Wahlleistungsvereinbarung: Diese typischen Fehler können Sie vermeiden

von RA, FA für ArbeitsR und MedizinR Dr. Tilman Clausen, armedis Rechtsanwälte Hannover, www.armedis.de

Eine aktuelle Entscheidung des Landgerichts (LG) Stuttgart sorgt für Unruhe und viele Fragen (Urteil vom 04.05.2016, Az. 13 S 123/15 ). Es droht das unschöne Szenario, dass ärztliche Wahlleistungen zukünftig nicht mehr abgerechnet werden können oder bereits gezahlte Honorare für wahlärztliche Leistungen sogar zurückgefordert werden. Betroffene Ärzte und Krankenhäuser sollten deshalb prüfen, ob ihre Wahlleistungsvereinbarungen dem neuesten Stand entsprechen.

Der Fall 

In dem Fall vor dem LG Stuttgart ging es um die Wirksamkeit der von dem beteiligten Uniklinikum verwendeten Wahlleistungsvereinbarung. Über diese Vereinbarung hinaus erhielt die beklagte Patientin eine „Patienteninformation“. Da bereits bei der prästationären Behandlung klar war, dass der klagende (Krankenhaus-)Arzt die vorgesehene Operation aufgrund persönlicher Verhinderung nicht würde durchführen können, unterzeichnete sie außerdem eine individuelle Vertretungsvereinbarung.

Letztlich bezahlte die Patientin die erbrachten ärztlichen Leistungen nicht. Während die erste Instanz dem Arzt noch recht gab, wies das LG Stuttgart seine Zahlungsklage ab.

Die Entscheidungsgründe 

Zur Begründung verwiesen die Stuttgarter Richter auf den Wortlaut von § 17 Abs. 3 S. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG), auf den in einer Wahlleistungsvereinbarung ausdrücklich hingewiesen werden muss. In der Wahlleistungsvereinbarung des Uniklinikums war der KHEntgG-Hinweis auf „angestellte oder beamtete“ Ärzte nicht enthalten. Dadurch werde der Kreis der liquidationsberechtigten Ärzte unzulässig z. B. auch auf Honorarärzte erweitert. Dies habe jedoch der Bundesgerichtshof (BGH) verboten (Urteil vom 16.10.2014, Az. III ZR 85/14).

Wahlleistungsvereinbarung des Klinikums (Auszug)

Ausdrücklich wird nochmals darauf hingewiesen, dass sich die Vereinbarung über zusätzliche wahlärztliche Leistungen auf alle an der Behandlung beteiligten ärztlichen Direktoren/Ärzte, soweit diese zur Erbringung wahlärztlicher Leistungen berechtigt sind, einschließlich der von diesen Ärzten veranlassten Leistungen durch Ärzte und ärztlich geleitete Einrichtungen außerhalb des Klinikums erstreckt (Wahlarztkette nach § 17 Abs. 3 Krankenhausentgeltgesetz).

 

Weiche die Wahlleistungsvereinbarung vom Wortlaut des § 17 Abs. 3 S. 1 KHEntgG ab, sei sie nichtig. Dies führe auch zur Nichtigkeit des Behandlungsvertrags zwischen Wahlarzt und Patient (BGH, Urteil vom 19.02.1998, Az. III ZR 169/97). Wahlärzte könnten dann keine wahlärztlichen Leistungen mehr abrechnen, obwohl nicht sie selbst, sondern die Krankenhausträger für den Abschluss einer rechtswirksamen Vereinbarung verantwortlich sind. Zudem seien Rückforderungsansprüche für die Vergangenheit möglich.

Die Unwirksamkeit der Wahlleistungsvereinbarung hätte möglicherweise vermieden werden können, wenn die Patientin in der „Patienteninformation“ mit dem korrekten Text von § 17 Abs. 3 S. 1 KHEntgG wirksam unterrichtet worden wäre. Dazu hätte diese als separates Formular in die Wahlleistungsvereinbarung des Klinikums einbezogen werden müssen, wozu auch der aufklärende Mitarbeiter des Klinikums hätte unterschreiben müssen, weil das Gesetz die Schriftform verlangt. Diese Unterschrift fehlte, sodass der Mangel der Wahlleistungsvereinbarung hier nicht durch die „Patienteninformation“ geheilt werden konnte.

1. Folge für die Praxis: § 17 Abs. 3 S. 1 KHEntgG vollständig abdrucken 

Mit Wahlleistungen befasste Ärzte sollten sich – genau wie die Klinikleitungen – umgehend die Wahlleistungsvereinbarungen ansehen. Der Wortlaut von § 17 Abs. 3 S. 1 KHEntgG muss vollständig in der Wahlleistungsvereinbarung des Krankenhauses abgedruckt sein.

Fehlen einzelne Passagen des Gesetzestextes – z. B. der Zusatz der „angestellten oder beamteten“ Ärzte –, sollte die Vereinbarung umgehend ergänzt werden. Diese Maßnahme wirkt für die Zukunft, jedoch leider nicht für die Vergangenheit.

§ 17 Abs. 3 S. 1 KHEntgG (Wortlaut)

Eine Vereinbarung über wahlärztliche Leistungen erstreckt sich auf alle an der Behandlung des Patienten beteiligten angestellten oder beamteten Ärzte des Krankenhauses, soweit diese zur gesonderten Berechnung ihrer Leistungen im Rahmen der vollstationären und teilstationären sowie einer vor- und nachstationären Behandlung (§ 115a SGB V) berechtigt sind, einschließlich der von diesen Ärzten veranlassten Leistungen von Ärzten und ärztlich geleiteten Einrichtungen außerhalb des Krankenhauses; darauf ist in der Vereinbarung hinzuweisen.

 

Wurde bisher mit fehlerhaften Vereinbarungen gearbeitet, kann geprüft werden, ob der Mangel der Wahlleistungsvereinbarung jeweils dadurch geheilt worden ist, dass ihr eine rechtswirksame Patienteninformation nach § 17 Abs. 2 KHEntgG beigefügt wurde. Insofern ist der Text der jeweils betroffenen Wahlleistungsvereinbarung Satz für Satz zu prüfen – inklusive ihrer Anlagen.

2. Folge für die Praxis: Assistenzärzte müssen ausgenommen werden 

Eine Wahlarztvereinbarung ist ungültig, wenn sie die Formulierung enthält, nach der sich die Vereinbarung auf „alle an der Behandlung des Patienten beteiligten Ärzte des Krankenhauses“ erstreckt. Der Grund ist: Nach diesem Wortlaut könnte auch der Assistenzarzt wahlärztliche Leistungen abrechnen. Das aber ist nicht erlaubt (Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 17.01.2002, Az. 2 U 147/01).

3. Folge für die Praxis: Schriftform muss eingehalten werden 

Für die Wahlleistungsvereinbarung gilt die Schriftform (§ 126 Abs. 2 S. 1 Bürgerliches Gesetzbuch). Dies bedeutet: Der Inhalt der Wahlleistungsvereinbarung muss schriftlich fixiert und anschließend von dem Krankenhausträger und dem Privatpatienten unterschrieben werden. Der Patient muss schriftlich über die Entgelte und die Inhalte der Wahlleistungen informiert werden – so sieht es § 17 Abs. 2 KHEntgG vor (BGH, Urteil vom 04.11.2004, Az. III ZR 201/04).

Die Schriftform ist nicht gewahrt, wenn die Informationen nicht von demjenigen Mitarbeiter des Krankenhauses unterzeichnet sind, der den Patienten unterrichtet. Es reicht nicht aus, dass der Patient lediglich den Inhalt der Information bestätigt (s. LG Stuttgart, a.a.O.).

4. Folge für die Praxis: Patient über Entgelt informieren 

Während bei nicht-ärztlichen Wahlleistungen immer die täglich anfallenden Zuschläge genannt werden müssen, ist dies bei ärztlichen Wahlleistungen nicht erforderlich. Es reicht aus, wenn über die Art und Weise des Zustandekommens der Preise unterrichtet wird, da bei ärztlichen Wahlleistungen die Kosten der Behandlung zumeist erst am Ende des stationären Aufenthalts feststehen. Folgendes muss aber in der Vereinbarung mindestens enthalten sein:

  • Die wahlärztliche Leistung muss kurz charakterisiert werden. Dabei muss zum Ausdruck kommen, dass zum einen die persönliche Behandlung durch die liquidationsberechtigten Ärzte sichergestellt werden soll und zum anderen der Patient auch ohne Wahlleistungsvereinbarung durch hinreichend qualifizierte Ärzte medizinisch versorgt wird.
  • Die Preisermittlung nach der GOÄ bzw. GOZ ist kurz zu erläutern. Der Patient soll verstehen, wie das Abrechnungssystem grob funktioniert. Zu erwähnen ist auch die Pflicht zur Honorarminderung nach § 6a GOÄ.
  • Es muss darauf hingewiesen werden, dass die Vereinbarung wahlärztlicher Leistungen eine erhebliche finanzielle Mehrbelastung bewirken kann und dass der Patient die GOÄ bzw. GOZ einsehen kann.
  • Deutlich werden muss, dass sich die Vereinbarung wahlärztlicher Leistungen auf alle in § 17 Abs. 3 S. 1 KHEntgG genannten Ärzte erstreckt.

DKG-Muster reicht aus

Die Frage, welchen Inhalt die Unterrichtung des Patienten über die Wahlleistungsentgelte im Einzelnen haben muss, ist vonseiten des BGH in mehreren Urteilen geklärt worden, z. B. Urteil vom 27.11.2003 (Az. III ZR 37/03), vom 08.01.2004 (Az. III ZR 375/02), vom 22.07.2004 (Az. III ZR 355/03) und vom 04.11.2004 (Az. III ZR 201/04).

In der Entscheidung vom 04.11.2004 hat sich der BGH mit dem Muster der Patienteninformation der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) befasst und die Auffassung vertreten, dass dieses Formular ausreicht, um wirksam über die Entgelte der ärztlichen Wahlleistungen zu informieren.

 

5. Folge für die Praxis: Ständigen ärztlichen Vertreter benennen 

Nach § 4 Abs. 2 S. 3 und 4 GOÄ können die dort genannten wahlärztlichen Leistungen – unter den im Gesetz genannten Voraussetzungen – auch abgerechnet werden, wenn sie durch den ständigen ärztlichen Vertreter des Wahlarztes oder unter dessen Aufsicht nach fachlicher Weisung erbracht worden sind.

Hierzu muss der ständige Vertreter in der Vereinbarung benannt werden. Es muss dem Patienten klar sein, wer ihn anstelle des Wahlarztes behandelt – und zwar bevor er die Wahlleistungsvereinbarung unterschreibt (BGH, Urteil vom 20.12.2007, Az. III ZR 144/07). So kann es zu Beweisschwierigkeiten kommen, wenn der ständige Vertreter nur in einer Anlage benannt ist.

Nach § 4 Abs. 2 S. 3 und 4, § 5 Abs. 5 GOÄ ist nur ein einziger ständiger Vertreter pro Wahlarzt zulässig. Der Zuständigkeitsbereich des Wahlarztes kann aber unter mehreren ständigen Vertretern aufgeteilt werden (Oberlandesgericht Celle, Urteile vom 15.06.2015, Az. 1 U 97/14 und 1 U 98/14). Diese Aufteilung muss transparent sein, d. h.: Der Patient muss bei Abschluss der Wahlleistungsvereinbarung erkennen können, welcher ständige ärztliche Vertreter im Vertretungsfall für ihn zuständig ist (siehe dazu auch schon RWF Nr. 4/2014).

6. Folge für die Praxis: Wer bezahlt die Rückforderungsansprüche? 

Erheben Kostenträger Ansprüche auf Rückzahlung, fragt sich, wer diese bedienen muss:

  • Bei Chefärzten mit Liquidationsrecht muss der Träger dafür sorgen, dass sie dieses Recht auch ausüben können. Ist die Wahlleistungsvereinbarung unwirksam, besteht daher grundsätzlich ein Regressanspruch des Chefarztes gegenüber dem Krankenhausträger aus der arbeitsrechtlichen bzw. beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht des Krankenhausträgers (z. B. LG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 09.11.2005, Az. 10 Sa 212/05).
  • Bei Chefärzten, die eine Beteiligungsvergütung bekommen, müssten die Rückforderungsansprüche an den Krankenhausträger adressiert werden. (Höchst-)Richterlich ist diese Frage noch nicht entscheiden. Aber auch hier erscheint ein Regressanspruch des Chefarztes denkbar.

Weiterführender Hinweis

  • Unter rwf-online.de finden Sie im Downloadbereich folgende Dokumente zur Wahlleistungsvereinbarung zum Herunterladen:

Dieses Muster bietet Ihnen Anhaltspunkte dafür, wie eine rechtssichere Wahlleistungsvereinbarung gestaltet werden kann.