Praxisveranstaltungen steuerlich vorteilhaft ­gestalten: BFH-Urteile schaffen gute Grundlage

von Steuerberater Björn Ziegler, Kanzlei Lauterbach Zeutschner Seltsam, Würzburg

Betriebsveranstaltungen sind regelmäßig ein Diskussionsthema in der Lohnsteuerprüfung. Der Vorteil des Arbeitnehmers steht dem betrieblichen ­Interesse des Praxisinhabers gegenüber. Welche Seite überwiegt und ob Lohnsteuer anfällt, richtet sich nach den von der Rechtsprechung ent­wickelten Regeln. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat diese mit zwei Urteilen vom 16. Mai 2013 (Az. VI R 94/10 und VI R 7/11) nun zugunsten der Steuerpflichtigen geändert – und für Praxischefs mehr Gestaltungsspielraum geschaffen.

110-Euro-Grenze beachten  

Grundsätzlich gilt für Betriebsveranstaltungen: Betriebe bzw. Arztpraxen können bis zu zwei Veranstaltungen jährlich abhalten, ohne dass hierfür Lohnsteuer und Sozialabgaben anfallen. Die Kosten pro Mitarbeiter dürfen dabei 110 Euro je Veranstaltung nicht übersteigen.

Wird diese Grenze eingehalten, geht das ­Finanzamt davon aus, dass die Veranstaltung vorrangig dazu dient, das ­Betriebsklima zu verbessern und so Produktivität und Qualität zu steigern. Dabei ist aus steuerlicher Sicht unerheblich, wenn Ihre Mitarbeiter nebenbei aus der Veranstaltung einen geldwerten Vorteil erhalten. Dieser tritt nämlich hinter dem Betriebszweck zurück.

Die Urteilsfälle  

In den vom BFH entschiedenen Fällen ging es um zwei große Veranstal­tungen: ein Sommerfest mit rund 350 und ein Firmenjubiläum mit etwa 16.000 Teilnehmern. Unter den Gästen waren auch Angehörige und Freunde der ­Mitarbeiter. Den Arbeitgebern entstanden Kosten für Organisation, Räumlichkeiten (Stadion), Verpflegung, musikalische Unterhaltung und Kinder­animation sowie für Anreise- und Parkmöglichkeiten. Das Finanzamt argumentierte, dass all diese Kosten für die Betriebsver­anstaltung angefallen waren. Entsprechend teilte es im Fall des Firmen­jubiläums die Gesamt­kosten durch die Zahl der Teilnehmer – so errechnete sich ein Betrag von mehr als 110 Euro pro Kopf.

Für das Sommerfest lagen die Kosten je Teilnehmer zwar deutlich niedriger, jedoch immer noch über 55 Euro pro Mitarbeiter. Bei Angestellten, die in ­Begleitung erschienen waren, wurden die Kosten ihrer Begleitperson hinzu­gerechnet – hierdurch wurde nun die 110-Euro-Grenze überschritten. Aus diesem Grund forderte das Finanzamt hohe Lohnsteuern.

Richter entschieden gegen das ­Finanzamt 

Die Richter entschieden in beiden Fällen gegen das Finanzamt. Lohnsteuer fällt demnach nur an, wenn eine Zuwendung für den Mitarbeiter Entlohnungscharakter hat. Bei einer üblichen Betriebsveranstaltung wie dem Sommerfest hat der Mitarbeiter jedoch keinen nennenswerten Vorteil daraus, dass auch sein Ehepartner und die Kinder teilnehmen dürfen. Viel schwerer wiegt das Interesse des Arbeitgebers, dass ein Fest, bei dem auch die Angehörigen der Mitarbeiter beteiligt sind, die Betriebsbindung ­fördert, die Freude an der Arbeit steigert und das Verständnis der Familienangehörigen für den Arbeitseinsatz des Mitarbeiters steigt.

Anders verhält es sich, wenn der Mitarbeiter vom Arbeit­geber zum Besuch eines Konzerts, eines Musicals oder eines Wellnesscenters eingeladen wird: In solchen Fällen überwiegt der Zuwendungs­charakter.

Bei Kosten differenzieren 

Im Falle des Firmenjubiläums im Stadion urteilten die Richter, dass bei der Prüfung der 110-Euro-Grenze nur diejenigen Kosten berücksichtigt werden dürfen, aus denen der Mitarbeiter einen echten Vorteil hat, indem er die ­bezogene Leistung „konsumieren“ kann. Mit anderen Worten: Es ist für den Mitarbeiter gleichgültig, ob das Buffet auf dem Stadionrasen oder in den ­Betriebs- bzw. Praxisräumen aufgestellt ist. Konsumieren kann er insbesondere Speisen, Getränke und künstlerische Darbietungen.

Saalmiete und Dekoration ­heraus­rechnen 

Für Praxischefs heißt das, dass sie zukünftig bei der Berechnung der 110-Euro-Grenze beispielsweise die Kosten einer Saalmiete ebenso außen vor lassen können wie etwa die Kosten der Dekoration. Wenn Sie die An- und Abreise für Ihre Mitarbeiter organisieren, stellt dies einen steuerfreien Werbungskostenersatz dar, da die Veranstaltung betrieblich veranlasst ist. Hier verhält es sich genauso wie bei der Fahrtkostenerstattung für eine fachliche Fortbildung.

Überschreitung der 110-Euro-Grenze 

Ist anlässlich einer Betriebsveranstaltung wie etwa dem zehnjährigen ­Praxisjubiläum oder einer Weihnachtsfeier mit Ihrem Praxisteam die 110-­Euro-Grenze trotzdem überschritten, können Sie die Lohnsteuer mit 25 Prozent pauschalieren.

Fazit

Der BFH erleichtert es Praxischefs mit seinen beiden Urteilen, ihre Betriebsveranstaltung lohnsteuerfrei abzuwickeln. Zu den klassischen Anlässen können Sie nun Angehörige mit einladen und für steuerrelevante Posten gefahrlos ein paar Euro mehr aus­geben. Die allgemeinen Kosten schmälern die Freigrenze nicht mehr. Beachten Sie: Die Urteile sind zwar noch nicht allgemeinverbindlich veröffent­licht, geben aber schon jetzt wichtige Hinweise zur Steuer­gestaltung.