Wie viele ständige ärztliche Vertreter sind erlaubt?

von Rechtsanwältin Rosemarie Sailer, LL.M. Medizinrecht, Wienke & Becker – Köln, www.kanzlei-wbk.de 

Im Zusammenhang mit der Erbringung und Abrechnung wahlärztlicher Leistungen lässt sich über vieles streiten – besonders häufig aber über die Frage, wie viele Ärzte der Wahlarzt dem Patienten gegenüber als ständige ärztliche Vertreter benennen darf. Während in der Praxis in vielen Wahlleistungsvereinbarungen gleich mehrere ärztliche Vertreter vorgesehen sind, ist sich die juristische Literatur uneins, ob dies überhaupt zulässig ist – oder ob lediglich ein Vertreter benannt werden darf. Da stellt sich die Frage: Wie sollte man als Chefarzt seine Vertretungen bei Wahlleistungen regeln?

Ursachen für die Problematik 

Auch die Rechtsprechung hat sich gelegentlich mit der Thematik zu befassen, wagt sich jedoch nicht an eine eindeutige Entscheidung heran – jedenfalls fehlt es bislang an einer höchstrichterlichen verbindlichen Beantwortung der Frage. Fest steht, dass sich für beide Ansichten (mehrere bzw. nur ein ständiger Vertreter) gute Argumente finden lassen – für den Krankenhausalltag bedarf es jedoch einer praktikablen und umsetzbaren Lösung.

Anlass für die unterschiedliche Beantwortung der Frage nach der zulässigen Anzahl an ständigen ärztlichen Vertretern ist der Wortlaut von § 4 Abs. 2 der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ). Dieser erwähnt den ständigen ärztlichen Vertreter des Wahlarztes lediglich im Singular (Auszug siehe unten).

§ 4 Abs. 2 GOÄ (Auszug)

Als eigene Leistungen im Rahmen einer wahlärztlichen stationären, teilstationären oder vor- und nachstationären Krankenhausbehandlung gelten nicht Leistungen (…), wenn diese nicht durch den Wahlarzt oder dessen vor Abschluss des Wahlarztvertrages dem Patienten benannten ständigen ärztlichen Vertreter persönlich erbracht werden; der ständige ärztliche Vertreter muss Facharzt desselben Gebiets sein.“

 

Die Standpunkte 

Vor diesem Hintergrund haben sich im Wesentlichen die nachfolgend erörterten drei Standpunkte herausgebildet.

1. Es darf nur einen ständigen ärztlichen Vertreter geben 

Insbesondere die Formulierung des § 4 Abs. 2 GOÄ, die den „ständigen ärztlichen Vertreter“ im Singular benennt, ist Grund dafür, dass vielfach davon ausgegangen wird, dass tatsächlich auch nur ein einziger ständiger ärztlicher Vertreter pro Wahlarzt zulässig sein soll. Verfechter dieser Meinung sehen sich insbesondere durch ein Urteil des obersten deutschen Zivilgerichts, des Bundesgerichtshofs (BGH) bestätigt, der im Zusammenhang mit der Wirksamkeit einer formularmäßigen Vertretervereinbarung im Rahmen wahlärztlicher Leistungen auch nur von „dem ständigen ärztlichen Vertreter“ im Singular spricht (Urteil vom 20. Dezember 2007, Az. III ZR 144/07). Die Frage, wie viele ständige ärztliche Vertreter es geben darf, war jedoch nicht Verfahrensgegenstand und wurde daher auch nicht ausdrücklich beantwortet.

Für diese strenge Sichtweise spricht zwar nicht zuletzt der Wortlaut der Vorschrift – allerdings wird dabei nicht berücksichtigt, dass nach den Grundsätzen der grammatikalischen Auslegung aus einer Formulierung im Singular nicht zwingend der Schluss gezogen werden kann bzw. muss, dass tatsächlich nur ein einziger Vertreter zulässig sein soll. Sinn und Zweck der Vorschrift lässt diese Auffassung weitgehend unberücksichtigt.

2. Mehrere ständige ärztliche Vertreter sind zulässig 

Für die gegenteilige Auffassung sprechen in erster Linie praktische Überlegungen: So dürfte es gerade in großen Kliniken kaum möglich sein, dass der liquidationsberechtigte Wahlarzt sämtliche privatärztlichen Leistungen höchstpersönlich durchführt.

Auch wird in diesem Zusammenhang zu Recht argumentiert, dass die Beschränkung auf den „ständigen ärztlichen Vertreter“ im Gesetzeswortlaut so verstanden werden muss, dass ein Wahlleistungspatient nur von ein und demselben Vertreter zu behandeln ist, ein beliebiger Wechsel hingegen nicht zulässig ist.

3. Ein Vertreter pro Funktionsbereich ist zulässig 

Die beiden vorgenannten Ansätze lassen sich mit guten Argumenten vertreten, mangels höchstrichterlicher Entscheidung bedarf es jedoch einer vermittelnden Lösung, die auch im Zweifelsfall einer gerichtlichen Überprüfung standhält. In den vergangen Jahren hat sich daher eine praktikable Auffassung durchgesetzt, die zumindest bislang von einigen unteren Gerichtsinstanzen nicht beanstandet worden ist.

Danach soll es zulässig sein, die Behandlungsmaßnahmen für verschiedene Wahlleistungspatienten auf mehrere Schultern zu verteilen, zum Beispiel bei einer funktionalen Schwerpunktbildung oder Arbeitsteilung innerhalb einer Krankenhausabteilung, sofern die diesem Kreis zugehörigen Ärzte Fachärzte desselben Gebiets sind.

Auch die Abrechnungsempfehlungen verschiedener Landesärztekammern schlagen diese vermittelnde Lösung vor.

Fazit

Eine unwirksame Wahlleistungsvereinbarung kann erhebliche Honorarausfälle nach sich ziehen und gegebenenfalls sogar strafrechtlich relevant werden. Aus diesem Grund ist es besonders wichtig, die durch Gesetzgeber und Rechtsprechung aufgestellten Vorgaben konsequent einzuhalten. Sind diese nicht eindeutig, muss daher nach einer vermittelnden Lösung gesucht werden.

Ganz auf der sicheren Seite ist letztlich, wer tatsächlich nur einen einzigen ständigen ärztlichen Vertreter benennt. Da nicht abgeschätzt werden kann, welcher Auffassung sich das im Einzelfall anzurufende Gericht anschließt, ist derzeit davon abzuraten, mehrere ständige ärztliche Vertreter ohne Beschränkung auf einen bestimmten Funktionsbereich des Fachgebiets zu benennen.

Eine Aufteilung der Funktionsbereiche auf mehrere ständige ärztliche Vertreter ist dagegen nicht zu beanstanden. Es ist daher denkbar, innerhalb einer radiologischen Abteilung mit verschiedenen Schwerpunktbereichen – Neuroradiologie, Kinderradiologie, kardiovaskuläre Bildgebung, interventionelle Radiologie, onkologische und abdominelle Bildegebung etc. – für jeden dieser voneinander abgrenzbaren Funktionsbereiche einen eigenen ständigen ärztlichen Vertreter zu benennen.

Bestehende Wahlleistungsvereinbarungen sollten daher überprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Dieser Rat gilt solange, bis der BGH die Frage höchstrichterlich entschieden hat.