Sachkostenstreit: Neues Urteil mit Drohpotenzial für bestehende Kooperationen

von RA Dr. Tilman Clausen, FA für Arbeitsrecht und Medizinrecht, Hannover, www.armedis.de

Wahlleistungsvereinbarungen erstrecken sich auch auf Leistungen von Ärzten außerhalb der Klinik, wenn diese von liquidationsberechtigten Klinikärzten veranlasst wurden. Bisher war man der Ansicht, dass solche extern beauftragten Ärzte auch anfallende Sachkosten direkt mit dem Patienten abrechnen können. Die Entscheidung des Landgerichts (LG) Stade vom 20. Mai 2015 stellt dies infrage (Az. 4 S 45/14) und hätte, wenn sich diese Rechtsprechung durchsetzt, gravierende Auswirkungen auf Kooperationsverträge zwischen Krankenhausärzten und Radiologen. Wie können Radiologen auf das neue Urteil reagieren?

Fall: PKV verweigert Erstattung der Sachkosten 

Eine Patientin hatte mit einem Krankenhaus, das über keine radiologische Abteilung verfügt, wahlärztliche radiologische Leistungen vereinbart. Diese wurden durch Ärzte einer radiologischen Gemeinschaftspraxis erbracht, die mit dem Krankenhaus einen Kooperationsvertrag geschlossen hatte. Auf diesen wird in der Wahlleistungsvereinbarung des Krankenhauses Bezug genommen. Vorliegend hatten die externen Radiologen gegenüber der Patientin etwa 5.300 Euro abgerechnet – davon rund 3.500 Euro für Sachkosten. Die PKV zahlte die wahlärztlichen Leistungen, die Sachkosten aber nicht.

Die Radiologen klagten daraufhin auf Zahlung auch der Sachkosten. Sie verwiesen auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 4. November 2010 (Az. III ZR 323/09). Danach können Ärzte Sachkosten abrechnen, wenn sie bei wahlärztlichen Behandlungen anfallen, die von angestellten oder beamteten Klinikärzten veranlasst wurden.

LG Stade: Kooperation verfehlt gesetzlichen Zweck 

Anders als die Vorinstanz ging das LG Stade davon aus, dass die Radiologen auf Veranlassung eines liquidationsberechtigten Arztes des Krankenhauses tätig geworden sind. Gleichwohl urteilte das LG, dass keine „Veranlassung“ der Radiologen im Sinne von § 17 Abs. 3 Satz 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) vorliegt, in dem es heißt: „Eine Vereinbarung über wahlärztliche Leistungen erstreckt sich auf alle (...) angestellten oder beamteten Ärzte des Krankenhauses, (...) einschließlich der von diesen Ärzten veranlassten Leistungen von Ärzten und ärztlich geleiteten Einrichtungen außerhalb des Krankenhauses (...).“

Durch den Kooperationsvertrag würde die Gemeinschaftspraxis alle radiologischen Leistungen erbringen. Ärztliche Wahlleistungen könnten aber nur im Einzelfall von besonders qualifizierten Ärzten erbracht werden (Chefarztstandard) und nicht von Honorarärzten, als die man die Radiologen ansehen müsse.

Konsequenzen der Entscheidung für Radiologen in Praxis und Klinik 

Inzwischen argumentieren viele private Krankenversicherungen gegenüber Radiologen bei Erstattungsstreitigkeiten um die Sachleistungen mit dem Urteil des LG Stade. Niedergelassene Radiologen, die in Krankenhäusern radiologische Leistungen erbringen und bei denen Sachleistungen anfallen, werden sich daher mit dieser Entscheidung auseinandersetzen und gegebenenfalls Konsequenzen ziehen müssen.

Der Radiologe als Honorararzt 

Radiologen sind Honorarärzte, wenn sie aufgrund eines Kooperationsvertrags mit einem Krankenhaus ärztliche Wahlleistungen erbringen, wie das LG Stade richtig bemerkt. Allerdings dürfen solche Ärzte weiterhin Wahlleistungen erbringen. Die Entscheidung des BGH vom 16. Oktober 2014 (Az. III ZR 85/14, vgl. RWF 04/2014, Seite 7) schließt dies nur für solche Honorarärzte aus, die innerhalb des Krankenhauses tätig werden – also wenn sie in Räumen des Krankenhauses und mit medizinischen Geräten des Krankenhauses die Leistung erbringen. Werden die Radiologen aber innerhalb des Krankenhauses in angemieteten Räumlichkeiten mit eigenen Geräten tätig, erfolgt die Leistungserbringung im juristischen Sinne „außerhalb des Krankenhauses“; in diesen Fällen können wahlärztliche Leistungen abgerechnet werden.

Kooperationsverträge überprüfen und gegebenenfalls umgestalten 

In einem Kooperationsvertrag kann vereinbart werden, dass niedergelassene Radiologen allgemeine Krankenhausleistungen bei Patienten erbringen, die keine ärztlichen Wahlleistungen gewählt haben. Das Krankenhaus kann diese als „vom Krankenhaus veranlasste Leistungen Dritter“ abrechnen.

Bei wahlärztlichen Leistungen werden die niedergelassenen Radiologen dagegen auf Veranlassung der liquidationsberechtigten Klinikärzte als Teil der externen Wahlarztkette tätig. Eine Abrechnung von wahlärztlichen Leistungen kann nicht auf der Grundlage des Kooperationsvertrags erfolgen (§ 17 Abs. 3 Satz 1 KEntgG). Im Kooperationsvertrag kann aber die Möglichkeit geregelt werden, diese Leistungen auf Veranlassung der liquidationsberechtigten Krankenhausärzte zu erbringen, wenn das Recht des Patienten auf freie Arztwahl beachtet wird. Die liquidationsberechtigten Klinikärzte können dann „autonom“ entscheiden, bei welchem Niedergelassenen sie die Leistung veranlassen. Die „Veranlassung“ ist dann nicht mehr bloß formal, was das LG Stade bemängelt hatte.

Wird ein Kooperationsvertrag entsprechend umgestaltet, hilft dies enorm bei der Argumentation gegen zahlungsunwillige PKVen. Unabhängig davon wird man – anders als das LG Stade meinte – bei Leistungen der internen und der externen Wahlarztkette differenzieren müssen: Ärztliche Wahlleistungen der internen Wahlarztkette sind Hauptleistungen während eines stationären Krankenhausaufenthalts. Kann diese wahlärztlichen Leistungen nur ein einziger Arzt erbringen, würde sie der Patient auch ohne Wahlleistungsvereinbarung erhalten. Wahlärztliche Leistungen könnten dann nicht wirksam vereinbart werden (so auch das LG Hanau mit Urteil vom 16. August 1988, Az. 2 S 91/88).

Bei den Leistungen der externen Wahlarztkette, die von Ärzten außerhalb der Klinik erbracht werden, gilt dies so nicht. Hier kommt es nicht primär auf die Person des behandelnden Arztes an. Dies wird bereits dadurch deutlich, dass Ärzte der externen Wahlarztkette nicht in die Wahlleistungsvereinbarung zwischen Krankenhausträger und Patient mit aufgenommen werden müssen, weil ihre Leistungen nicht durch den Krankenhausträger, sondern durch die liquidationsberechtigten Krankenhausärzte veranlasst werden. Hier handelt sich um Annex-Leistungen, die nur von Fall zu Fall anfallen, sodass nach Auffassung des Verfassers und entgegen der Meinung des LG Stade andere Regeln gelten.

Fazit

Mit einem Kooperationsvertrag in der Form, wie er vorstehend vorgeschlagen wurde, dürfte man Kostenträgern, die sich auf die Entscheidung des LG Stade berufen, mit Aussicht auf Erfolg entgegen treten können.