Patientin verschweigt Orthese aus Metall: kein Schadenersatz für den Radiologen!

von Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht Dr. Rainer Hellweg, Hannover

Ein Radiologe hat eine Patientin verklagt, nachdem sie auf eine metallische Orthese an ihrem Bein nicht hingewiesen hatte und eine Notabschaltung des MRT vorgenommen wurde. Die Haftungsklage des Radiologen wurde abgewiesen. Warum die Richter so entschieden und was Radiologen aus dem Urteil für die Aufklärung in ihrer Praxis ableiten können, zeigt der folgende Beitrag (Urteil des Oberlandesgerichts [OLG] Nürnberg vom 15.02.2023, Az. 4 U 20/22).

Der Fall

In der Praxis des Radiologen wurde bei der knapp 80 Jahre alten Patientin eine Untersuchung mittels MRT durchgeführt. Dabei wurde die an deren linkem Bein befindliche Metallorthese vom Magneten des MRT angezogen, sodass eine Notabschaltung des MRT (sog. Quench) vorgenommen werden musste. Die dem Radiologen hierdurch entstandenen Kosten für das neue Befüllen des Magneten des MRT mit flüssigem Helium sowie den Einsatz eines Servicetechnikers beliefen sich auf rund 55.000 Euro.

Die Entscheidung

Die Kosten in Höhe von 55.000 Euro sowie einen Umsatzausfall machte der Radiologe als Schadenersatz gegenüber der Patientin geltend.

Landgericht sprach dem Radiologen noch die Hälfte zu

Vor dem Landgericht in I. Instanz konnte der Radiologe zumindest noch hälftig obsiegen. Das Gericht sprach ihm einen Schadenersatzanspruch zu. Die Patientin habe pflichtwidrig gehandelt, indem sie es unterlassen habe, die Praxismitarbeiter auf ihre metallische Orthese hinzuweisen.

Jedoch kürzte das Landgericht den Anspruch des Radiologen um die Hälfte, weil ihn bzw. seine Mitarbeiter ein Mitverschulden treffe. Dies unter zwei Gesichtspunkten:

  • Zum einen hätte man den Schaden verhindern können – ein Abnehmen der Orthese sei durch Öffnen der Schrauben ohne erhebliche Gefahr für die Patientin und die Mitarbeiter möglich gewesen.
  • Zum anderen sei die Patientin nicht darüber aufgeklärt worden, welche hohen Kosten eine Notabschaltung hervorrufen könne.

OLG entscheidet gegen Radiologen

Gegen das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts gingen sowohl der Radiologe als auch die Patientin in Berufung. Im Berufungsverfahren in II. Instanz kam es jedoch noch schlimmer für den Radiologen: Das OLG Nürnberg wies seine Klage gänzlich ab. Die Begründung der OLG-Richter: Zwar sei eine Pflichtverletzung der Patientin zu bejahen. Diese habe auf die Metallorthese nicht hingewiesen, obwohl für sie sowohl aus dem Anamnesebogen als auch aus mehreren Warnhinweisen in den Praxisräumlichkeiten als auch aus der mündlichen Befragung durch die Mitarbeiter ersichtlich gewesen sei, dass Metallgegenstände aller Art verboten seien.

Gravierendes Mitverschulden des Radiologen angenommen

Trotz des Vorliegens der Pflichtverletzung seitens der Patientin versagte das OLG dem Radiologen einen Schadenersatzanspruch. Die Richter des OLG sahen ein derart gravierendes Mitverschulden des Radiologen bzw. seiner Angestellten, dass demgegenüber eine Haftung der Patientin auf Null zu reduzieren sei.

Mitarbeiter hätten Orthese erkennen müssen

Die Praxismitarbeiter hätten die Entstehung des Schadens mitverursacht, da sie von der Orthese keine Kenntnis genommen hätten, obwohl diese an der Patientin deutlich zu sehen gewesen sei. Deren Verschulden wurde dem Radiologen zugerechnet. Die OLG-Richter nahmen in der mündlichen Verhandlung Bein, Hose und Orthese bei der Patientin in Augenschein. Hiernach habe sich die Orthese nicht nur unter der Hose deutlich als Fremdkörper abgezeichnet, sondern auch deren Metallteile seien im Knöchelbereich ohne Weiteres direkt sichtbar gewesen. Dies beim Sitzen, Gehen und auch beim Stehen der Patientin. Spätestens als sie das Bein der Patientin vor der MRT-Diagnostik auf die Untersuchungsliege legten, hätte den Mitarbeitern die metallische Beinorthese auffallen müssen – so die Bewertung der Nürnberger Richter.

Aufklärung unzureichend

Hinzu komme ein weiteres Mitverschulden des Radiologen: Weder er noch seine Mitarbeiter hätten die Patientin vor der Untersuchung „auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens hingewiesen“, so das OLG Nürnberg in den Entscheidungsgründen des Urteils. Zwar habe sich im Anamnesebogen der Hinweis befunden, dass Metallteile im Magnetfeld Unfälle herbeiführen und Karten mit Magnetstreifen gelöscht werden könnten. Jedoch sei der Patientin nicht deutlich gemacht worden, dass am Körper befindliche Metallgegenstände zu einer Fixierung des Patienten und der Erforderlichkeit einer Notabschaltung führen können. Dass damit Kosten in mittlerer fünfstelliger Höhe einhergingen, dies könne ein Patient als Laie nicht vorhersehen.

Praxistipp

Der Radiologe sollte die verwendeten Anamnese- und Aufklärungsbögen daraufhin überprüfen, ob dort nicht nur auf eine abstrakte „Unfallgefahr“ durch Metallgegenstände hingewiesen wird. Vielmehr sollte aus den Formulierungen eindeutig hervorgehen, dass Metallgegenstände zu einer Fixierung des Patienten und der Erforderlichkeit einer Notabschaltung führen können. Des Weiteren sollten die durch eine Notabschaltung entstehenden Kosten zumindest ungefähr benannt werden. Dies sollte sich der Radiologe vom Patienten unterschreiben lassen, um im eventuellen Schadensfall Ansprüche gegenüber dem Patienten geltend machen zu können. Und auch im Verhältnis gegenüber der eigenen Versicherung des Radiologen kann dies wichtig werden, damit diese dem Radiologen nicht den Vorwurf machen kann, Ansprüche gegenüber dem Patienten „verhindert zu haben“ und dadurch seiner Schadensminderungspflicht nicht nachgekommen zu sein.