Zulassungsrecht zum 1. Januar 2013 geändert– Konsequenzen für Praxisabgeber/-übernehmer

von RA Nico Gottwald, Ratajczak & Partner, Sindelfingen, www.rpmed.de

Zum 1. Januar 2013 trat die bereits mit dem GKV-Versorgungsstrukturgesetz beschlossene Änderung des Zulassungsrechts in Kraft, durch das in gesperrten Planungsbereichen Überversorgung abgebaut und langfristig eine ausgewogenere räumliche Verteilung von Vertragsärzten erreicht werden soll. Leider lässt der Gesetzgeber einige Fragen unbeantwortet – hier dürften die Sozialgerichte in Zukunft gefordert sein. Radiologen, die eine Praxisabgabe oder -übernahme in einem gesperrten Gebiet planen, sollten dennoch die wichtigsten Eckpunkte des neuen Rechts kennen, um gewappnet zu sein. 

Neues zweistufiges Nachfolge­zulassungsverfahren

Das Nachfolgezulassungsverfahren ist jetzt nach § 103 Abs. 3a SGB V zweistufig aufgebaut. Endet die Zulassung eines Vertragsarztes durch Tod, Verzicht oder Entziehung und soll die Praxis von einem Nachfolger weitergeführt werden, muss zunächst der Zulassungsausschuss in einem Planungsbereich, in dem wegen Überversorgung Zulassungsbeschränkungen angeordnet worden sind, entscheiden, ob ein Nachbesetzungsverfahren durch­geführt wird. Dazu muss er prüfen, ob auf eine Nachbesetzung aus Versorgungsgründen verzichtet werden kann. Ist die Nachbesetzung aus Versorgungsgründen nicht erforderlich, kann der Zulassungsausschuss den Antrag auf Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens ablehnen. Gleiches gilt auch bei einem hälftigen Zulassungsverzicht. 

Lehnt der Zulassungsausschuss den Antrag auf Nachbesetzung ab, ist die Kassenärztliche Vereinigung (KV) verpflichtet, den ausscheidenden Arzt bzw. dessen Erben in Höhe des Verkehrswerts der Praxis zu entschädigen. Die Festsetzung des Verkehrswerts erfolgt ebenfalls durch die KV in einem gerichtlich vollüberprüfbaren Verwaltungsakt. Ungeklärt ist aber bisher, nach welcher Methode der Verkehrswert berechnet werden soll. 

Kriterien für eine Nachbesetzung aus Versorgungsgründen

Im Rahmen der Prüfung, ob eine Nachbesetzung aus Versorgungsgründen notwendig ist, muss der Zulassungsausschuss neben dem Versorgungsbedarf auch wirtschaftliche Gesichtspunkte berücksichtigen, wie etwa das Bestehen eines Mietvertrags mit einer langen festen Laufzeit. In die Erwägung miteinzubeziehen sind auch die möglichen Auswirkungen auf eine Berufsausübungsgemeinschaft, wenn ein Vertragsarztsitz innerhalb einer Berufsausübungsgemeinschaft nachbesetzt werden soll. Hier ist die Kostenverteilung grundsätzlich auf mehrere Leistungserbringer ausgerichtet – und der ersatzlose Wegfall eines Partners könnte zu ernsten wirtschaft­lichen Schwierigkeiten führen. 

Die genauen Kriterien für die Feststellung, ob eine Nachbesetzung aus Versorgungsgründen erforderlich ist oder nicht, sind bisher nicht geklärt. In welchem Umfang und in welcher Art und Weise die Zulassungsausschüsse hierzu Ermittlungen anzustellen haben, ist ebenfalls offen. Das Vorliegen einer Überversorgung ist letztlich nur ein Indiz, sagt jedoch nichts über den konkreten, regionalen Versorgungsbedarf aus 

Wichtig in diesem Zusammenhang: Zulassungsausschüsse sind jeweils paritätisch mit je drei Vertretern der Ärzte und der Krankenkassen besetzt. Die Ausschüsse beschließen mit einfacher Stimmenmehrheit, bei Stimmengleichheit gilt ein Antrag als abgelehnt. Ohne die Stimmen der Vertreter der Ärzte ist daher eine Mehrheitsentscheidung nicht möglich. Da die Vertreter der Ärzte von der KV bestellt werden, sind sie daher gehalten, auch deren Interessen wahrzunehmen. 

Sofern eine Nachbesetzung aus Versorgungsgründen nicht erforderlich ist, kann der Zulassungsausschuss den Antrag auf Durchführung eines Nach­besetzungsverfahrens ablehnen – er muss es aber nicht. Es handelt sich hier um eine Ermessensvorschrift. Tendenziell ist zu erwarten, dass die Vertreter der Ärzte eine Nachbesetzung eher befürworten als ablehnen werden, da bei einer Ablehnung die KV zur Entschädigung des Praxis­abgebers verpflichtet ist – was nur selten in deren Interesse liegen wird. 

Regelungen für Nachbesetzung durch „privilegierte“ Partner

Soll die Praxis von einem privilegierten Nachfolger weitergeführt werden, der Ehegatte, Lebenspartner oder ein Kind des Praxis­­ab­gebers ist, kann die Nachbesetzung nicht abgelehnt werden. Gleiches gilt, wenn der Nachfolger bisher ein angestellter Arzt bzw. Gemeinschaftspraxispartner des abgebenden Vertragsarztes war. 

Hier gilt jedoch eine wichtige Einschränkung: Liegen mehrere Bewerbungen für den ausgeschriebenen Vertragsarztsitz vor und kommt der Zulassungsausschuss letztendlich zu dem Ergebnis, dass ein Bewerber auszuwählen wäre, der nicht zu dem Kreis der privilegierten Nachfolger zählt, kann er die Nachbesetzung noch nachträglich ablehnen, wenn diese aus Versorgungsgründen nicht erforderlich ist. Es muss also zunächst ein Nachbesetzungsverfahren durchgeführt werden, um dieses dann nachträglich aufgrund der fiktiven Auswahl eines nichtprivilegierten Nachfolgers wieder zu beenden. Hier hat der Gesetzgeber kein besonders glückliches Händchen bewiesen. 

Einige Fragen bleiben offen

Die Sorge vieler Vertragsärzte, mit dem Antrag auf Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens würde man das Verfahren bereits komplett aus der Hand geben und riskieren, dass die Nachbesetzung verweigert wird, ist jedoch unbegründet. Ein Praxisabgeber hat es grundsätzlich in der Hand, das Verfahren vorzeitig durch eine Rücknahme des Antrags wieder zu beenden. 

Unklar ist derzeit jedoch, bis zu welchem Zeitpunkt eine solche Rücknahme des Antrags noch möglich ist. In einer ersten Sitzung entscheidet der Zulassungsausschuss zunächst darüber, ob ein Nachbesetzungsverfahren durchgeführt wird. Nach geltendem Recht ist es auf jeden Fall möglich, den Antrag noch in dieser Sitzung zurückzunehmen, wenn sich abzeichnet, dass ein Nachbesetzungsverfahren abgelehnt werden wird. Fraglich ist, ob eine Rücknahme des Antrags auch noch möglich ist, wenn der Zulassungsausschuss bereits entschieden hat, dass ein Nachbesetzungsverfahren aus Versorgungsgründen nicht durchgeführt wird. In jedem Fall sollte der Vertragsarzt daher an der Sitzung des Zulassungs­ausschusses persönlich teilnehmen. 

 

Praxishinweis

Wird der Antrag auf Nachbesetzung abgelehnt, kann der Vertragsarzt hiergegen Klage zum Sozialgericht erheben; ein Widerspruchsverfahren ist nicht möglich. Wird dem Antrag auf Nachbesetzung entsprochen, können die KVen und die Krankenkassen Klage erheben. Die Klage hat allerdings keine aufschiebende Wirkung, das heißt, das Nachbesetzungsverfahren wird weiter durchgeführt und der aus­gewählte Bewerber zugelassen. 

 

Somit ist absehbar, dass sich Vertragsärzte und Zulassungsaus­schüsse in den kommenden Jahren vielen Rechtsfragen stellen müssen und auf gerichtliche Klärung drängen werden, um die Vorstellungen des Gesetzgebers zu konkretisieren. 

Was können Vertragsärzte tun?

Das neue Zulassungsrecht sollte bei der Planung einer Praxisabgabe bzw. -übernahme immer berücksichtigt werden. An erster Stelle steht die eigene Prüfung, ob eine Nachbesetzung aus Versorgungsgründen scheitern könnte und ob gegebenenfalls ein privilegierter Nachfolger in Betracht kommt. Selbst wenn absehbar ist, dass eine Nachbesetzung aus Versorgungsgründen möglich ist, gilt es zu beachten, dass die vorgelagerte Entscheidung des Zulassungsausschusses einen gewissen zeitlichen Mehraufwand bedeutet. Erst nach der Entscheidung des Zulassungsausschusses kann gegebenenfalls eine Ausschreibung erfolgen. 

Vertragsärzte, die eine Nachbesetzung planen, sollten auch rechtzeitig an eine Rücknahme ihres Antrags denken, wenn ersichtlich ist, dass die Nachbesetzung abgelehnt werden könnte und eine Entschädigung durch die KV für sie nicht infrage kommt.