Videoüberwachung in der Arztpraxis – sinnvoll und zulässig?

von Rechtsanwältin Rosemarie Sailer, LL.M., Fachanwältin für Medizinrecht, Wienke & Becker, Köln, www.Kanzlei-WBK.de 

Ein besonderes Sicherheitsbedürfnis – etwa Sorge vor Diebstahl, Randale oder Sachbeschädigung – lässt in dem einen oder anderen Praxisinhaber die Überlegung reifen, bestimmte Bereiche der Praxis mit Überwachungskameras auszustatten. Auf öffentlichen Plätzen, Bahnhöfen oder in Gebäuden ist eine solche Überwachung schließlich gang und gäbe und stört niemanden mehr. Bei dem Gedanken, beim Besuch in der Radiologiepraxis gefilmt zu werden, dürfte es vielen Patienten jedoch anders ergehen. Zu fragen ist deshalb, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Videoüberwachung in Arztpraxen zulässig ist und welche Grundsätze in Bezug auf den Schutz von Patienten und Angestellten gelten.

Videoüberwachung berührt Rechte von Personal und Patienten 

Bei der Videoüberwachung entstehen hochsensible Daten, die je nach Art der Überwachung aufgezeichnet und gespeichert werden. Grundsätzlich hat aber jeder von uns eine Art „Datenschutz-Grundrecht“, das sogenannte Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das es uns erlaubt, selbst über die Verwendung und Preisgabe unserer personenbezogenen Daten zu bestimmen. Die Videoüberwachung greift damit in die Rechte der Patienten ein, die die Arztpraxis aufsuchen. Aber auch die Rechte der Praxismitarbeiter werden berührt, wenn sie bei ihrer beruflichen Tätigkeit gefilmt werden. Da hier hochrangige Rechte betroffen sind, ist bei der Videoüberwachung stets eine genaue Zulässigkeitsprüfung vorzunehmen und die betroffenen Rechte und der mit der Videoüberwachung verfolgte Zweck sind gegeneinander abzuwägen.

Das Bundesdatenschutzgesetz legt ausdrücklich fest, unter welchen Voraussetzungen die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit Überwachungskameras zulässig ist. Zu öffentlichen Räumen zählen etwa auch die Eingangshallen, Flure etc. von Krankenhäusern, da diese grundsätzlich von jedermann aufgesucht werden können. Selbst wenn es möglich ist, radiologische Praxen auch ohne Ankündigung zu betreten, um etwa einen Termin zu vereinbaren, zählen diese jedoch nicht zu den öffentlichen Räumen, sondern sind eindeutig dem privaten Bereich zuzuordnen. In diesen nicht öffentlichen Räumen ist eine Überwachung durch Videokameras gesetzlich nicht vorgesehen, was jedoch nicht bedeutet, dass dort eine Überwachung von vornherein und generell unzulässig ist.

Keine Überwachung im Behandlungs- bzw. Untersuchungszimmer 

Die Videoüberwachung in hochsensiblen Bereichen wie Behandlungszimmern ist nur in absoluten Ausnahmefällen denkbar, es sei denn, die Betroffenen erklären sich ausdrücklich damit einverstanden. Bei der Beurteilung der Frage, ob die Voraussetzungen für eine Videoüberwachung vorliegen, ist ein strenger Maßstab anzulegen. Einen solchen Sonderfall kann etwa die Bildübertragung aus dem Aufwachraum in einen anderen Raum zur Beobachtung darstellen, die notwendigerweise der lückenlosen Überwachung und damit der Gesundheit des Patienten dient. Allein die Möglichkeit, dass teure Geräte wie CT und MRT beschädigt werden könnten, reicht nicht aus, um Kameras im Untersuchungsraum anzubringen.

Videoüberwachung im Rezeptionsbereich 

Das Anbringen von Kameras im Bereich der Rezeption, des Wartezimmers oder des Eingangsbereichs ist grundsätzlich denkbar, muss jedoch einem konkreten, vorher schriftlich festgelegten Zweck dienen. Ein solcher Zweck kann zum Beispiel die Verhinderung bzw. Aufklärung von Straftaten, etwa Diebstahl oder Beschädigung von Praxiseigentum sein. Allerdings ist hier immer zwischen dem Interesse des Praxisinhabers an der Aufklärung solcher Straftaten und dem Eingriff in die Rechte der Mitarbeiter und Patienten abzuwägen, sodass eine Videoüberwachung zu diesem Zweck nur dann zulässig ist, wenn keine anderen geeigneten Mittel zur Vermeidung bzw. Aufklärung der Straftaten zur Verfügung stehen. Auf eine solche Videoüberwachung sind Mitarbeiter und Patienten in geeigneter Weise, etwa durch Anbringen eines deutlichen Hinweisschildes, aufmerksam zu machen, um ihnen die Möglichkeit zu geben, sich durch Aufsuchen einer anderen Praxis der Beobachtung zu entziehen.

Überwachung der Praxismitarbeiter 

Immer wieder in den Fokus der allgemeinen Aufmerksamkeit gerät die Frage, ob Mitarbeiter heimlich bei der Arbeit gefilmt werden dürfen. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat hierzu in seinem Urteil vom 21. Juni 2012 (Az. 2 AZR 153/11) ausdrücklich Stellung genommen und entschieden, dass eine verdeckte Mitarbeiterüberwachung zulässig sein kann, wenn drei Voraussetzungen gleichzeitig erfüllt sind:

  • Es muss der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zulasten des Arbeitgebers bestehen (Diebstahl etc.),
  • es müssen weniger einschneidende Mittel zur Aufklärung des Verdachts ergebnislos ausgeschöpft worden sein, die verdeckte Videoüberwachung damit praktisch das einzig verbleibende Mittel darstellen und
  • die Videoüberwachung darf insgesamt nicht unverhältnismäßig sein.

Weiterhin muss sich der Verdacht gegen einen zumindest räumlich und funktionell abgrenzbaren Kreis von Arbeitnehmern richten; ferner darf es sich nicht nur um einen allgemeinen Verdacht handeln, es könnten überhaupt Straftaten begangen werden. Insgesamt sind der heimlichen Videoüberwachung von Mitarbeitern daher sehr enge Grenzen gesetzt, sodass diese nur in absoluten Ausnahmefällen angewendet werden darf.

Ergebnisse für die Praxis 

Grundsätzlich ist es Praxisinhabern nicht verwehrt, Videokameras im Eingangs- bzw. Wartebereich ihrer Praxis anzubringen, wenn sie einen triftigen Grund für die Überwachung haben. In jedem Fall sind Patienten und Mitarbeiter über die Überwachung zu informieren. Da hier hochrangige und sensible Rechte sowohl von Patienten als auch Praxisangestellten berührt werden, ist jedoch stets sorgfältig abzuwägen und im Einzelfall zu entscheiden, ob eine Videoüberwachung gerechtfertigt ist. Die Aufzeichnung von Videomaterial ist auch nur so lange erlaubt, wie sie zu Aufklärungs- und Nachweiszwecken erforderlich ist. Anschließend sind die Aufzeichnungen sofort zu löschen. Tonaufnahmen sind generell strafrechtlich untersagt und dürfen daher unter keinen Umständen gefertigt werden.

Fazit

Generell sollte gerade in sensiblen Bereichen wie Arztpraxen auch bei Vorliegen einer Rechtfertigung zurückhaltend mit dem Thema Videoüberwachung umgegangen werden. Hierbei ist insbesondere auch der abschreckende Effekt auf die Patienten zu berücksichtigen. Die Videoüberwachung in Arztpraxen sollte daher absoluten Ausnahmefällen vorbehalten bleiben.