Reichweite stetig.
Redaktion: Wie helfen Sie dabei, Freiräume für die eigene Forschung freizukämpfen?
Dr. Saif Afat: Dazu haben wir gerade die neue Initiative „DRG goes DFG“ gestartet. Wir wollen junge Radiologen dabei unterstützen, Drittmittel zu beantragen. Dazu gehört ein Mentoringprogramm, bei dem Professoren die Anträge ihrer Mentees begleiten. Eine Strukturhilfe für die Projektskizze lässt sich bei uns herunterladen. Auch kooperieren wir gut mit der AG Methodik und Forschung der DRG, die auch bei Anträgen berät und den Young Investor Award vergibt. Allerdings hängen forschungsfreie Zeit und die Möglichkeit zu Auslandsaufenthalten sehr von den lokalen Gegebenheiten ab. Ganz große Abteilungen können junge Forscher eher freistellen als kleine Häuser, in denen Personal knapp ist.
Redaktion: Sie bieten auch Hilfe vor der ersten Nachtschicht an. Angenommen, eine junge Assistenzärztin wendet sich in dieser Situation an das Forum. Wie können Sie unterstützen?
Dr. Saif Afat: Wir würden mit ihr telefonieren, um ihr Mut und Selbstvertrauen zu vermitteln. Die ersten Nachtdienste sind immer aufregend. Doch es geht ja nicht um Differentialdiagnosen, sondern um lebensbedrohliche Situationen, die erkannt werden müssen. Das wird jedem zugetraut, der für einen Nachtdienst eingeteilt wird. Auf unserer Homepage findet sich unter dem Punkt Weiterbildung eine Sammlung von Leselisten mit dem Thema „Mein erster Tag“. Dort haben wir auch die Leseliste „Mein erster Nachtdienst“ mit Links und Informationen zu Notfällen eingestellt. Außerdem bekräftigen wir im Gespräch, dass ja immer jemand im Hintergrund ist, der bei Fragen angerufen werden kann und sollte.
Redaktion: Gerade zu Beginn der Karriere sind Kontakte sehr wichtig. Welche Gelegenheiten bieten Sie, um zu netzwerken?
Dr. Saif Afat: Beim jährlichen Röntgenkongress der DRG organisieren wir die Young Generation Lounge inklusive Speakers‘ Corner. Dort treffen sich junge Radiologen, sitzen zusammen und tauschen sich aus. Dort veranstalten wir auch offene Diskussionen. Die Initiative „Forscher für die Zukunft“ richtet ein Reunion-Treffen aus. An einem Abend des Kongresses feiern wir die Next Generation Party mit DJ und Showacts. Auch netzwerken viele Leute über Social Media, über Instagram oder Twitter. Ich bin jedoch ein großer Fan von persönlichen Gesprächen. Es gibt nichts Besseres, als eine Kollegin oder einen Kollegen bei einem Kaffee oder einem Bier kennenzulernen.
Redaktion: Gibt es Beitrittsvoraussetzungen und was kostet der Mitgliedsbeitrag?
Dr. Saif Afat: Alle Assistenzärzte und jungen Fachärzte können sich bei uns engagieren. Die Mitgliedschaft im FJR ist kostenfrei, in der DRG ist sie im ersten Jahr kostenfrei. Jedes Mitglied erhält zudem im Beitritts- sowie im Folgejahr Zugang zu einem Wissensportal und zu unserer Teaching Suite. Hinzu kommen die genannten Linklisten und unser Newsletter. Wir sind kein geschlossener Club. Jeder, der sich engagieren will, ist willkommen.
Redaktion: Vielen Dank!
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