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OrganisationDie klinische Radiologie und ihr Beitrag zur Versorgungsqualität (Teil 1)

01.09.2024Ausgabe 9/20246min. Lesedauer
Von Dr. Bernd May, Geschäftsführer MBM Medical-Unternehmensberatung GmbH, und Prof. Dr. med. Günter Layer, Chefarzt des Zentralinstituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Klinikum Ludwigshafen

Hohe Kosten für radiologische Modalitäten oder Personal, Unterfinanzierung, Personalmangel bei zunehmender Fallzahl, mangelnde intersektorale sowie auch interdisziplinäre Vernetzung und viele ungenutzte Potenziale sind nur einige der zahlreichen Probleme. Die Kosten der Radiologie stehen üblicherweise im Vordergrund. Zu den Lösungsansätzen gehören die Teleradiologie, KI, Outsourcing der klinischen Radiologie an Praxen, auch Erwirtschaften von Zusatzerlösen im KV-Bereich (siehe „Chefärzte der Radiologie erkennen die Chancen der Ambulantisierung nur selten!“ in RWF, Nr. 8/2024). In Teil 1 des Beitrags geht es um die Kostenaspekte der wichtigsten Lösungsansätze.

Steigerung des Beitrags der Radiologie zur Versorgungsqualität

Die Aufgabe der klinischen Radiologie ist es, die klinischen Prozesse optimal zu unterstützen. Zur Erfüllung dieser Aufgabe ist die Überprüfung, ob

  • eine angeforderte radiologische Untersuchung überhaupt zum klinischen Kontext und
  • eine angeforderte Modalität zur radiologischen Untersuchung passt,

unabdingbar. In diesem Erfordernis liegt bereits ein erstes großes Problem, wenn die angeforderte Untersuchung häufig ohne Prüfung durch einen fachkundigen Arzt durchgeführt wird. Das ist regelmäßig der Fall, sodass zu einem hohen Prozentsatz die angeforderte Untersuchung oder Modalität nicht optimal zum klinischen Kontext bzw. zum klinisch relevanten Patientenproblem passt. Dieses Problem ist direkt mit der Ergebnisqualität und den Kosten der Radiologie verknüpft (siehe „Formel“).

Formel: „Beitrag der Radiologie zur Versorgungsqualität“

Beitrag/Wert der Radiologie für die Versorgungsqualität
=
Prozessqualität + Ergebnisqualität
mit Wirkung auf die klinische
Versorgung
Kosten der radiologischen
Versorgung

Die „Formel“ verdeutlicht, dass eine Reduktion der Kosten (bei gleichbleibender Prozess- und Ergebnisqualität) zu einer Steigerung des Beitrags der Radiologie zur gesamten Versorgungsqualität führt. Diese kostenorientierte Herangehensweise hat bei Geschäftsführungen in den Kliniken einen hohen Stellenwert. Auch eine Verbesserung der Prozessqualität wird bereits in vielen Fällen ins Auge gefasst, u. a. weil die Digitalisierung zunehmend nicht nur als IT-Thema, sondern inzwischen auch als Prozessoptimierungsthema verstanden wird.

Ganz anders als beim Kostenaspekt verhält es sich hingegen beim Qualitätsaspekt: Dieser stellt sich erheblich komplexer dar und seine Auswirkungen auf eine Verbesserung der gesamten klinischen Versorgung sind nicht einfach zu bewerten.

Der Kostenaspekt

Seit fast 40 Jahren ist das Outsourcing der „teuren“ Radiologie an eine Praxis gängiges Modell. Diese Praxis übernimmt im Rahmen einer Kooperation die radiologische Versorgung der Klinik. Die Kostenreduktion steht dabei im Vordergrund.

Kooperationen – gängiges Modell mit Schwächen

Insbesondere in kleineren klinischen Einrichtungen leuchtet ein solches Vorgehen zunächst ein, weil die hohen Vorhaltekosten vermieden werden. Bewertet man die Erfahrungen dieser langen Zeit mit lateralen Kooperationen sekundärer Dienstleistungen, kommen jedoch auch Nachteile zum Vorschein: Radiologische Praxen rechnen ihre Leistungen gegenüber der KV nach Umfang und Menge ab – ohne Berücksichtigung eines Qualitätsaspekts im Zusammenhang mit der klinischen Fragestellung zum Patientenproblem. Die Klinik unterstellt, dass der niedergelassene Zuweiser kompetent und eine Prüfung des besten diagnostischen Vorgehens nicht erforderlich ist. Der niedergelassene Radiologe hat die angeforderte Untersuchung nach dem aktuellen Qualitätsstandard technisch einwandfrei zu erbringen. Entsprechend sind auch Kooperationsverträge zwischen Praxen und Kliniken im Falle des Outsourcings formuliert. Diese Voraussetzungen sind in einem oft komplexen klinischen Kontext aber meist nicht gegeben.

Die Anforderung von radiologischen Leistungen erfolgt zudem oft durch klinisch unerfahrene Kollegen, die sich noch in Weiterbildung befinden. Die Folge sind häufige Wiederholungsuntersuchungen und eine wenig sinnhafte Stufendiagnostik.

Wenn der fachkundigeklinische Radiologe die angeforderte Untersuchung mit dem klinischen Kontext prüft, hat das Einfluss auf die Ergebnisqualität und damit auf die gesamte klinische Versorgung. Fehlt eine solche Prüfung, kommt es zur Verlängerung der Krankenhaus-Verweildauer durch nicht notwendige Stufen- und Wiederholungsdiagnostik. Der Umfang des relevanten Einsparpotenzials dürfte sich dann in der Größenordnung der Gesamtkosten des jeweiligen Imaging Centers bewegen.

Potenziale klinikeigener Radiologie

Ein weiterer Punkt ist, dass vielen Klinikleitungen nicht bewusst ist, welche finanziellen Potenziale in der klinischen Versorgung schlummern, die von der klinikeigenen Radiologie nicht genutzt werden. Wenn eine Klinik ein MVZ unter eigener Leitung betreibt, muss es das Ziel sein, auch die radiologische Diagnostik zu integrieren. Allerdings ist der Erwerb eines entsprechenden KV-Sitzes oft in Konkurrenz zu Investoren, insbesondere in Großstädten, kaum finanziell zu stemmen. Falls es dennoch gelingen sollte, ist eine organisatorische Trennung vom Klinikbereich unumgänglich und dies nicht nur aus rechtlichen Gründen. Das ZI der KBV hat in eigenen Analysen festgestellt, dass klinikeigene MVZ wirtschaftlich schlechter geführt werden als praxisgeführte.

Üblicherweise führt eine Klinik das eigene MVZ wie die Radiologie für die stationäre Versorgung. Eine Praxis richtet dagegen schlanke Versorgungsprozesse ein, ebenso einen guten Patientenservice mit geringen Wartezeiten, achtet auf die Geräteauslastung und eine entsprechende Produktivität des medizintechnischen und ärztlichen Personals, setzt vor allem trainierte Fachärzte in die Prozesse ein, die erforderlichenfalls mit den Zuweisern entsprechend kommunizieren. Auch weiß die Praxisführung genau über die Rentabilität der einzelnen Prozesse Bescheid. Oft werden diese Prozessüberlegungen im klinischen Umfeld nicht wesentlich beachtet, Kliniken verschenken hier ein großes Potenzial. Verlustanteile in Höhe von etwa 30 Prozent bei einem klinikgeführten MVZ sind üblich, wenn die Kosten des MVZ-Betriebs und die dabei erzielten Erlöse betriebswirtschaftlich ordnungsgemäß zugeordnet werden.

Potenziale der Teleradiologie

Teleradiologie ist ein Arbeitsfeld mit rasantem Wachstumspotenzial. Für Maximalversorger ist eine solche Mitabdeckung von Anbietern niedrigerer Versorgungsstufen mit speziellen Leistungen (wie z. B. Neuroradiologie) und während der Bereitschaftsdienstzeiten allgemeinradiologisch eine Stärkung des Einnahmepotenzials. Für den kleineren Klinikpartner kann dies eine Möglichkeit zur signifikanten Verlagerung zu qualitativ hochwertigen, innovativen und kostentransparenten Spezialisten sein.

Die großen Hersteller von Medizintechnologie bieten operative Command Center an (sogenannte Radiologie Operational Command Center [ROCC]), mit denen diese den vom Personalmangel betroffenen Kliniken eine qualifizierte Versorgung zusagen. Wenn beispielsweise am MRT keine trainierten Medizintechnologen zur Verfügung stehen, können auch Minderqualifizierte die Bedienung des MRT durchführen und bei Fragen auf das ROCC zugreifen. Dies kann auch bei ärztlichem Personalmangel genutzt werden, wenn im ROCC trainierte Fachärzte verfügbar sind.

Problematisch ist diese Versorgungsstruktur auch in dieser Konstellation, wenn der Teleradiologe den klinischen Kontext zur angeforderten Untersuchung nicht adäquat überprüft. Meist sind die Möglichkeiten, den zu untersuchenden Patienten zu befragen, derzeit noch sehr begrenzt. Limitierend könnten zudem strahlenschutzrechtliche Bestimmungen wirken.

Bei den strahlenschutzrechtlich unbedenklichen MRT-Untersuchungen ist die Ergebnisqualität stark abhängig vom eingesetzten Messprotokoll und der korrekten Patientenlagerung. Da durch die Leistungen des ROCC wirtschaftliche Ergebnisse mit hoher Produktivität erzielt und mehrere MRT gleichzeitig betreut werden sollen, kommt mit dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) ein weitere Lösungsansatz zum Tragen. Nicht nur zur Unterstützung der Befundung, sondern auch bei der Planung und Durchführung von Untersuchungen kann KI eine große Rolle zukommen. Wenn eine KI in der Lage ist, den klinischen Kontext für eine angeforderte Untersuchung zu „verstehen“, die bestgeeigneten Untersuchungsprotokolle einzusetzen und die bestgeeignete Patientenlagerung vorzuschreiben, bestünde sogar eine Chance auf wesentliche Prozessverbesserungen. Die ersten Schritte in diese Richtung werden bereits gegangen.

Weiterführender Hinweis
  • Im Teil 2 des Beitrags, der in einer der folgenden RWF-Ausgaben erscheinen wird, geht es um die Qualitätsaspekte der klinischen Radiologie sowie um eine Einordnung.

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