von Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht, Dr. Tilman Clausen, www.armedis.de
Nach einer Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) aus dem Jahre 2009 sind Krankenhausträger und radiologische Gemeinschaftspraxen bei der Abrechnung der von den Radiologen im Zusammenhang mit bestehenden Kooperationsverträgen erbrachten ärztlichen Leistungen nicht zwingend an die GOÄ gebunden. Das lässt viel Gestaltungsspielraum, der in der Praxis immer wieder unklare Regelungen nach sich zieht und zu Streitigkeiten führt. Damit es dazu gar nicht kommt, sollten einige Grundsätze beachtet werden.
Der BGH begründet die Nichtbindung an die GOÄ in seiner Entscheidung vom 12. November 2009 (Az. III ZR 110/0) damit, dass die GOÄ den Interessenausgleich zwischen Leistungserbringern und Patienten regelt und nicht das Verhältnis zwischen unterschiedlichen Leistungserbringen wie dem Krankenhausträger und der radiologischen Gemeinschaftspraxis. Somit haben der Krankenhausträger und radiologische Gemeinschaftspraxen eine Reihe von Möglichkeiten, wie die ärztlichen Leistungen, die die Radiologen von Kooperationsverträgen erbringen, abgerechnet werden können.
Hier wird im Regelfall sowohl bei ambulanter Behandlung als auch bei stationärer Behandlung von Wahlleistungspatienten ein Behandlungsvertrag zwischen dem Radiologen und dem von ihm behandelten Privatpatienten abgeschlossen, auf dessen Grundlage der Radiologe direkt gegenüber dem Patienten nach Maßgabe der GOÄ abrechnet. Dieser Fall ist also auch bei Behandlungen im Rahmen von Kooperationverträgen in der Regel unproblematisch.
Weniger trivial sind die Abrechnungsvereinbarungen bei Regelleistungspatienten im Rahmen stationärer Behandlungen. Hier rechnet der Krankenhausträger die jeweils anfallende DRG-Fallpauschale gegenüber dem zuständigen Kostenträger ab. Die Leistung der Radiologen im Rahmen des Kooperationsvertrages ist über § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) Teil der abrechenbaren DRG-Fallpauschale, die der Krankenhausträger abrechnet. Hier muss das Honorar, dass der Krankenhausträger im Außenverhältnis gegenüber den Kostenträgern abrechnet, im Innenverhältnis zwischen Krankenhausträger und Radiologen aufgeteilt werden.
Für die Regelungen im Innenverhältnis haben die Vertragspartner verschiedene Möglichkeiten. Auch wenn die GOÄ nach Auffassung des BGH nicht direkt anwendbar ist, kann man sich auf eine Abrechnung der radiologischen Leistungen nach Maßgabe der GOÄ verständigen. Möglich ist auch eine modifizierte Anwendung der GOÄ, da die Bewertung der radiologischen Leistungen im Rahmen der jeweils abrechenbaren DRG-Fallpauschalen deutlich unter den nach Maßgabe der GOÄ abrechenbaren Steigerungssätzen liegen. Möglich sind auch andere Regelungen, beispielsweise die Abrechnung von Pauschalen.
Die unmittelbare Anwendung der GOÄ wird der Krankenhausträger, wenn er juristisch gut beraten ist, regelmäßig nicht akzeptieren, da dies die Radiologen wohl einseitig begünstigen würde. Wenn die Vertragspartner eine Vergütungsregelung wählen, die den Rahmen der GOÄ vollständig verlässt, stellt sich das Problem, eine praktikable Regelung zu finden, die sämtliche denkbaren Konstellationen bei der Abrechnung im Rahmen des Kooperationsvertrags angemessen berücksichtigt. In der Praxis dürfte es sich deshalb empfehlen, sich bei der Abrechnung auf eine modifizierte Anwendung der GOÄ zu verständigen.
Wenn sich die Vertragspartner auf eine modifizierte Anwendung der GOÄ bei der Abrechnung der radiologischen Leistungen gegenüber Regelleistungspatienten verständigen, sollte auf die Klarheit der Vergütungsregelung geachtet werden – insbesondere, wenn der Kooperationsvertrag auf eine längere Laufzeit angelegt ist. Alles was nicht eindeutig geregelt ist, kann in späterer Zeit zu Schwierigkeiten führen.
In einem tatsächlichen Fall führte folgender Passus des Kooperationsvertrags zu nachhaltigen Problemen:
Problematische Formulierung |
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... „Die Leistungen, die von den Radiologen für das Krankenhaus während der Normaldienstzeit (…diese wird im Vertrag definiert…) erbracht werden, werden nach dem jeweils gültigen Gebührenverzeichnis der Gebührenordnung für ärztliche Leistungen (GOÄ) mit einem Steigerungsfaktor von 1,0 vergütet“. |
Hier bleibt offen, in welchem Umfang die GOÄ bei der Abrechnung der Radiologen gelten soll. Soll die GOÄ in Gänze in Anwendung kommen oder nur das Gebührenverzeichnis mit seinen Allgemeinen Bestimmungen, die die Abrechnungsmöglichkeiten der Radiologen teilweise einschränken? Oder sollen alle Leistungen der Radiologen abrechenbar sein, für die sich eine Gebührenziffer in der GOÄ findet, ohne dass irgendwelche Einschränkungen gelten?
Die Klausel nicht eindeutig. Je nachdem, ob man den Standpunkt der Radiologen oder des Krankenhausträgers vertritt, lassen sich Argumente für die eine oder andere Sichtweise finden. In der Praxis führte dies dazu, dass die Radiologen im Rahmen der langjährigen Kooperation zunächst eine für sie freundliche Auslegung der Klausel praktizierten und der Krankenhausträger diese Abrechnung auch akzeptierte. Allgemeine Bestimmungen aus der GOÄ, die die Abrechnungsmöglichkeiten einschränken, kamen über Jahre nicht zur Anwendung.
Nach einem Wechsel in der Geschäftsführung des Krankenhausträgers verschlechterte sich das Verhältnis zwischen Krankenhausträger und Radiologen mit der Folge, dass den Radiologen Falschabrechnung vorgeworfen wurde, weil sie die Allgemeinen Bestimmungen des Abschnitts O der GOÄ nicht eingehalten hätten. Schließlich fanden beide Vertragspartner nur mit Mühe und anwaltlicher Hilfe wieder zueinander.
Eine Klausel wie die oben zitierte ist nicht zu empfehlen. Wenn Radiologen und Krankenhausträger sich bei der Abrechnung der radiologischen Leistungen gegenüber Regelleistungspatienten im Innenverhältnis auf eine modifizierte Anwendung der GOÄ verständigen, reicht es nicht aus, sich über einen Steigerungsfaktor für die Abrechnung der radiologischen Leistungen zu verständigen. Daneben muss auch eine Einigung darüber getroffen werden, ob und inwieweit die GOÄ ansonsten zur Anwendung kommt. Geschieht dies nicht, kann es auch nach Jahren zu Abrechnungsstreitigkeiten kommen. Unklare Regelungen betreffend die Abrechnung der radiologischen Leistungen können insbesondere dem Krankenhausträger eine Möglichkeit eröffnen, gegenüber den Radiologen „Druck aufzubauen“, um für ihn ungünstige vertragliche Regelungen nachzuverhandeln.
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