In welchem Umfang dürfen niedergelassene ­Radiologen an Krankenhäusern tätig werden?

von RA Dr. Peter Wigge, Fachanwalt für Medizinrecht, Rechtsanwälte ­Wigge, Münster, www.ra-wigge.de

Seit Inkrafttreten des Vertragsarztrechtsänderungsgesetz (VÄndG) am 1. Januar 2007 haben die Möglichkeiten von niedergelassenen Radiologen, im Rahmen von Kooperations- und Anstellungsverträgen für ein Krankenhaus ­tätig zu werden, erheblich zugenommen. So ist seitdem zum Beispiel eine Anstellung als leitender Arzt in der radiologischen Abteilung des Kranken­hauses möglich. In dem Umfang, wie inzwischen eine organisatorische Vermischung zwischen ambulantem und stationärem Versorgungsbereich insbesondere in personeller Hinsicht zulässig ist, wurden jedoch die Anforderungen in zeitlicher Hinsicht an die Erfüllung des Versorgungsauftrages verschärft. Nachfolgend erfahren Sie, welche zeitlichen Anforderungen an die Erfüllung des Versorgungsauftrags geknüpft sind und welche weiteren Tätigkeiten der Vertragsarzt darüber hinaus in welchem zeitlichen Umfang ausüben darf. 

Zeitliche Vorgaben zur Erfüllung des Versorgungsauftrags

Unverändert geblieben sind die zeitlichen Vorschriften nach § 20 Abs. 1 Ärzte-Zulassungsverordnung (Ärzte-ZV), wonach derjenige zur Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit nicht geeignet ist, „der wegen eines Beschäftigungsverhältnisses oder wegen einer ­anderen nicht-ehrenamtlichen Tätigkeit für die Versorgung der Versicherten nicht in erforderlichem Maße zur Verfügung steht.“ Der ­Vertragsarzt muss deshalb bereit und in der Lage sein, die vertragsärztliche Tätigkeit – insbesondere durch Abhaltung von Sprechstunden – im üblichen Umfang aus­zuüben. 

Ein Vertragsarzt muss seine vertragsärztliche Tätigkeit gemäß § 19 a Abs. 1 Ärzte-ZV grundsätzlich vollzeitig ausüben. Dieser volle Versorgungsauftrag kann nach Absatz 2 auf die Hälfte beschränkt werden. In welchem Umfang jedoch ein voller und ein hälftiger Versorgungsauftrag auszuüben sind, bestimmt die Regelung in § 19 a Ärzte-ZV nicht. 

Dies ergibt sich sodann aus der Regelung in § 17 Abs. 1 a Sätze 1 und 2 BMV-Ä, wonach für den vollen Versorgungsauftrag in zeitlicher Hinsicht die Abhaltung von 20 Sprechstunden und für den hälftigen Versorgungsauftrag („Teilversorgungsauftrag“) 10 Sprechstunden wöchentlich anzubieten sind. 

BSG: Mindestens 26 Stunden für vertragsärztliche Tätigkeit

Allerdings hat das Bundessozial­gericht (BSG) in einer Entscheidung vom 13. Oktober 2010 (Az: B 6 KA 40/09 R) die Auffassung vertreten, dass zu den in § 17 a Abs. 1 BMV-Ä festgelegten Sprechstundenzeiten noch andere Tätigkeiten eines Vertragsarztes hinzuzurechnen sind. Nach Ansicht des BSG erschöpft sich die vertragsärztliche Tätigkeit nicht darin, dass der Arzt in den vorgegebenen 20 Stunden Sprechzeit zur Verfügung steht. 

Der Zeitaufwand des Vertragsarztes umfasse vielmehr neben den Sprechstunden auch die notwendige Zeit für Bereitschaft außerhalb der Sprechzeiten und den Notdienst. Darüber hinaus binde die vertragsärztliche Tätigkeit auch die Zeit für Verwaltung und Abrechnungen, sodass pro Woche ein Aufschlag zwischen 30 bis 50 Prozent für entsprechende Begleitleistungen erforderlich sei. 

Bezogen auf den vollen Versorgungsauftrag bedeutet dies, dass der Vertragsarzt für die vertragsärztliche Versorgung zwischen 26 und 30 Stunden zur Verfügung stehen muss, bei halbem Versorgungsauftrag 13 bis 15 Stunden. Die Tätigkeiten außerhalb der Mindestsprechzeiten müssen aber nicht zwingend am Vertragsarztsitz ausgeübt werden. 

Andere zeitliche Maßstäbe bei abhängiger Beschäftigung

Für angestellte Ärzte gilt diese Regelung hingegen nicht. In § 23 i Abs. 2 der Bedarfsplanungs-Richtlinie-Ärzte (BPlRi) ist geregelt, für die Feststellung des Versorgungsgrades genehmigte angestellte Ärzte mit dem Faktor 1 zu berücksichtigen, soweit sie vollbeschäftigt sind“. Dabei gilt für den Anrechnungsfaktor 1, dass der angestellte Arzt „über 30 Stunden pro Woche“ tätig sein muss. Von den Zulassungsgremien wird dies in der Genehmigungspraxis nach § 95 Abs. 7 SGB V dahin­gehend gehandhabt, dass eine Tätigkeit von mindestens 31 Stunden pro Woche für die „Vollbeschäftigung“ eines angestellten Arztes als ausreichend angesehen wird. Die Tätigkeit eines Vertragsarztes ist daher in zeitlicher Hinsicht anderen Maßstäben unterworfen als diejenige angestellter Ärzte oder anderer abhängig beschäftigter Personen. 

Für den Bereich der abhängigen Beschäftigung einer psychologischen Psychotherapeutin im Krankenhaus hat das BSG entschieden, dass neben einer vertragsärztlichen Zulassung mit vollem Versorgungsauftrag nur eine weitere Beschäftigung von nicht mehr als 13 Stunden wöchentlich ausgeübt werden darf (Urteil vom 30.1.2002, Az: B 6 KA 20/01 R). Wegen der Einbindung in die Arbeitsorganisation des Arbeitgebers und die besonderen Arbeits- und Tätigkeitspflichten sieht das BSG die Gefahr, dass der Vertragsarzt der Versorgung der gesetzlich krankenversicherten Patienten nicht mehr in ausreichendem Umfang zur Verfügung stehen kann, da ihm die Tätigkeit im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses gerade keine freie Arbeitseinteilung erlaubt. 

Anwendbar ist die 13-Stunden-Grenze ausschließlich auf originäre Dienstverhältnisse im Krankenhaus, die ein Vertragsarzt zum Beispiel als Chef- oder Oberarzt einer Krankenhausabteilung eingeht. Nicht davon erfasst sind Tätigkeiten, die ein Arzt neben der vertragsärztlichen Tätigkeit im Status des niedergelassenen Arztes ausüben kann. Dazu gehören 

  • die privatärztliche Tätigkeit,
  • die belegärztliche Tätigkeit nach §§ 38 – 41 BMV-Ä und §§ 30 – 34 EKV,
  • die Tätigkeit als Durchgangsarzt nach dem Vertrag Ärzte/Unfallversicherungsträger gemäß § 34 Abs. 3 SGB VII,
  • die Tätigkeit als Konsiliararzt gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KHEntgG.

Fazit

Für die Tätigkeit eines niedergelassenen Radiologen an einem Krankenhaus bestehen Vorgaben hinsichtlich der Erfüllung der Mindestsprechstundenzeiten in Höhe von 20 Stunden am Vertragsarztsitz. Darüber hinaus muss er der vertragsärztlichen Versorgung im Umfang von weiteren 6 bis 10 Stunden, ggf. auch anderen Standorten (zum Beispiel auch Zweigpraxis oder ausgelagerter Praxisteil), zur Verfügung stehen, um den Versorgungsauftrag in Vollzeit auszuüben. 

Für andere freiberufliche ärztliche Tätigkeiten – wie zum Beispiel die konsiliarärztliche Versorgung von stationären Patienten im Krankenhaus – unterliegt der Vertragsarzt demgegenüber keinen weiteren zeitlichen Begrenzungen nach oben. Selbst wenn ein niedergelassener Radiologe regelmäßig für ein Krankenhaus im Rahmen eines Konsiliararztvertrages 30 Stunden pro Woche tätig ist, verbleiben danach immer noch durchschnittlich mehr als 30 Stunden, in denen er am Standort seines Vertragsarztsitzes tätig werden kann. 

Insoweit ist festzuhalten, dass Grundlage der Berechnungen für eine vollzeitige Tätigkeit die übliche Arbeitszeit niedergelassener Vertragsärzte ist. Zu dem denkbaren zeitlichen Umfang der ärztlichen Tätigkeit niedergelassener Ärzte hat das BSG ausgeführt, dass Vertragsärzte ihre Praxistätigkeit „bekanntlich nicht gleichförmig in einem fixen zeitlichen Rahmen ausüben, sondern in sehr unterschiedlichem Umfang“. Daher ist eine Beschränkung auf ein Minimum an Arbeitsstunden (etwa wegen Kindererziehung oder aus anderen persönlichen Hinderungsgründen) ebenso denkbar wie Wochenarbeitszeiten bis zu 65 Stunden und mehr. 

Demgegenüber ist in den Fällen Vorsicht geboten, in denen niedergelassene Vertragsärzte im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses für ein Krankenhaus tätig sind. Hier darf als zeitliche Obergrenze die geforderte Arbeitszeit im Beschäftigungsverhältnis maximal ein Drittel der üblichen wöchentlichen Arbeitszeit, also ca. 13 Wochenstunden, ausmachen. Andernfalls erfüllt der betreffende Vertragsarzt seinen Versorgungsauftrag nicht in dem erforderlichen Umfang, sodass die zuständige KV Honorare zurückfordern oder auch die Zulassung entziehen kann. 

Praxishinweise und Ausblick

Vermeiden lassen sich diese zeitlichen Restriktionen zum Beispiel durch eine Teilzulassung nach § 19 a Abs. 2 Ärzte-ZV, durch die der Versorgungsauftrag auf die Hälfte reduziert wird. Denkbar ist auch die Umwandlung der Zulassung in eine Anstellung nach § 103 Abs. 4 a oder 4 b SGB V bei einem Arzt oder einem MVZ. Da auf einer Anstellung nach § 23 i Abs. 2 der Bedarfsplanungs-Richtlinie-Ärzte (BPlRi) bis zu vier Ärzte tätig werden dürfen (Faktor 0,25) kann daneben eine Tätigkeit in einem Krankenhaus als angestellter Arzt unter Umständen sogar in Vollzeit ausgeübt werden. 

Eine Lockerung dieser Zeitvorgaben für Vertragsärzte, die in einem Beschäftigungsverhältnis stehen, wird voraussichtlich das Versorgungsstrukturgesetz mit sich bringen. In dem aktuellen Regierungsentwurf ist eine entsprechende Änderung in § 20 Abs. 1 Satz 1 Ärzte-ZV vorgesehen. Die vertragsärztliche Berufsausübung soll dadurch flexibilisiert werden, dass die zeitlichen Grenzen für Nebenbeschäftigungen von Vertragsärzten (zum Beispiel in der stationären Versorgung) gelockert werden. Künftig soll eine Nebenbeschäftigung auch bei Überschreiten der aktuell von der Rechtsprechung entwickelten Zeitgrenzen möglich sein, solange der Vertragsarzt trotz der Arbeitszeiten in der Lage ist, den Patienten in einem dem Versorgungsauftrag entsprechenden Umfang zur Verfügung zu stehen.