Gezielte Methoden zur Messung der Patientenzufriedenheit in der Radiologie

von Dr. med. Martin Maurer, Arzt, Dipl.-Kfm., Klinik für Radiologie, Charité Universitätsmedizin Berlin

Bisher kommen zur Evaluation der Patientenzufriedenheit üblicherweise standardisierte schriftliche Fragebögen zum Einsatz. Als Alternative hierzu haben sich in den vergangenen Jahren zwei ereignisorientierte Messansätze eta-bliert, bei denen das reale Qualitätserleben der Patienten vollständig und sehr konkret abgefragt werden kann. Hierbei handelt es sich um die sogenannte Critical Incident Technique und die Sequentielle Ereignismethode. Beide Methoden werden im Folgenden vorgestellt und ihr unmittelbarer Nutzen bei der Anwendung im Alltag einer radiologischen Abteilung dargelegt.

Critical Incident Technique (CIT)

Die Critical Incident Technique (CIT) wurde bereits in den 1950er Jahren von Flanagan entwickelt und dient der Erfassung und anschließenden Bewertung von kritischen Ereignissen im Ablauf von Handlungsprozessen.

„Critical Incidents“ sind Ereignisse, die von Dienstleistungsnehmern als besonders positiv oder negativ erlebt werden. Sie bleiben unterschwellig im Bewusstsein und werden zum Beispiel dann erneut abgerufen, wenn im persönlichen Umfeld über eine Einrichtung oder einen konkreten Anbieter einer medizinischen Leistung gesprochen wird.

Mittlerweile findet die CIT eine gezielte Anwendung in der Zufriedenheitsforschung unter Patienten. In leitfadengestützten Interviews wird der Patient zum Beispiel dazu veranlasst, sich an besonders positiv oder negativ wahrgenommene Ereignisse im Rahmen einer Gesamtdienstleistung zu erinnern. Damit können die für das Qualitätserleben und die Zufriedenheit der Patienten maßgeblichen Ereignisse abgefragt werden.

Beispiel in einem radiologischen MVZ

Im MVZ unserer Klinik wurden Patienten hinsichtlich ihrer Zufriedenheit mit Computertomographie-Untersuchungen befragt.

Für die positiven und negativen Antworten, die mit Hilfe der CIT ermittelt werden konnten, wurden die Kategorien „Umgang des Personals mit den Patienten“, „Organisation des Untersuchungsablaufs“ und „eigentliche CT-Untersuchung“ gebildet.

Positiv wurde zum Beispiel besonders häufig die Freundlichkeit des Personals vermerkt, die kurzen Wartezeiten bis zum Untersuchungstermin oder die Modernität des verwendeten Computertomographen.

Negativ beurteilt wurde zum Beispiel die Unübersichtlichkeit des Krankenhauses, ein „steriles“ Ambiente im Wartebereich oder das Hitzegefühl und lange Luftanhalten im Rahmen der Untersuchung.

Sequentielle Ereignismethode (SEM)

Ähnlich der CIT werden auch bei der Sequentiellen Ereignismethode (SEM) besonders positive und negative Ereignisse abgefragt. Hierbei wird dem Befragten jedoch zusätzlich ein genauer Ablaufplan mit den bereits zuvor dokumentierten und visualisierten Einzelschritten einer Dienstleistung vorgelegt. In einem standardisierten Interview geht der Leistungsanbieter mit dem Patienten die einzelnen Schritte des Gesamtprozesses durch und dokumentiert die an jedem Einzelschritt wahrgenommenen besonders positiven und negativen Erlebnisse.

Fortsetzung Beispiel

Ausgehend vom nebenstehenden Beispiel in einem radiologischen MVZ ergibt sich für die SEM Folgendes:

Im Rahmen der Sequentiellen Ereignismethode wurde das Qualitätserleben an folgenden vorgegebenen Teilschritten des Gesamtprozesses abgefragt: Anmeldung, Weg zum Computertomographen, Warten vor der Untersuchung inkl. Aufklärungsgespräch, eigentliche Untersuchung, Befundbesprechung und Verlassen der Abteilung.

Hierbei gab es eine Reihe positiver Aussagen, die eine bereits gute Qualität der Einzelschritte bestätigte. Einzelnen negativen Erlebnissen, wie zum Beispiel die schwierige Orientierung bei der Ankunft, konnte bereits durch die Anbringung mehrerer neuer Hinweisschilder begegnet werden.

Vorteile bei der Anwendung von CIT und SEM

Die CIT und SEM bieten konkrete Aussagen bezüglich der durch den Patienten wahrgenommenen Dienstleistung. Dabei können positive Ergebnisse als eine Bestätigung der bisherigen Organisation und Qualität der eigenen Leistung aufgefasst werden. Hingegen bieten die ermittelten negativen Ergebnisse ein differenziertes Bild über Mängel im Qualitätserleben der Patienten. Besonders häufig geäußerte Aspekte haben dabei eine höhere Relevanz. Hieraus lassen sich konkrete Ansätze zur Verbesserung der eigenen medizinischen Leistung ableiten.

Durchführung und Kosten

Der Einsatz der beiden vorgestellten Methoden kann nacheinander in strukturierten Interviews mit den Patienten erfolgen und ist prinzipiell für sämtliche radiologischen Diagnostikverfahren (zum Beispiel CT, MRT, Sonographie) als auch für radiologisch-interventionelle Behandlungsmethoden anwendbar.

Die Kosten und Zeitressourcen für die Interviews sind überschaubar. Etwas höher ist der Auswertungsaufwand der Interviewergebnisse, wobei für die Vielzahl der Patientenaussagen Oberkategorien gefunden werden müssen. Hieraus können konkrete Handlungsempfehlungen abgeleitet werden.

Im Rahmen eines Interviews zum Beispiel im Anschluss an eine radiologische Untersuchung sollten zunächst mittels der CIT die spontan erinnerten „kritischen Ereignisse“ des soeben durchlaufenen Leistungsprozesses abgefragt werden. Danach werden unter Anwendung der SEM für eine weiterführende Dokumentation der Qualitäts- und Zufriedenheitsbewertung die besonders positiven und negativen Erlebnisse an vorgegebenen Teilschritten einer radiologischen Diagnostik- oder Behandlungsleistung erfragt.

Praxistipp: Die Interviews sollten von nichtärztlichen Mitarbeitern vorgenommen werden, um die Angst der Patienten vor einem möglichen Einfluss ihrer Antworten auf ihre inpiduelle Behandlung zu minimieren.

Weiterführende Informationen

Eckhardt-Abdulla R et al. Ermittlung der Patientenzufriedenheit im Krankenhaus. Critical-Incident-Technik oder standardisierter Fragebogen? Anaesthesist 2008, 57: 275-283.