Praxisaufkauf durch KVen: Kann-Regelung ist jetzt eine Soll-Regelung

Ende Juli ist das GKV-VSG in Kraft getreten. Ein wichtiger Aspekt für Ärzte, die ihre Praxis aufgeben und an einen Nachfolger übergeben wollen, ist eine Neuregelung, die zur Reduzierung von Praxen in überversorgten Gebieten führen soll. Demnach gilt jetzt: Stellt der Zulassungsausschuss fest, dass eine Nachbesetzung aus Versorgungsgründen – das heißt bei Überversorgung – nicht erforderlich ist, soll er die Neubesetzung des Praxissitzes ablehnen. Da bundesweit inzwischen über 25 Prozent der Vertragsärzte über 60 Jahre alt und bei Radiologen die meisten Gebiete gesperrt sind, kann die Neuregelung viele Radiologen jetzt oder in wenigen Jahren betreffen.

Alte und neue Regelung 

Die Zulassungsausschüsse konnten auch bisher schon die Neubesetzung (durch Tod, Aufgabe usw.) frei gewordener Vertragsarztsitze in überversorgten Gebieten ablehnen. Sie haben von dieser Option aber 2013 bundesweit nur einmal Gebrauch gemacht.

Entscheidende Änderung durch das GKV-VSG: Die bisherige Kann- wird durch eine Soll-Regelung ersetzt. Die Zulassungsausschüsse sind somit quasi in der Pflicht, in überversorgten Gebieten Neubesetzungen abzulehnen. Insgesamt befinden sich bundesweit mehr als 10.000 Vertragsarztpraxen in überversorgten Gebieten.

Die Soll-Regelung greift ab einer Überversorgung von 140 Prozent 

Auf der Basis sogenannter Verhältniszahlen wird der Versorgungsgrad in festgelegten Planungsbereichen ermittelt. Das Verfahren ist komplex – eine detaillierte Darstellung würde hier zu weit führen. Wichtig ist jedoch vor allem: Besteht für eine Facharztgruppe eine Überversorgung von mehr als 140 Prozent, soll der Zulassungsausschuss Anträge auf Neubesetzung ablehnen.

Damit stellt sich für ältere, abgabewillige Radiologen die Frage: Kann meine Praxis bzw. mein Praxisanteil betroffen sein? Die KVen haben in der Regel detaillierte Analysen der Versorgungsdichte (Versorgungsatlas). Betroffene Ärzte sollten sich entsprechend bei der KV erkundigen (Praxisberater) und beim Zulassungsausschuss nachfragen, ob eine Ablehnung der Neubesetzung droht.

Der Zulassungsausschuss ist mit je drei Ärzte- und Kassenvertretern paritätisch besetzt, bei Stimmengleichheit ist dem Antrag auf Neubesetzung stattzugeben. Zusätzlich zu den Stimmen der Kassenseite muss also mindestens ein Vertreter der Ärzteseite für die Ablehnung stimmen.

Ausnahmen: Wann ist Anträgen auf Neubesetzung zuzustimmen? 

Der Antrag auf Neubesetzung der Praxis kann nicht abgelehnt werden, wenn ein Ehe-/Lebenspartner oder Kind des bisherigen Vertragsarztes die Praxis übernimmt oder wenn der Nachfolger bereit ist, den Praxissitz in ein unterversorgtes Gebiet des Planungsbereichs zu verlegen.

Hintergrund

Gerade in größeren Planungsbereichen kann es durchaus sein, dass in einem Teil Überversorgung, in einem anderen Teil aber Unterversorgung besteht. Da zudem beabsichtigt ist, die bisherigen Planungsbereiche neu und insbesondere engmaschiger zu gestalten, dürften solche Fälle von teilweiser Unterversorgung innerhalb eines Planungsbereichs bald häufiger vorkommen als bisher.

 

Eine Neubesetzung der Praxis kann auch nicht abgelehnt werden, wenn der Nachfolger ein Angestellter des Vertragsarztes ist oder mit diesem die Praxis gemeinsam geführt hat und das Anstellungsverhältnis seit mindestens drei Jahren besteht.

Diese Mindestdauer gilt nicht für Anstellungsverhältnisse, die bereits vor dem 3. März 2015 (= Tag der ersten Verlesung des GKV-VSG im Bundestag) bestanden. Durch Setzung dieses Stichtags sollte verhindert werden, dass Vertragsärzte noch vor dem Inkrafttreten des Gesetzes einen Arzt anstellen konnten, um die Praxisübergabe an diesen zu sichern.

Praxisaufkauf nach „Verkehrswert“ der Praxis 

Wird der Antrag auf Neubesetzung abgelehnt, steht dem Arzt bzw. dessen Erben eine Entschädigung in Höhe des Verkehrswerts der Praxis zu. Wie dieser ermittelt werden soll, dazu macht das GKV-VSG jedoch keine genaueren Angaben. Es ist aber davon auszugehen, dass der höchstmögliche am Markt erzielbare Verkaufswert nicht dem Verkehrswert gleichgesetzt wird.

Praktische Umsetzung: Vieles ist noch offen 

Die Umsetzung der Soll-Regelung ist für die KVen eine Herausforderung. In etlichen KVen mangelt es bislang an Rücklagen, um in größerem Umfang Praxiskäufe tätigen zu können. Naturgemäß werden die Vorstellungen der KVen über den „Verkehrswert“ einer Praxis unter denen des jeweiligen Praxisabgebers liegen. Klare Vorgaben zur Verkehrswertermittlung gibt es nicht – rechtliche Auseinandersetzungen sind hier vorprogrammiert.

Fazit

Es ist davon auszugehen, dass die KVen mit Einführung der Soll-Regelung nunmehr – im Gegensatz zu bisher – das Instrument des Kaufs „nicht versorgungsrelevanter Praxen“ auch nutzen werden. Wie häufig – das bleibt abzuwarten.