Verdecktes Anstellungsverhältnis: Honorarrückforderung der KV erfolgte zu Recht

von Rechtsanwältin Ina Schwar, Kanzlei am Ärztehaus, Frehse Mack Vogelsang, Münster, www.kanzlei-am-aerztehaus.de

Welche Anforderungen sind an eine „echte“ Gemeinschaftspraxis zu stellen und unter welchen Voraussetzungen ist trotz formell eingeräumter Gesellschafterstellung eines Arztes tatsächlich eine verdeckte Anstellung anzunehmen? Zu dieser Frage hat das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG NSB) am 17. Dezember 2008 ein Grundsatzurteil gefällt (Az: L 3 KA 316/04). Demnach ist ein Rückforderungsbescheid, der eine sachlich-rechnerische Berichtigung und eine darauf beruhende Honorarrückforderung zum Gegenstand hat, rechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Abrechnung durch eine Gemeinschaftspraxis erfolgt, in der einer der dort tätigen Ärzte nach den tatsächlichen Gegebenheiten nur zum Schein als Gesellschafter eingebunden ist. 

Der Fall

Im Urteilsfall hatte ein Arzt im Jahr 1996 mit einer radiologischen Gemeinschaftspraxis einen „Kooperationsvertrag“ zur Zusammenarbeit „als frei praktizierende Vertragsärzte“ geschlossen. Nach dem Wortlaut des Vertrages war der „freie Mitarbeiter“ jedoch „nicht Mitunternehmer an der Betriebsstätte“ (Anlagevermögen und ideeller Praxiswert). Zugleich wurde vereinbart, es werde „kein Anstellungsverhältnis begründet“. Das freie Mitarbeiterverhältnis sei „als Probezeit gedacht“, nach deren Ablauf eine partnerschaftliche Einbindung erfolgen sollte. 

Der Vertrag sah „eine regelmäßige Vergütung pro Arbeitswoche in Höhe von 2.348 DM zuzüglich einer sogenannten Karenzentschädigung von zunächst 1.304 DM vor (später 1.565 DM). Aus den im Verfahren ebenfalls vorliegenden Gesellschafterbeschlüssen und Schriftverkehr der Gesellschafter war ersichtlich, dass der betreffende Arzt im streitgegenständlichen Zeitraum an Gesellschafterversammlungen nicht teilnahm und zudem seine Teilnahme an einem Arbeitsessen nicht für sinnvoll gehalten wurde, da dort „über geschäftliche Dinge zu reden sein werde, die allein Sache der Gesellschafter seien“. 

Der zuständige Zulassungsausschuss hatte im Jahr 1996 auf Antrag der Beteiligten die gemeinsame Berufsausübung in einer Gemeinschaftspraxis genehmigt. Zu einer partnerschaftlichen Einbindung des Arztes in die Gemeinschaftspraxis ist es in der Folgezeit nicht gekommen. 

Im Jahr 2001 hob die KV die Honorarbescheide der Gemeinschaftspraxis für die Quartale IV/1996 bis I/2001 auf und forderte für diesen Zeitraum Honorare in Höhe von insgesamt 1.785.153 DM (880.578 Euro) zurück, da die Genehmigung der Gemeinschaftspraxis durch bewusst unwahre Angaben über die gesellschaftsrechtliche Beteiligung an und freiberufliche Tätigkeit in der Gemeinschaftspraxis erlangt worden sei. 

Kriterien für das Vorliegen einer „echten“ Gemeinschaftspraxis

Die Klage gegen die Honorarrückforderung hatte in erster Instanz vor dem Sozialgericht Hannover noch Erfolg. Das LSG NSB hob diese Entscheidung aber auf und entschied, dass der angefochtene Rückforderungsbescheid nicht zu beanstanden ist. Die Honorarbescheide für die betreffenden Quartale seien zu Recht (teilweise) aufgehoben und das Honorar zu Recht neu festgesetzt worden. Zwar habe die Gemeinschaftspraxis vorliegend entsprechend den Vorgaben des EBM abgerechnet und der Zulassungsausschuss die formal bestehende Gemeinschaftspraxis genehmigt. Die zuständige KV müsse deshalb bei der Abrechnung der ärztlichen Leistungen jedoch nicht zwingend davon ausgehen, dass es sich um Leistungen einer Gemeinschaftspraxis handelt. 

Für die inhaltliche Abgrenzung, ob ein verdecktes Anstellungsverhältnis vorliegt, sei eine Gesamtschau aller relevanten Umstände anzustellen. Bewertet hat das LSG im Wesentlichen folgende Kriterien: 

1. Gemeinsame Ausübung der ärztlichen Tätigkeit

Das Bundessozialgericht (BSG) habe, so die Richter, bereits wiederholt entschieden, dass eine Gemeinschaftspraxis nur bestehe, wenn eine Genehmigung nach § 33 Abs. 2 Ärzte-Zulassungsverordnung vorliege, sich die Vertragsärzte zur gemeinsamen Ausübung der ärztlichen Tätigkeit verpflichtet hätten und diese auch tatsächlich gemeinsam ausüben. Dies gelte auch für die rechtliche Anerkennung von Honorarforderungen. Die KV sei daher berechtigt, die Honorarabrechnung der Ärzte im Rahmen einer sachlich-rechnerischen Berichtigung nachträglich zu korrigieren und überzahltes Honorar zurückzufordern. 

Dies gelte beispielsweise, wenn nach außen hin eine Gemeinschaftspraxis mit entsprechender Genehmigung betrieben werde, diese aber nicht hätte erteilt werden oder hätte widerrufen werden müssen, weil eine gemeinsame Berufsausübung nie gewollt war oder später nicht mehr realisiert worden sei. Nach Auffassung des LSG NSB lag ein solcher Fall hier vor. Der vermeintliche „Partner“ sei tatsächlich als angestellter Arzt tätig gewesen. 

2. Mitwirkung an der Geschäftsführung

Dem betreffenden Arzt waren vorliegend keine Mitwirkungsmöglichkeiten an den zentralen, die Struktur der Praxis bestimmenden Entscheidungen eingeräumt worden. Zudem sei auch seine Aufnahme in die Gesellschaft lediglich eine Option gewesen, die tatsächlich nicht umgesetzt wurde. Bei keiner der Gesellschafterversammlungen der anderen Ärzte war er anwesend und von jeglicher Maßnahme der Geschäftsführung ausgeschlossen. 

Durch die Regelungen des Kooperationsvertrages wurde ihm weder eine Gewinnbeteiligung an den Erträgen noch eine Beteiligung an etwaigen Verlusten der Praxis eingeräumt. Er bezog vielmehr ein Festgehalt, das auch bei Verlusten der GbR zu zahlen war und ihn deshalb von unternehmerischen Risiken freistellte – nach Ansicht der Richter ein entscheidendes Indiz für eine Angestelltentätigkeit. 

3. Vermögensbeteiligung

Auch eine Beteiligung des Arztes am Vermögen der Gemeinschaftspraxis habe zu keiner Zeit vorgelegen, zumal vertraglich ausdrücklich geregelt war, der freie Mitarbeiter erwerbe zwar im Außenverhältnis den Gemeinschaftspraxis-Anteil eines ausscheidenden, früheren Partners, er könne jedoch „hieraus (…) keine Rechte herleiten“ und erwerbe „dadurch weder Gesellschaftsanteile noch Rechte oder Anwartschaften“. Damit ist nach Auffassung des Gerichts vereinbart worden, dass nach außen nur der Schein einer Beteiligung erweckt werden sollte, ohne dies tatsächlich umsetzen zu wollen. 

Bewusste Irreführung des ­Zulassungsausschusses

Den beteiligten Ärzten sei auch ein Verschulden zur Last zu legen, da diese wissen mussten, dass lediglich eine Schein-Gemeinschaftspraxis vorlag und der betreffende Arzt tatsächlich als Angestellter in die Praxis einbezogen worden sei. Dies folge bereits aus einer weiteren Abrede des Vertrages, wonach ein gegebenenfalls dem Zulassungsausschuss vorzulegender Vertrag „zwischen den Vertragsparteien keine eigene Rechtswirkung“ entfalte. Dies spreche nachdrücklich für eine mit dem Ziel der Irreführung des Zulassungsausschusses bzw. der KV erfolgte Vertragsgestaltung. 

Fazit

Gerade im Hinblick auf den hohen Wert radiologischer Praxen besteht in der Praxis häufig der nachvollziehbare Wunsch aller Beteiligten, durch Vereinbarung einer „Erprobungsphase“ die gemeinsame Berufsausübung zunächst zu testen und den neu hinzutretenden Partner noch nicht vollumfänglich einzubinden – und ihn insbesondere nicht am Gesellschaftsvermögen zu beteiligen. Die vorliegende Entscheidung macht nochmals deutlich, dass entsprechende Vertragsgestaltungen sorgfältig abzuwägen und in jedem Fall anhand der aufgezeigten Bewertungskriterien kritisch zu prüfen sind. Dabei ist weniger auf punktuelle Regelungen als vielmehr darauf zu achten, dass bei einer Gesamtschau des Vertrages nicht der Eindruck einer Schein-Gemeinschaftspraxis entsteht. 

Der verhandelte Fall macht die möglichen gravierenden Konsequenzen eines verdeckten Anstellungsverhältnisses deutlich – hier eine Honorarrückforderung in Höhe von etwa 880.000 Euro. Daher sollte bereits bei der Erstellung entsprechender Verträge qualifizierter, rechtlicher Rat eingeholt und die vertraglichen Regelungen sorgfältig geprüft werden. Bei Bejahung einer verdeckten Anstellung droht nämlich nicht allein der formelle Widerruf der Genehmigung oder eine nachträgliche Forderung von Sozialversicherungsbeiträgen, sondern – wie hier – insbesondere auch eine nachträgliche Honorarrückforderung.