Was ist meine Radiologenpraxis bzw. mein Anteil an der Praxis wert?

von RA und FA für MedR R. J. Gläser, Hammer & Partner, Bremen

Die Frage nach dem Praxiswert stellt sich heute kaum noch beim Verkauf einer radiologischen Einzelpraxis, dafür jedoch bei der Bewertung von Anteilen an radiologischen Berufsausübungsgemeinschaften (BAG) oder Medizinischen Versorgungszentren (MVZ). Dabei kommt einerseits den Regularien des Gesellschaftsvertrags eine erhebliche Bedeutung zu, zum anderen aber auch der Bewertungssituation: Ist der Anlass der Bewertung eine Gesellschafternachfolge oder erfolgt sie beispielsweise im Zusammenhang mit einem Zugewinnausgleichsverfahren wegen einer Ehescheidung?

Verschiedene Bewertungsmethoden 

Die eben genannten Faktoren spielen deshalb eine Rolle, weil es einen eindeutig zu definierenden objektiven Praxis- oder Unternehmenswert nicht gibt. Konkret ist eine Sache immer (nur) so viel wert, wie ein anderer bereit ist, dafür zu zahlen. Zwar gibt es eine Vielzahl von Bewertungsmethoden, die jede für sich in Anspruch nehmen, die allein maßgebliche zu sein. Letztlich bieten sie aber nur Anhaltspunkte für den Wert einer Praxis oder eines Gesellschaftsanteils.

Die Spanne reicht dabei von tradierten Faustformeln, wonach beispielsweise hinsichtlich des Goodwills einer Praxis oder eines Gesellschaftsanteils von einem drittel bis zu einem halben Jahresumsatz (anteilig) auszugehen sein soll, über die sogenannte neuere Bundesärztekammermethode bis hin zur sogenannten Ertragswertmethode, die sich bei Unternehmenskäufen im gewerblichen Bereich weitgehend durchgesetzt hat. Letztere wird jedoch nach wie vor weitgehend nicht bei der Übertragung von Gesellschaftsanteilen und Vertragsarztsitzen im niedergelassenen Bereich verwendet. Dies ist jedoch bei solchen Praxisstrukturen zweifelhaft und zu überdenken, die sich gewerblichen Verhältnissen annähern (schematisierte Organisationsabläufe, arbeitsteilige Einbeziehung nicht medizinischen Personals, hoher sachlicher Aufwand und damit insgesamt einhergehende weitgehende Anonymisierung der ärztlichen Tätigkeit).

Besonderheiten bei großen radiologischen Verbünden 

Große radiologische Berufsausübungsgemeinschaften (BAG) werden heute weniger denn je von der Persönlichkeit eines einzelnen „Praxisinhabers“ oder Mitgesellschafters geprägt als vielmehr von der „corporate identity“ der Praxis selbst. Dies wiederum hat weniger mit der Rechtsform der BAG zu tun, als mit ihrer Größe und Organisation.

„Personifiziert“ wird zwar der Wert des Gesellschaftsanteils am immateriellen Wert der Praxis (gemeinhin auch „Goodwill“ genannt) nach wie vor durch die dem einzelnen Gesellschafter persönlich verliehene vertragsärztliche Zulassung. Dies hat zur Folge, dass abgesehen von Sonderkonstellationen wie „Job-Sharing“, der Erbringung von Vertretungs- und rein privatärztlich zu liquidierenden Leistungen, der „Einstieg“ eines neuen Gesellschafters in eine bestehende radiologische Berufsausübungsgemeinschaft oder ein MVZ nur möglich ist, wenn gleichzeitig ein „Alt-Gesellschafter“ ausscheidet oder einen halben Vertragsarztsitz zur Nachbesetzung abgibt.

Praxiswertbestimmende Faktoren 

Damit stellt sich naturgemäß auch die Frage nach dem Wert des Gesellschaftsanteils (und damit umfasst auch des Vertragsarztsitzes, ggf. auch nur mit halbem Versorgungsauftrag). Die klassischen Bewertungsmethoden stellen diesbezüglich ausschließlich auf die Umsatz- und Gewinnverhältnisse der Vergangenheit ab sowie die Bewertung des Praxisinventars, während die Ertragswertmethode auf die zu prognostizierenden künftigen Erträge abstellt, die mit dem Erwerb des Unternehmens bzw. der Praxis oder des Gesellschaftsanteils hieran verbunden sind.

Eine entscheidende Bedeutung kommt dabei der Gewichtung der zu erwartenden „Verstetigung“ der künftigen Erträge zu. Dies wiederum ist genau der Aspekt, der bei Eintritt in eine größere Praxisstruktur, wie sie für große Radiologenpraxen und Verbünde typisch ist, gegeben ist.

Dabei sind – anders als beim klassischen Praxiskauf – nicht nur die bislang erzielten vertragsärztlichen und privatärztlichen Honorareinnahmen zu berücksichtigen, sondern typischerweise auch Erträge aus gegebenen Kooperationen mit anderen Leistungserbringern (soweit vertragsarztrechtlich zulässig – siehe § 128 SGB V). Dazu zählen insbesondere Kooperationsvereinbarungen mit Krankenhäusern. Die Erträge hieraus sind also, sofern vertraglich langfristig abgesichert, ebenfalls in die Leistungsbilanz der radiologischen Praxis aufzunehmen und dementsprechend auch dem Unternehmenswert unter Ertragswertgesichtspunkten zuzurechnen.

Dies führt konsequenterweise zu deutlich höheren Wertbemessungen als die traditionellen Bewertungsmethoden für Arztpraxen, die ausschließlich auf die (ggf. gewichteten) Umsatzerträge oder Gewinne aus unmittelbarer vertragsärztlicher Tätigkeit sowie Privatliquidationen abstellen.

Beispiel für Auswirkungen der verschiedenen Bewertungsmethoden 

Eine radiologische überörtliche BAG (ÜBAG) mit zwölf Gesellschaftern erzielt einen durchschnittlichen, verstetigten Jahresgewinn von 3 Mio. Euro (bei einer Kostenquote von etwa 80 Prozent), das Anlagevermögen ist überwiegend geleast.

Gesellschafter B scheidet aus und überträgt seinen Gesellschaftsanteil von 30 Prozent (die Gesellschafter sind mit unterschiedlichen Quoten beteiligt) nebst vertragsärztlicher Zulassung entweder auf Nachfolger X oder auch anteilig auf die verbleibenden Gesellschafter (welche dann zum Beispiel den Vertragsarztsitz von B mit einem angestellten Radiologen besetzen können). Die Gewinnbeteiligung ist so geregelt, dass jeder Gesellschafter für seine ärztliche Tätigkeit einen Gewinnvorab von 120.000 Euro erhält und der verbleibende Gewinn nach Gesellschaftsanteilen ausgeschüttet wird. Je nach Bewertungsmethode ergeben sich dann folgende Ergebnisse.

1. Gesellschaftswert nach Ertragswertmethode 

Überschussberechnung

 
Euro

Jahresüberschuss

3.000.000

./. Unternehmerlöhne(12 x 120.000)

1.440.000

Rohertrag

1.560.000

./. Ertragsteuern

624.000

Nachhaltig erzielbarer Überschuss

936.000

 

Je nach Abzinsungsfaktor und zugrunde gelegter Rentenphase (Bestandsdauer der ÜBAG) resultiert hieraus ein Gesellschaftswert von 4 bis 6 Mio. Euro und dementsprechend ein mit etwa 1,2 bis 1,8 Mio. Euro zu bewertender Gesellschaftsanteil.

2. Gesellschaftswert nach modifizierter Ertragswertmethode 

Unter Zugrundelegung der modifizierten Ertragswertmethode der Bundesärztekammer und der Annahme des größtmöglichen Verstetigungsfaktors 4 ergäbe sich im selben Fall ein Gesellschaftswert von rund 3,7 Millionen Euro und dementsprechend ein mit etwa 1,1 Mio. Euro zu bewertender Gesellschaftsanteil.

3. Gesellschaftswert nach konservativer Praxiswertmethode 

Unter Zugrundelegung konservativer Praxiswertmethoden, die allein auf die bisherigen Umsatz- und Gewinnverhältnisse abstellen und bei letzteren vom Rohertrag ohne Abzug eines Unternehmerlohns ausgehen, würde sich ein Gesamtgesellschaftswert von 1,5 Mio. Euro bis zu maximal 3 Mio. Euro ergeben und damit ein lediglich 0,45 bis 0,9 Mio. Euro zu bewerteter Gesellschaftsanteil des ausscheidenden Gesellschafters.

Fazit

Die Bewertungsmethoden führen also zu erheblich unterschiedlichen Ergebnissen. Das effektive Ergebnis regelt indessen der Markt, sofern die Übertragung der Gesellschaftsanteile auf einen Nachfolger erfolgt. Zu großen und potenziell durchaus existenzgefährdenden Problemen für die Gesellschaft bzw. die verbleibenden Gesellschafter führen allerdings vertraglich festgeschriebene Übernahmeverpflichtungen ohne klare Definition der Wertbemessung wie auch Wertschätzungen im Rahmen von Zugewinnausgleichsverfahren.

Es ist deshalb dringend anzuraten, beim Abschluss und der Revision von Gesellschaftsverträgen Abfindungsvereinbarungen vorzusehen, die unüberschaubare Belastungen der verbleibenden Gesellschafter vermeiden und die Gesellschafter darüber hinaus verpflichten, durch ehevertragliche Regelungen dafür zu sorgen, dass der Praxiswert im Rahmen eines etwaigen Zugewinnausgleichsverfahrens ausgeschlossen wird.