Von der Klinik in die Niederlassung (Teil 1): Praxis suchen und gut verhandeln

von RA und FA für Medizinrecht Rainer Hellweg, Hannover, www.armedis.de 

Viele Krankenhausärzte wählen früher oder später den Weg in die Niederlassung. Zunächst stellt sich für den wechselwilligen Arzt die Frage, wie er an einen Arztsitz kommt. In gesperrten Planungsbereichen – das sind auch bei Radiologen die meisten – muss er dann eine bestehende Praxis finden, die er übernehmen oder in die er mit einsteigen kann. Wie sollte er diese Suche angehen und was muss er bei der Vertragsverhandlung beachten?

Wie kann eine geeignete Praxis gefunden werden? 

Zum einen gibt es zahlreiche Praxisbörsen, in denen Inserate aufgegeben oder nach Assistenten oder Nachfolgern gesucht werden kann. Solche Börsen offerieren Ärztekammern, Fachverbände und private Anbieter. Die Kammerbezirke Nordrhein und Westfalen-Lippe betreiben etwa mit kvboerse.de ein Portal für Praxis, Geräte und Personal. Zum anderen lohnt sich auch ein Blick in Ärztezeitschriften. Dort finden sich regelmäßig Inserate, in denen Praxisinhaber Nachfolger suchen.

Beziehungen spielen lassen und Kontakte knüpfen 

Häufig noch lohnenswerter als ein Blick in Zeitschriften oder Praxisbörsen ist es, sich im Kollegenkreis umzuhören: Falls der Krankenhaus-Radiologe durch seine Tätigkeit in der Klinik schon Kontakt mit niedergelassenen Kollegen hat, sollten diese intensiviert werden. Vielleicht gelingt es ja, das Thema Niederlassung und freie Praxissitze beiläufig anzuschneiden. Eine gute Gelegenheit bieten auch Fortbildungen, an denen auch Niedergelassene teilnehmen.

Praxishinweise

Fallls Sie sich mit dem Gedanken tragen, sich niederzulassen, sollten Sie versuchen, einen umfassenden Überblick über alle verfügbaren Praxissitze Ihrer Region zu bekommen, bevor Sie konkrete Verhandlungen aufnehmen. Dabei sollten Sie darauf achten, dass Ihr Vorhaben, in die Niederlassung zu gehen, nicht in der Klinik „breitgetreten“ wird. Es ist aber keinesfalls ratsam – etwa aus übergroßer Vorsicht vor neugierigen Ohren –, sich nicht umzuhören und die erstbeste Niederlassungsmöglichkeit wahrzunehmen, ohne Alternativen zu prüfen. Wie auch in anderen Fällen gilt hier die Devise: Wer gut verhandeln will, muss den Marktüberblick haben!

 

Rechtzeitige Finanzierung und steuerliche Aspekte klären 

Bevor der niederlassungswillige Arzt konkrete Verhandlungen über eine Praxisübernahme aufnimmt, sollte er seine „Schmerzgrenze“ beim Kaufpreis bestimmen. Für Finanzierungsfragen sollte er frühzeitig seine Hausbank – besser: mehrere Banken – einschalten. Hierfür ist ein erheblicher zeitlicher Vorlauf einzuplanen – zumal in der Radiologie die Kaufpreise für Praxen bzw. eines Praxisanteils aufgrund der teuren Geräte naturgemäß sehr hoch sind. Auch der Steuerberater sollte frühzeitig einbezogen werden – etwa für die Planung des richtigen Zeitpunkts der Praxisübernahme.

Um solche Beratungsleistungen in Anspruch zu nehmen, muss der Arzt meist finanziell in Vorleistung treten. Misslich: Der Praxisverkäufer kann bis zur Unterzeichnung noch vom Vertrag zurücktreten. Selbst bei vermeintlich grundlosem Abbruch der Verhandlungen durch den Verkäufer besteht kein Anspruch auf Schadenersatz, wie ein Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Naumburg vom 16. Januar 2014 zeigt (Az. 1 U 54/13). Dabei ging es um Chirurgen, das Urteil ist aber auf alle Fachgruppen übertragbar.

Praxisfall: Scheitern eines Praxiskaufs wegen unerwarteter Absage 

Der vom OLG Naumburg entschiedene Fall zeigt sehr anschaulich, was man bei der Verhandlung über den Kauf einer Praxis beachten sollte: Drei Oberärzte wollten die Praxis eines niedergelassenen Chirurgen übernehmen. Dieser führte die Verhandlungen mit einem der drei Oberärzte. Auf die entsprechenden Anträge der drei Oberärzte hin wurde die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung erteilt – unter der Bedingung, dass der praxisabgebende Chirurg wirksam auf seine Zulassung verzichtet.

Anschließend wurden konkrete Verhandlungen über den Kaufpreis aufgenommen und ein avisierter Übergabetermin vereinbart, selbst Gespräche mit den Praxismitarbeiterinnen wurden schon geführt. Da man sich letztlich aber doch nicht einigen konnte, erklärte der Chirurg gegenüber dem Zulassungsausschuss, dass er nicht auf seine Zulassung verzichtet.

Einer der Oberärzte verklagte daraufhin den niedergelassenen Chirurgen auf Schadenersatz. Wegen entgangener Vergütung und Verdienstausfall in der Klinik sowie gezahlter Gerichts- und Rechtsanwaltskosten ging es um knapp 70.000 Euro. Die Oberärzte warfen dem Chirurgen vor, dass er die abschlussreifen Verhandlungen völlig überraschend und ohne Grund abgebrochen habe

Urteil: Praxiskaufvertrag fehlte – daher kein Schadenersatzanpruch 

Das OLG Naumburg wies die Klage ab. Ein Praxiskaufvertrag sei zu keinem Zeitpunkt zustande gekommen, es sei über wesentliche Punkte keine abschließende Einigung erzielt worden. Zwar hatte der Oberarzt im Prozess behauptet, über den Kaufpreis sei man sich letztlich einig gewesen. Das Gericht stellte jedoch darauf ab, dass zumindest über die Abwicklung der Patientenkartei noch keine Absprache erfolgt sei, was aber einen Kernpunkt für einen Praxiskaufvertrag darstelle. Insgesamt seien die Verhandlungen noch nicht hinreichend konkret geworden, um aus deren Abbruch eine Schadenersatzpflicht herzuleiten.

Verhandlungsführung 

Der Krankenhaus-Radiologe sollte im ersten Gespräch mit dem Praxisabgeber nicht vorschnell die Frage nach dem Preis stellen – obwohl dies natürlich ein entscheidender Gesichtspunkt ist. Es besteht nämlich die Gefahr, dass allzu früh eine festgefahrene Verhandlungsposition entsteht, von der dann keine Abweichung mehr möglich ist. In keinem Fall sollte der Arzt ein Kaufpreisangebot des Praxisverkäufers sofort annehmen. Dies gilt auch dann, wenn die „Schmerzgrenze“ des übernahmewilligen Arztes noch nicht erreicht ist. Selbst wenn nämlich der Praxisabgeber erklärt, dies sei „sein letztes Wort“, besteht häufig noch Verhandlungsspielraum – je nach Situation des Abgebers.

Selbst bei der Vorlage eines Praxiswertgutachtens durch den Verkäufer ist der Preis nicht in Stein gemeißelt, denn ein solches Gutachten hantiert immer mit Ermessen bei der Findung des Kaufpreises – etwa bei den künftigen Erträgen, die mit der Praxis erzielt werden können. Daher kann auch ein Praxiswertgutachten allenfalls eine Basis für weitere Verhandlungen sein. Für den Praxiskäufer gilt die Devise: Möglichst solange mehrgleisig planen, bis der Kaufvertrag rechtsgültig unterschrieben ist!

Weiterführender Hinweis

  • Teil 2 der Serie „Von der Klinik in die Niederlassung “ schildert, wie Sie an eine Zulassung gelangen und welche Tücken des Praxiswert-Gutachtens Sie kennen sollten.