Strahlenschutz in der Radiologie: Rechtliche Vorgaben und Hinweise

von Rechtsanwältin, Fachanwältin für Medizinrecht Prof. Dr. Birgit Schröder, Hamburg

In der Röntgendiagnostik und Nuklearmedizin kommt ionisierende Strahlung zum Einsatz. Dabei wird versucht, die Belastungen möglichst gering zu halten und die Gefährdungen zu minimieren.

Grundsätze des Strahlenschutzes

Jede radiologische und nuklearmedizinische Untersuchung setzt eine rechtfertigende Indikation voraus, die der durchführende Arzt stellen muss. Die Untersuchung muss indiziert und gerechtfertigt sein. Es müssen dabei Nutzen und Risiko individuell abgewogen werden. Die wichtigsten Grundsätze des Strahlenschutzes sind

  • die Notwendigkeit der Untersuchung,
  • die Optimierung der Aufnahmetechnik und
  • die Überwachung individueller Dosisgrenzwerte.

Röntgen oder Computertomografie: Der Strahlenschutz ist für medizinisches Personal und Patienten essenziell. Um diesen Schutz effektiv zu gewährleisten gibt es Vorschriften, die u. a. regeln, dass Strahlendosen digital dokumentiert werden müssen und welche Vorkommnisse meldepflichtig sind.

Der rechtliche Rahmen

Das Strahlenschutzgesetz verfolgt das Ziel, umfassenden Schutz vor schädlicher Strahlung in der Medizin zu gewährleisten. Dazu gehören Maßnahmen, um Personen, Sachgüter und die Umwelt vor den Gefahren ionisierender Strahlung zu schützen. Ergänzt wird das Strahlenschutzgesetz durch die Strahlenschutzverordnung.

Strahlenschutzgesetz

Das Strahlenschutzgesetz (StrlSchG) geht auf die Richtlinie 2013/59/Euratom zurück und fasst zudem Vorgaben aus der Strahlenschutzverordnung von 2001, der ehemaligen Röntgenverordnung und dem außer Kraft getretenen Strahlenschutzvorsorgegesetz zusammen.

Strahlenschutzverordnung

Weitere Rechtsverordnungen konkretisieren die Bestimmungen des Strahlenschutzgesetzes, u. a. die Strahlenschutzverordnung (StrlSchV).

Um die in der Strahlenschutzverordnung vorgeschriebenen Dokumentationspflichten erfüllen zu können, müssen die verabreichten Dosen digital dokumentiert werden. Damit soll erreicht werden, dass Vorkommnisse – zum Schutz der Patienten – schneller gemeldet und einfacher nachvollzogen werden.

Für Bestandsgeräte galten noch Übergangsfristen, die inzwischen ausgelaufen sind. Seit Januar 2023 müssen nun die verabreichten Dosen digital dokumentiert werden. Dafür werden spezielle Software-Systeme, sogenannte Dosismanagementsysteme genutzt.

Merke

Für bedeutsame Vorkommnisse besteht eine Meldepflicht an die zuständige Behörde. Die Kriterien dafür ergeben sich aus Anlage 14 der Strahlenschutzverordnung.

 

Wenn der vorgegebene diagnostische Referenzwert bei einer Person um 200 Prozent überschritten wird und wenn der Mittelwert der letzten 20 aufeinanderfolgenden Untersuchungen den diagnostischen Referenzwert um mehr als 100 Prozent überschritten hat, liegt ein bedeutsames Vorkommnis vor.

Dosisüberschreitungen kommen in der radiologischen Praxis beispielsweise beim Röntgen häufig vor. Die sind zwar digital zu dokumentieren, stellen aber nicht immer ein meldepflichtiges Vorkommnis dar.

Da sich Dosisvorgaben auf einen definierten Referenzpatienten beziehen, wird bei höherem Körpergewicht eine höhere Dosis appliziert.

Der Strahlenschutzverantwortliche

Für jede Röntgeneinrichtung muss ein Strahlenschutzbeauftragter benannt werden. Dieser muss genau festgelegte persönliche Voraussetzungen erfüllen. Dahinter steht der Gedanke, dass die Praxisleitung nicht alle Aufgaben und Tätigkeiten im Strahlenschutz selbst durchführen kann. Der Strahlenschutzverantwortliche trägt die strahlenschutzrechtliche Gesamtverantwortung für seine Einrichtung. Zu den grundsätzlichen Pflichten eines Strahlenschutzverantwortlichen gehören u. a.:

  • Bereitstellung geeigneter Räume, Ausrüstungen und Geräte
  • Erstellung von Regelungen für die Betriebsabläufe
  • Prüfung der Verfügbarkeit von besonders ausgebildetem Personal.

Seit dem 31.12.2018 gilt auch § 47 StrlSchV, nach der die erforderliche Fachkunde im Strahlenschutz von allen Ärzten benötigt wird, die selbstständig Röntgenstrahlen auf den Menschen anwenden, eine Röntgeneinrichtung betreiben oder die rechtfertigende Indikation zur Röntgenuntersuchung stellen. Mindestens alle fünf Jahre muss diese Fachkunde aktualisiert werden. Dazu ist die Teilnahme an einem anerkannten Kurs erforderlich. Zuständig sind die Ärztekammern. Die Gebühren ergeben sich aus der Gebührenordnung der jeweiligen Ärztekammer.

Die Pflichten des Strahlenschutzverantwortlichen sind an mehreren Stellen im StrlSchG und auch in der StrlSchV geregelt. Dieser trägt die Verantwortung dafür, dass die formalen und konkreten Vorschriften eingehalten werden. Wer Strahlenschutzverantwortlicher ist, ergibt sich aus § 9 StrlSchG. In Betracht kommt entweder eine natürliche oder eine juristische Person, also beispielsweise ein Arzt oder eine GmbH. Verstöße gegen die Pflichten des Strahlenschutzverantwortlichen können fahrlässig oder vorsätzlich begangen werden und werden gem. § 184 StrlSchV als Ordnungswidrigkeiten geahndet.

Der Strahlenschutzbeauftragte

Der Strahlenschutzverantwortliche legt auch den Rahmen fest, wenn es um den Strahlenschutzbeauftragten geht. Der Strahlenschutzverantwortliche hat die Möglichkeit, Aufgaben zu delegieren und sich die Unterstützung eines Strahlenschutzbeauftragten einzuholen. Die Bestellung eines Strahlenschutzbeauftragten richtet sich nach § 31 StrlSchV und 13 RöV. Voraussetzung für eine Bestellung ist die nötige Zuverlässigkeit (s. weiterführende Hinweise am Ende des Beitrags) und Fachkunde. Die Fachkunde wird i. d. R. durch eine geeignete medizinische Ausbildung, praktische Erfahrungen und die erfolgreiche Teilnahme an behördlich anerkannten Strahlenschutzkursen erworben.

Der Strahlenschutzbeauftragte leitet, überwacht und führt Tätigkeiten und Maßnahmen des betrieblichen Strahlenschutzes durch. Der Strahlenschutzbeauftragte ist weisungsbefugt. Aufgaben sind u. a.

  • Unterweisung der in Strahlenschutzbereichen tätigen Personen
  • Planung und Festlegung technischer und organisatorischer Strahlenschutzmaßnahmen
  • Kontrolle der Funktionstüchtigkeit der für den Strahlenschutz bestimmten Einrichtungen, Geräte und Ausrüstungsgegenstände
  • Kontrolle der Personendosimeter
  • Regelmäßige Überprüfung der Wirksamkeit der Schutzvorrichtungen und Schutzvorschriften

Zusammengefasst muss der Strahlenschutzbeauftragte das Einhalten der Vorgaben und – im Bedarfsfall – geeignete Maßnahmen zur Gefahrenabwehr sicherstellen.

Der Medizinphysik-Experte

Nach § 5 Abs. 24 StrlSchG ist ein Medizinphysik-Experte (auch MPE) eine Person mit Masterabschluss in medizinischer Physik oder eine in medizinischer Physik gleichwertig ausgebildete Person mit Hochschulabschluss, die jeweils die erforderliche Fachkunde im Strahlenschutz besitzt. Das Hinzuziehen eines MPEs bei medizinisch-radiologischen Tätigkeiten setzt die Anforderung der Richtlinie 2013/59/Euratom um. Seit dem 01.01.2023 müssen – nach Ablauf aller Übergangsfristen – alle Computertomogramme, Herzkatheterlabore etc. von fachkundigen MPEs mit nachgewiesenem Stellenschlüssel betreut werden (§ 14, Abs. 1, Satz 4 StrlSchG).

Ein MPE muss bei Untersuchungen mit ionisierender Strahlung zur Mitarbeit herangezogen werden, die

  • mit einem CT oder
  • mit Geräten zur dreidimensionalen Bildgebung von Objekten mit niedrigem Röntgenkontrast durchgeführt werden und
  • bei Interventionen, bei denen Röntgeneinrichtungen zur Durchleuchtung eingesetzt werden und die mit erheblichen Expositionen verbunden sind.

Folgen für die Praxis

Röntgenstrahlung kann menschliche Zellen dauerhaft schädigen. Daher gilt: Der Umgang mit Röntgenstrahlung birgt für die Beschäftigten in radiologischen Praxen und Instituten ein hohes Gefährdungspotenzial. Aus diesem Grund enthalten das StrlSchG und die StrlSchV Regelungen zum Schutz vor Schäden durch ionisierende Strahlung. Strahlenschutzverantwortliche und Strahlenschutzbeauftragte müssen die funktionierende Strahlenschutzorganisation garantieren. Sie sollten sich deshalb ihrer Verantwortung stets bewusst sein und sie sollten auch zu ihrem eigenen Schutz ihre Aufgaben gemäß der Verordnung gewissenhaft und gründlich wahrnehmen. Verstöße werden mit Bußgeldern geahndet.

Besondere Vorsicht ist ärztlicherseits bei der Abrechnung ohne sorgfältige Prüfung der radiologischen Indikation geboten. Radiologische Leistungen (CT- und Röntgenbereich) werden unter Verstoß gegen § 23 Abs. 1 RöV bzw. § 80 Abs. 1 StrlSchV erbracht, wenn eine rechtfertigende Indikation vor der Untersuchung eines Patienten nicht gestellt wurde.

Merke

Zur normgemäßen Stellung der rechtfertigenden Indikation vor der Durchführung der Untersuchung ist die Feststellung eines Arztes mit der erforderlichen Fachkunde im Strahlenschutz erforderlich. Bei der erforderlichen Abwägung zwischen Untersuchung und gesundheitlichem Nutzen hat der Arzt auch zu überprüfen, ob andere Verfahren mit vergleichbarem gesundheitlichen Nutzen, die mit keiner oder einer geringeren Strahlenexposition verbunden sind, im konkreten Fall für den Patienten zur Verfügung stehen. Die Stellung der rechtfertigenden Indikation ist nur dann zulässig, wenn die persönliche Untersuchung des Patienten jedenfalls vor Untersuchung vor Ort möglich war. Kommt der Arzt mit den zur Stellung der rechtfertigenden Indikation notwendigen Informationen i. d. R. erst nach der Durchführung der Untersuchung überhaupt in Berührung, kann von einer rechtfertigenden Indikation vor Durchführung der Untersuchung nicht die Rede sein. Insofern wurde ein Abrechnungsbetrug zulasten der KV angenommen (Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 19.11.2019, Az. 2 KLs 5/18, s. weiterführende Hinweise).

 

Weiterführende Hinweise