von StB und Dipl.-Finanzwirt Alfred P. Röhrig, Bad Honnef, StB und Dipl.-Kfm. Uwe Helgers, Dortmund
In zahlreichen Gesellschaftsverträgen von Gemeinschaftspraxen ist geregelt, dass der Gesellschaftsanteil beim Tod eines Gesellschafters von den Erben an die verbleibenden Gesellschafter entgeltlich übertragen werden muss. Anschließend gehen die verbleibenden Gesellschafter häufig hin und veräußern den erworbenen Anteil an einen neuen Kollegen weiter. Bei derartigen Fallgestaltungen – die in der Vertragspraxis wohl als Regelfall anzunehmen sind – ergeben sich für die verbleibenden Gesellschafter ertragsteuerlich sehr unerfreuliche Situationen, soweit hier nicht im Vorfeld konkret gestaltet wird.
Die Ärzte A, B und C haben in der Vergangenheit eine Gemeinschaftspraxis gegründet. Sie sind mit je einem Drittel beteiligt. Die Gemeinschaftspraxis ist erfolgreich. Sie hat einen Wert von 1,8 Mio. Euro.
Als C stirbt, veräußern seine Erben seinen Anteil für jeweils 300.000 Euro an A und an B. A und B finden einen neuen Partner D. D beteiligt sich mit einem Drittel an der Gemeinschaftspraxis und zahlt an A und B jeweils 300.000 Euro.
Das Finanzamt möchte bei A und B einen Veräußerungsgewinn versteuern. A und B tragen dagegen vor, dass sie den Anteil gerade von den Erben des C erworben und zum gleichen Preis wieder an D veräußert haben. Hierdurch könne sich somit kein Gewinn ergeben. Doch die Beurteilung durch das Finanzgericht führt bei A und B zu einem Fiasko (nach Finanzgericht [FG] Nürnberg, Urteil vom 26.01.2016, Az. 1 K 773/14, Revision beim Bundesfinanzhof, Az. VIII R 12/16).
Beim Zuerwerb von Anteilen verschmelzen der alte und neue Anteil an der Gemeinschaftspraxis zu einem Anteil an der Gemeinschaftspraxis (z. B. der alte Anteil von A + der neue, von den Erben des C gekaufte Anteil = neuer Anteil von A).
Die Anschaffungskosten (des D) für seinen Anteil an der Gemeinschaftspraxis müssen aus den durchschnittlichen Anschaffungskosten für den alten und den neuen Anteil an der Gemeinschaftspraxis ermittelt werden:
Der Veräußerungsgewinn – hier von jeweils 200.000 Euro – ist für A und B ein laufender Gewinn, der in voller Höhe mit der normalen Tarifbelastung versteuert werden muss:
Veräußerungsgewinn |
Veräußerungserlös 300.000 € - Anteilige AK - 100.000 € = Veräußerungsgewinn 200.000 € |
Bitte sprechen Sie Ihren steuerlichen Berater unbedingt auf diese Problematik an und besprechen Sie mit ihm die folgenden Überlegungen.
Soweit die längerlebenden Gesellschafter A und B den potenziellen neuen Kollegen D schon im Zeitpunkt des Ausscheidens des C durch seinen Tod kennen sollten, wäre ein treuhänderischer Erwerb durch sie für den neuen Gesellschafter D möglich. Bei dieser Gestaltung wäre der „erworbene“ Anteil ertragsteuerlich A und B gar nicht erst zuzurechnen, sondern direkt dem neuen Kollegen D. Das ganze Problem des Durchgangserwerbs mit den üblen Veräußerungsfolgen für A und B wäre vermieden.
Wenn eine Veräußerung direkt von C an D nicht möglich ist, sollte D keinen Kaufpreis in das Privatvermögen von A und B leisten, sondern eine Einlage in die Gesamthand der Gemeinschaftspraxis. A und B könnten diese Einlage später – mit zeitlichem Abstand zur Einlage – vereinbarungsgemäß entnehmen.
D würde in diesem Fall den Anteil der Einlage, der sich nicht auf seinem Kapitalkonto in der Gesamthand widerspiegeln würde (= 200.000 Euro), in einer positiven Ergänzungsbilanz – mit persönlichem Abschreibungspotenzial (= Betriebsausgaben) – darstellen.
A und B hätten i. H. v. jeweils 100.000 Euro eine negative Ergänzungsbilanz zu bilden, die bei ihnen zu einem entsprechenden Ertrag führen würde. Der Ertrag könnte in diesem Fall jedoch auf einen Zeitraum von bis zu zehn Jahren verteilt werden, sodass der steuerliche Schmerz abgemildert werden könnte.
Die Überlegung separat anwachsender Anteile beruht auf dem Gedanken, dass die Gesellschafter der Gemeinschaftspraxis (inklusive des verstorbenen Gesellschafters) immer den Willen hatten, dass ein verstorbener Gesellschafter „ersetzt“ werden soll/muss. Das FG Nürnberg ist zu dem Ergebnis gelangt, dass diese Überlegung kein Sonderrechtsverhältnis begründen kann. Es hat dennoch durchschnittliche Anschaffungskosten angenommen. Diesem Gestaltungsgedanken sollte daher in der Praxis keine große Aufmerksamkeit gewidmet werden.
Nach dem Gesellschaftsvertrag hier mussten die Erben den Anteil an der Gemeinschaftspraxis an die „überlebenden Gesellschafter“ veräußern. Fraglich ist, ob es – zur Vermeidung des o. a. Ergebnisses – möglich ist, dass der Gesellschaftsvertrag rückwirkend auf den Zeitpunkt des Erbfalls geändert werden kann und die Erben den Anteil des Verstorbenen somit direkt an den Neugesellschafter D veräußern könnten. Hierdurch würde der Zwischenerwerb und die entsprechende Veräußerung durch die verbliebenen Altgesellschafter vermieden werden.
Das Bundesfinanzministerium (BMF) lässt zu, dass die Erben mit einem Miterben (hier evtl. auch mit einem Neugesellschafter?) innerhalb eines Sechs-Monats-Zeitraums eine rückwirkende Vereinbarung auf den Todeszeitpunkt treffen können (BMF, Schreiben vom 05.12.2002, Az. IV A 6 -S 2242 - 25/02). Voraussetzung hierfür ist eine verbindliche Vereinbarung innerhalb dieser Frist.
Die Regelung betrifft jedoch ihrem Wortlaut nach ausschließlich Vereinbarungen unter Miterben. Ob sie auch bei der Veräußerung an Dritte anzuwenden ist, lässt das FG dahinstehen. Diese Frage ist somit bisher ungeklärt. Es bleibt daher abzuwarten, wie sich der Bundesfinanzhof hierzu positioniert. Als Gestaltung bietet sich diese Variante daher zurzeit nicht an.
Es wird spannend sein, wie der Bundesfinanzhof zu dem FG-Urteil entscheiden wird. Bis zu diesem Zeitpunkt sollten in der Praxis jedoch kurzfristig unbedingt die vorstehend aufgezeigten Lösungen unter den Gesellschaftern gefunden werden, die ein katastrophales Ergebnis verhindern.
Beim Hinzuerwerb von GmbH-Anteilen an einem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) bleiben der alte und der neue GmbH-Anteil als zwei rechtlich selbstständige Geschäftsanteile bestehen. Der Gesellschafter kann hier selbst wählen, ob er den alten oder den neuen GmbH-Anteil veräußert. Im notariellen Vertrag muss der veräußerte Anteil – unter Bezugnahme auf den Erwerbsvertrag – konkret benannt werden.
Durch die Veräußerung des gerade erworbenen Anteils würde sich somit keine Gewinnrealisierung ergeben. Problematisch ist hier jedoch die Erwerberseite. Der Erwerber erwirbt eine GmbH-Beteiligung ohne eine Möglichkeit, die Anschaffungskosten in Form von Abschreibungen steuermindernd geltend machen zu können.
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