WirtschaftlichkeitKalkulatorische Zinsen in einer Großpraxis der Radiologie
Von Prof. Günter Stephan, ehem. Hochschule für öffentliche Verwaltung des Landes Baden-Württemberg, Kehl, stephan@hs-kehl.de
Bestimmte Begriffe und Zusammenhänge aus der Betriebswirtschaftslehre (BWL) spielen auch in größeren Arztpraxen eine immer wichtigere Rolle. Wir greifen ausgewählte Fachbegriffe auf und zeigen am Beispiel einer großen Radiologiepraxis, was unter bestimmten betriebswirtschaftlichen Begriffen zu verstehen ist und wie diese ggf. für einen wirtschaftlichen Praxisbetrieb genutzt werden können. In diesem Beitrag geht es um die kalkulatorischen Zinsen.
Geldanlage bei der Bank oder Investition in medizinisches Gerät
Wenn eine Arztpraxis einen bestimmten Geldbetrag zur Verfügung hat, so kann sie dieses Geld entweder
- bei einer Bank zu einem bestimmten Zinssatz anlegen oder
- in ein medizinisches Gerät investieren und dieses Gerät einsetzen, um damit medizinische Leistungen in der Praxis zu erbringen.
Entscheidet sich die Praxis für die Geldanlage bei der Bank, dann erhält sie jährlich aus diesem Kapital einen Zinsertrag. Entscheidet sie sich für die zweite Variante (Erwerb eines medizinischen Geräts), dann möchte sie mindestens denselben Zinsertrag durch die getätigte Investition erzielen. Deshalb sollte ein fiktiver Zinsertrag in der Kostenrechnung der Arztpraxis berücksichtigt werden. Das sind die kalkulatorischen Zinsen. Kalkulatorische Zinsen stellen also Kosten für das in den Vermögensgegenständen der Praxis gebundene Kapital dar. Dabei ist es unerheblich, ob diese Vermögensgegenstände mit Eigen- oder Fremdkapital (Kredite) finanziert wurden.
Im steuerlichen Abschluss bzw. in der Buchführung sind dagegen nur Zinsen für Kredite zu berücksichtigen. Hier liegt ein Geldabfluss vor, während bei der Verzinsung des Eigenkapitals (s. o.) keinerlei Geld fließt. Im Folgenden sollen nur die kalkulatorischen Zinsen und nicht der steuerliche Abschluss mit den Kreditzinsen behandelt werden.
Die Notwendigkeit der Berücksichtigung von Zinsen auf das Eigenkapital ergibt sich daraus, dass mit der Beschaffung bzw. Herstellung von Vermögensgegenständen auf eine alternative Verwendung dieser Eigenmittel verzichtet wird. Diese Zinsen werden daher auch als Opportunitätskosten bezeichnet.
Bei der Bestimmung der kalkulatorischen Zinsen sind folgende Faktoren maßgebend:
- Verzinsungsmethode
- Anzusetzender Zinssatz
- Betriebsnotwendiges Vermögen
Verzinsungsmethode
Die Ermittlung der Zinsen erfolgt i. d. R. auf der Basis von Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten (AHK). Bei nicht abnutzbaren Vermögensgegenständen (z. B. Grundstücke) bildet der volle Anschaffungswert die Berechnungsgrundlage. Für die für die Berechnung notwendige Abschreibung wird dabei häufig das arithmetische Mittel aus dem Anschaffungswert am Anfang sowie dem Wert am Ende des jeweiligen Jahres gewählt.
Tabelle 1: Bsp. CT-Anlage | |
Anschaffungskosten (AHK) | 600.000 Euro |
Nutzungsdauer (Anschaffung im Januar) | 5 Jahre |
Abschreibungsmethode | linear |
Restwert nach Ablauf der Nutzungsdauer | 0 |
Zinssatz | 2 % |
Tabelle 2: Jährlicher Überblick zum Bsp. CT-Anlage | ||||||
Jahr | AHK/Restbuchwert am Anfang des Jahres (Euro) | Abschreibung (Euro) | Restbuchwert am Ende des Jahres (Euro) | Gemittelter Restbuchwert | Zinssatz | Kalkul. Zinsen (Euro) |
1 | 600.000 | 120.000 | 480.000 | 540.000 | 2 % | 10.800 |
2 | 480.000 | 120.000 | 360.000 | 420.000 | 2 % | 8.400 |
3 | 360.000 | 120.000 | 240.000 | 300.000 | 2 % | 6.000 |
4 | 240.000 | 120.000 | 120.000 | 180.000 | 2 % | 3.600 |
5 | 120.000 | 120.000 | 0 | 60.000 | 2 % | 1.200 |
Summe kalkulatorischer Zinsen | 30.000 | |||||
Die jährliche Abschreibung beträgt 120.000 Euro (Rechnung: 600.000 Euro/5 Jahre) |
Gemittelter Restbuchwert für das erste Jahr | ||
600.000 Euro + 480.000 Euro | = | 540.000 Euro |
2 |
Kalk. Zinsen für das erste Jahr (Restwertmethode) |
540.000 Euro x 2 % = 10.800 Euro |
Die hier angewandte Methode bezeichnet man als Restwertmethode, weil die Zinsen vom jeweiligen Restwert bzw. vom gemittelten Restbuchwert berechnet werden.
Alternativ können die kalkulatorischen Zinsen nach der Durchschnittswertmethode berechnet werden. Diese Methode geht davon aus, dass während der gesamten Nutzungsdauer des Vermögensgegenstands (hier: 5 Jahre) durchschnittlich die Hälfte der Anschaffungskosten als Kapital gebunden ist. Zudem wird auch hierbei eine lineare Abschreibung unterstellt. Bei Anwendung der Durchschnittswertmethode ergeben sich im Beispiel pro Jahr kalkulatorische Zinsen von 6.000 Euro (Hälfte der Anschaffungskosten = 300.000 Euro).
Kalk. Zinsen pro Jahr (Durchschnittswertmethode) |
300.000 Euro x 2 % = 6.000 Euro |
In den 5 Jahren der Nutzung des CT-Geräts fallen also 30.000 Euro (= 6.000 Euro x 5) an. Dies entspricht dem Betrag, der sich auch bei der Restwertmethode als Summe der kalkulatorischen Zinsen ergibt.
Merke |
Die beiden Methoden (Restwertmethode und Durchschnittswertmethode) unterscheiden sich nur hinsichtlich der Höhe der kalkulatorischen Kosten, die in den einzelnen Nutzungsjahren anfallen. Die Durchschnittswertmethode führt dabei zu einer gleichmäßigeren Belastung in den einzelnen Jahren. |
Anzusetzender Zinssatz
Beim anzusetzenden Zinssatz ist keine Trennung in Eigen- und Fremdkapital vorzunehmen. Empfohlen wird, dass dieser einheitliche Zinssatz geringfügig unter dem Durchschnitt der Soll-Zinssätze für Kredite der letzten Jahre liegt.
Betriebsnotwendiges Vermögen
Als Basis für die Berechnung der kalkulatorischen Zinsen dient das sogenannte betriebsnotwendige Vermögen. Es bezeichnet das im Unternehmen eingesetzte Kapital (Fremd- und Eigenkapital), soweit es zur Erfüllung des Betriebszwecks auch notwendig ist. Das bedeutet insbesondere, dass stillgelegte und nicht genutzte Anlagen, z. B. nicht genutzte Röntgengeräte, bei der Berechnung des Vermögens nicht angesetzt werden dürfen. Bei der Ermittlung der kalkulatorischen Zinsen bleibt das zinsfrei zur Verfügung gestellte Kapital grundsätzlich unberücksichtigt. Beispiele für zinsfrei zur Verfügung gestelltes Kapital sind Kundenanzahlungen (dürften in der radiologischen Praxis kaum Bedeutung haben), zinsfreie Darlehen oder Restwerte von Anlagegütern nach Ablauf der Nutzungsdauer.
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