Change Management„KI-Upgrades dritteln die Untersuchungszeit am MRT und ermöglichen Veränderungen!“
Um medizinische Technolog/-innen für Radiologie (MTR) langfristig zu binden und ihre Zufriedenheit am Arbeitsplatz zu erhöhen, setzt das Praxisunternehmen für Radiologie, Nuklearmedizin und Strahlentherapie „Die Radiologie“ aus München auf eine neue Unternehmensstrategie, zu der KI-Updates für MRT-Geräte gehören. Was das bedeutet, schildert Prof. Dr. Mike Notohamiprodjo, Facharzt für Radiologie und geschäftsführender Gesellschafter des Unternehmens mit 600 Mitarbeitenden an 24 Standorten in Bayern. Ursula Katthöfer (textwiese.com) sprach mit ihm.
Redaktion: Im Mittelpunkt Ihrer Strategie steht das Change Management. Was ändert sich grundsätzlich?
Dr. Notohamiprodjo: Demografischer Wandel, daraus folgender Fachkräftemangel und die steigende Nachfrage nach komplexen Untersuchungen werden uns in den kommenden 10 bis 20 Jahren begleiten. Wir merken bereits heute an der Anmeldung, dass der Termindruck steigt. Gleichzeitig gehen 20 bis 30 Prozent der MTR in den nächsten Jahren in Rente, und lange wurde nicht genug Nachwuchs ausgebildet. Parallel dazu wächst der wirtschaftliche Druck durch abnehmende Vergütungen, steigende Personal- und Betriebskosten. Infolgedessen muss sich zwangsläufig die Arbeit am Gerät ändern, es müssen mehr Untersuchungen pro Gerät durchgeführt werden. Möglich wird dies am MRT durch KI-beschleunigte Sequenzen. Sie dritteln zum Teil die Untersuchungszeit und ermöglichen vier bis sechs MRT-Untersuchungen pro Stunde. Ähnlich wie beim CT ist die Messzeit nicht mehr der limitierende Faktor für die Anzahl der Untersuchungen, sondern die Infrastruktur um das Gerät herum, also Anmeldung, Umkleidekabinen, Patientenvorbereitung und die Kapazitäten der Ärzte, die Befunde zu erstellen.
Redaktion: Wie wirkt sich dieser Wandel zu mehr Untersuchungen pro Gerät auf die technische Ausstattung der Praxis aus?
Dr. Notohamiprodjo: Wir haben schlecht ausgelastete Geräte stillgelegt. Jetzt arbeiten wir mit weniger Geräten, sparen Strom und sind dadurch nachhaltiger.
Weil die Untersuchungszeit deutlich kürzer geworden ist, wird die Zeit für den Wechsel der Patienten relevant. Um die zu reduzieren, haben wir klinische Kompetenzzentren gegründet. Ähnliche Untersuchungen finden an einem bestimmten Standort statt, damit die Spule nicht dauernd gewechselt werden muss. Das entlastet die MTR von dieser körperlich anstrengen Tätigkeit und ermöglicht ihnen eine Spezialisierung. Bauchuntersuchungen bekommen unsere Patienten an den neuroradiologischen Standorten in München nicht, dafür müssen sie ein paar U-Bahnstationen weiter zu darauf spezialisierten Zentren fahren. Dort werden jedoch – von Notfallsituationen abgesehen – keine Köpfe untersucht. Sich so zu differenzieren, können sich natürlich nur Praxen mit einer gewissen Größe leisten. Im Münchner Umland wie z. B. Rosenheim oder Garmisch-Partenkirchen müssen wir natürlich das gesamte Spektrum anbieten.
Redaktion: Wie haben Sie die BedĂĽrfnisse der MTR herausgefunden?
Dr. Notohamiprodjo: Wir führen jährlich Personalgespräche durch und erhalten dort Feedback. MTR berichten, dass ihre bisherige Arbeit durch die KI-Upgrades entzerrt wurde. Durch die kurzen Messzeiten können sie ähnlich wie im CT einen Verzug wieder aufholen, wenn sie sich sputen. Sie haben einfach mehr Luft. Wenn ein Notfallpatient vor der Tür steht, können wir ihn eher einschieben.
Redaktion: Die MTR haben an allen Standorten Teamleiter. Welche Rolle spielen sie im Kontakt zur Geschäftsführung?
Dr. Notohamiprodjo: Sie arbeiten einerseits selbst am Gerät und haben andererseits einen guten Kontakt zur Personalabteilung. Gleich im Anschluss an dieses Gespräch habe ich ein Online-Meeting mit allen Teamleitern, um neue Entwicklungen zu besprechen. Die Teamleiter sind ja nicht nur Ansprechpartner, sondern auch Vorbild. Sie müssen zusammen mit den ärztlichen Standortleitern die Veränderungen in die Standorte tragen. Diese Zusammenarbeit ist für mich das Spannende am Change-Prozess.
Redaktion: Um welche neuen Entwicklungen geht es beispielsweise?
Dr. Notohamiprodjo: Wir hatten lange eine Arbeitszeitregelung von vier Tagen mit jeweils zehn Stunden, also 4 x 10. Jetzt kehren wir nach Möglichkeit zum System 5 x 8 zurück. Dadurch brauchen wir weniger Leute, um eine Woche abzudecken. Früher hatten wir den Luxus, dass zwei MTR an einem Gerät arbeiteten. Doch durch die verkürzten Untersuchungszeiten, den verringerten Spulenwechsel, verringerte Kontrastmittelgaben und die automatischen Vorplanungen an den Geräten können viele MTR jetzt allein arbeiten und bevorzugen dies sogar teilweise. Das ist deutlich weniger fehleranfällig. Missverständnisse bei Protokollübergaben oder Patientenverwechselungen sind deutlich zurückgegangen.
Redaktion: Zieht das Change Management zusätzlich zu moderner KI-Technologie auch Umbauten nach sich?
Dr. Notohamiprodjo: Neue Standorte haben wir gleich mit drei Umkleidekabinen pro MRT geplant. Werden fünf Patienten pro Stunde untersucht, würden zwei Kabinen noch ausreichen. Doch bei sechs Untersuchungen pro Stunde braucht es die dritte Kabine. Außerdem rollen wir nun höhenverstellbare Tische für die MTR aus, um die Arbeitsplätze ergonomischer zu gestalten. So müssen sie nicht immer sitzen, sondern können an der Konsole auch stehen. Viele MTR arbeiten gerne im Stehen, weil es gesünder ist und weil sie dann schneller wechseln können.
Redaktion: Welche Vorteile haben die KI-Upgrades fĂĽr die Patienten?
Dr. Notohamiprodjo: Sie merken, dass die Untersuchungszeit kürzer wird. Das entlastet bei Schmerzen oder Platzangst. Außerdem sehen sie mit bloßem Auge, dass die Bilder besser werden. Sollten die Bilder verwackeln, wiederholen MTR eine Sequenz von 50 Sekunden eher als eine von drei Minuten. Auch dass die Patienten schneller Termine bekommen, empfinden sie als positiv. Parallel haben wir die Aufklärung digitalisiert, die Patienten können die Aufklärungsbögen am Handy ausfüllen. Das entlastet nicht nur unsere Anmeldung, sondern auch die MTR. Sie hantieren nicht mehr mit Blättern, sondern haben alle Informationen digital im System und können komplexe Untersuchungen besser vorbereiten.
Redaktion: Rationalisierungen können dennoch zur Folge haben, dass die Arbeitsbelastung für den einzelnen steigt. Wie ist Ihre bisherige Bilanz des Change Managements?
Dr. Notohamiprodjo: Obwohl wir die Anzahl der Untersuchungen erhöht haben, hat die in den Personalgesprächen geäußerte Zufriedenheit der MTR nicht abgenommen. Wir haben eine Fluktuationsrate von 4 Prozent im gesamten Unternehmen. Das ist im Vergleich zum Gesundheitssystem, das eine Fluktuation von etwa 20 Prozent hat, sehr gering. Bei der Kapazitätsplanung von MTR sind wir sogar als einer der wenigen Arbeitgeber im Gesundheitswesen im Soll. Praxen, die wir neu ins Unternehmen aufnehmen, konnten ihre Personaldefizite oft nicht ausgleichen, weil sie einfach keine MTR gefunden haben. Ein Standort wäre deshalb fast geschlossen worden. Jetzt gehört dieser zu uns und alle Stellen sind besetzt.
Redaktion: Was macht die Arbeitsplätze so attraktiv?
Dr. Notohamiprodjo: Unsere Mitarbeitenden schätzen unsere klaren Strukturen. Stress entsteht ja meist, wenn Verantwortlichkeiten nicht geregelt sind und eine Hand nicht weiß, was die andere tut. Dann ist die Arbeit anstrengend, obwohl wenig dabei herumkommt. Unser Ablauf ist hingegen sehr strukturiert, wir haben Standardarbeitsanweisungen (SOPs) für alle Arbeitsplätze. Außerdem bieten wir viele Möglichkeiten zur persönlichen Weiterentwicklung, sei es in Seminaren zu Kommunikation, Führung oder Resilienz oder in Führungspositionen. Jeder kann Verantwortung übernehmen – z. B. für ein Gerät, einen Standort oder ein Projekt – und sich ins Praxismanagement hocharbeiten.
Redaktion: Sind für die Zukunft weitere Veränderungen für die Belegschaft geplant?
Dr. Notohamiprodjo: Für Schulungszwecke oder sehr komplizierte Untersuchungen, die ein MTR nicht kennt, arbeiten wir bereits heute remote. Dazu haben wir einen KVM-Switch (KVM = Keyboard-Video-Maus) angeschafft und an unsere Geräte gehängt.
Den Dienstplan haben wir noch nicht geändert, bisher arbeiten MTR nicht aus dem Homeoffice. Denn derzeit befinden wir uns ebenso wie die Hersteller in einer Grauzone. Offene Fragen zu Qualifikation, Haftung und Zuständigkeiten sind noch nicht eindeutig geklärt. Wir warten auf Empfehlungen der Berufsverbände, an denen wir uns orientieren können. Das wird nicht mehr lange dauern. Die Zukunft wird das „Remote Scanning“ mit sich bringen.
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