Forschung „Wer motiviert und forschungsaffin ist, findet in Deutschland ausgezeichnete Bedingungen!“
Für seine Forschung zu Morbus Crohn wurde Dr. med. Felix Barajas Ordoñez mit dem Walter-Krienitz-Doktoranden-Preis 2024 ausgezeichnet. Die Medizinische Fakultät der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg würdigte damit seine Promotion, mit der er zeigte, dass die MRT-basierte Analyse des viszeralen Fettgewebes einen wichtigen Beitrag zur verbesserten Risikostratifizierung bei Patienten mit Morbus Crohn leisten kann. Inzwischen ist Dr. med. Barajas Ordoñez als Assistenzarzt an der Uniklinik RWTH Aachen tätig. Im Gespräch mit Ursula Katthöfer (textwiese.com) erläutert er seine Forschung und welche zentrale Rolle interdisziplinäre Zusammenarbeit dabei spielt.
Redaktion: Im Mittelpunkt Ihrer Forschung stand das sogenannte Creeping Fat. Was hat es damit auf sich?
Dr. Barajas Ordoñez: In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass das viszerale Fettgewebe bei Morbus Crohn keineswegs nur eine passive Rolle spielt. Im Gegenteil: Es wirkt aktiv an der Entzündungsreaktion mit. Ein eindrucksvolles Beispiel ist das Creeping Fat, das sich entlang der entzündeten Darmabschnitte ausbreitet. Spannend ist, dass wir dieses Fettgewebe heute mithilfe der MRT sehr präzise quantifizieren können. Während solche Messungen früher ausschließlich manuell und entsprechend aufwendig waren, ermöglichen uns inzwischen semiautomatisierte Verfahren eine Auswertung. Dadurch wird die Analyse nicht nur schneller, sondern auch deutlich reproduzierbarer – ein entscheidender Schritt hin zu einer verbesserten Risikostratifizierung bei chronisch-entzündlicher Darmerkrankung.
Redaktion: Warum ist es sinnvoll, viszerales Fettgewebe wie Creeping Fat mithilfe der MRT zu analysieren?
Dr. Barajas Ordoñez: In meiner Arbeit lag der Fokus auf der Entwicklung bildbasierter Biomarker für Morbus Crohn, insbesondere der präzisen Quantifizierung viszeralen Fettgewebes mittels MRT. Ziel war, krankheitsrelevante Parameter nicht-invasiv zu erfassen und potenzielle Zusammenhänge mit Erkrankungsaktivität und dem Risiko für Komplikationen aufzuzeigen. Unsere Ergebnisse zeigen, dass Patienten mit einem erhöhten viszeral-subkutanen Fettverhältnis (VSR) ein signifikant höheres Risiko für penetrierende Komplikationen, insbesondere Fisteln, aufweisen. Ergänzend haben wir die Krankheitsaktivität mithilfe des etablierten MaRIA-Scores bewertet und festgestellt, dass Patienten mit nachweisbarem Creeping Fat im Durchschnitt höhere MaRIA-Werte und eine entsprechend erhöhte Krankheitsaktivität zeigten. Der MaRIA-Score zählt mit seinen vier Parametern
- Wanddicke,
- relative Kontrastmittelaufnahme,
- Wandödem sowie
- Vorliegen von Ulzerationen
zu den am besten validierten MRT-basierten Tools, um die Entzündungsaktivität bei Morbus Crohn zu beurteilen.
Redaktion: Welche Besonderheiten hat Ihr MRT-Protokoll?
Dr. Barajas Ordoñez: Wir haben auf Grundlage etablierter Sequenzen der MR-Enterographie gearbeitet. Das heißt, das verwendete MRT-Protokoll basiert auf standardisierten, klinisch breit verfügbaren Sequenzen, wie sie auch in der Routinediagnostik eingesetzt werden. Die Quantifizierung des viszeralen Fettgewebes wurde in T1-gewichteten Sequenzen ohne Fettsuppression durchgeführt. Dadurch konnten wir semiautomatisierte Auswertungstools einsetzen, die eine reproduzierbare Analyse viszeraler Fettparameter ermöglichen.
Redaktion: Braucht es dazu besondere technische Geräte oder geschulte Fachkräfte?
Dr. Barajas Ordoñez: Nein, die Analysen basieren ausschließlich auf klinisch etablierter Bildgebung wie sie im Rahmen unseres MR-Selink-Protokolls routinemäßig erhoben wurden. Unsere Auswertung erfolgte retrospektiv, sodass keine speziellen technischen Voraussetzungen notwendig waren.
Redaktion: Welcher Patientengruppe kommt diese Bildgebung besonders zugute?
Dr. Barajas Ordoñez: Prinzipiell kann die Auswertung viszeraler Fettparameter bei allen Patienten mit Morbus Crohn, die eine MRT erhalten, erfolgen – sei es zur Erstdiagnose, zur Beurteilung der Aktivität, zur Detektion von Komplikationen oder zur Verlaufskontrolle unter Therapie. Ein wesentlicher Vorteil besteht darin, dass für die Fettanalyse keine zusätzlichen oder zeitaufwendigeren Sequenzen notwendig sind – sie kann auf Basis bereits vorhandener T1-gewichteter Sequenzen erfolgen, wie sie routinemäßig in der klinischen Praxis verwendet werden.
Redaktion: Wann könnte Ihr Ansatz im klinischen Alltag ankommen?
Dr. Barajas Ordoñez: Derzeit basieren viele unserer Erkenntnisse auf retrospektiven Studien, in denen wir bereits vorhandene MRT-Daten ausgewertet haben. Der nächste logische Schritt sind prospektive, multizentrische Studien zur Validierung dieser Ergebnisse. Scores wie der MaRIA-Index sind bereits gut etabliert, aber in der klinischen Anwendung teils aufwendig und zeitintensiv. KI-basierte Tools könnten in Zukunft dazu beitragen, die Quantifizierung zu vereinfachen – und zusätzliche Parameter wie etwa die Quantifizierung viszeralen Fettgewebes strukturiert in bestehende Risikostratifikationssysteme zu integrieren. Das ist ein spannendes und zukunftsweisendes Forschungsfeld, das in den kommenden Jahren weiter an Bedeutung gewinnen dürfte.
Redaktion: Sehen Sie die MRT-Analyse auch in der Niederlassung oder vornehmlich in der Klinik?
Dr. Barajas Ordoñez: Die qualitative Beurteilung des mesenterialen Fettgewebes ist grundsätzlich auch außerhalb der Klinik, also in der Niederlassung, möglich. Langfristig erscheint es realistisch, sie ambulant anzuwenden – vorausgesetzt, die Verfahren sind ausreichend validiert. Inwieweit Parameter wie das viszerale Fettgewebe auch unter laufender Therapie eine prognostische Relevanz besitzen, ist bislang noch nicht abschließend geklärt und bleibt Gegenstand der aktuellen Forschung. Es wird also noch einige Zeit dauern, bis diese Ansätze in die klinische Routine überführt werden können.
Redaktion: Könnte man diese Tools auch auf andere Diagnosen anwenden?
Dr. Barajas Ordoñez: Absolut. Segmentierungs- und Quantifizierungstools werden bereits in vielen Bereichen eingesetzt – zum Beispiel in der Onkologie oder Hepatologie. Wichtig ist die klinische Validierung der generierten Parameter. In Morbus Crohn sehen wir großes Potenzial, quantitative Bildgebung in datengetriebene Modelle zur Risikostratifizierung zu integrieren.
Redaktion: Sie stammen aus Kolumbien und haben Ihr Studium dort an der Universidad de los Andes begonnen. Es folgten Stationen in Groningen, Wien und Magdeburg. Wie schätzen Sie die Forschungsförderung in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern ein?
Dr. Barajas Ordoñez: Ich habe sehr positive Erfahrungen gemacht. Aus meiner Perspektive bieten sich in Deutschland vielfältige Möglichkeiten zur wissenschaftlichen Weiterentwicklung – von der strukturierten Betreuung innerhalb der Klinik bis zu nationalen Förderprogrammen. Besonders hervorzuheben sind das Clinician Scientist Programme für Ärzte in Weiterbildung sowie Förderlinien des Bundesforschungsministeriums oder DAAD-Stipendien für Forschungsaufenthalte im Ausland. Wer motiviert und forschungsaffin ist, findet hier ausgezeichnete Rahmenbedingungen.
Redaktion: Wie wichtig war das Team hinter Ihrer Forschung?
Dr. Barajas Ordoñez: Enorm wichtig. Forschung ist nie eine Einzelleistung. Auch meine Dissertation und die zugehörigen Publikationen wären ohne die enge Zusammenarbeit mit einem internationalen, multidisziplinären Team nicht möglich gewesen. Ich hatte das große Glück, mit Kollegen zusammenzuarbeiten, die ihre Expertise eingebracht haben. Ohne diesen Teamspirit wären viele Ergebnisse nicht möglich gewesen.
Redaktion: Auf LinkedIn sprechen Sie über Ihre Erfahrung mit internationalen Organisationen. Was steckt dahinter?
Dr. Barajas Ordoñez: Das bezieht sich auf meine frühere Tätigkeit bei der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO) in Wien. Dort war ich in der Sektion für Nuklearmedizin und diagnostische Bildgebung tätig. Die Abteilung fördert unter anderem etwa die Implementierung qualitätsgesicherter Bildgebungssysteme und unterstützt Forschungsprojekte in Ländern mit begrenzten Ressourcen. Ich habe dort fachlich viel gelernt. Der internationale Austausch war für mich sehr bereichernd und ich pflege bis heute die Beziehungen zu meinen damaligen Kollegen.
Redaktion: Wie sehen Ihre Pläne für die Zukunft aus?
Dr. Barajas Ordoñez: Kurzfristig möchte ich meine Facharztausbildung in der Radiologie abschließen und wissenschaftlich in Aachen weiterarbeiten. Langfristig sehe ich mich an der Schnittstelle von klinischer Radiologie, KI-gestützter Bildanalyse und translationaler Forschung.
(ID:50385189)
Sie möchten gerne kostenfrei weiterlesen?
Sie sind neu auf rwf-online.de?
Dann registrieren Sie sich bitte einmalig für das Radiologen WirtschaftsForum, um alle Beiträge kostenfrei in voller Länge lesen zu können.
RegistrierungSie sind bereits Leser des Radiologen WirtschaftsForum?
Super! Dann geben Sie bitte einfach Ihre E-Mail-Adresse an.