Patientenrechtegesetz: Was ist neu, worauf müssen Sie sich einstellen?

von Rechtsanwalt Norman Langhoff, Fachanwalt für Medizinrecht, Berlin, www.rbs-partner.de

Am 1. Februar 2013 hat das Patientenrechtegesetz (PatRG) den Bundesrat passiert, nach seiner Verkündung im Bundes­gesetzblatt ist es nunmehr am 26. Februar in Kraft getreten. Der Gesetzgeber will vor allem (haftungsrechtliche) Transparenz und Rechtssicherheit für die am Behandlungsverhältnis Beteiligten schaffen, Verfahrensrechte von Patienten stärken und eine Fehlervermeidungskultur fördern. Dabei werden vor allem die bislang allein richterrechtlich konturierten Grundsätze des Arzthaftungsrechts im Bürger­lichen Gesetzbuch (BGB) zusammengefasst. Wirkliche inhaltliche Neuerungen sind damit nur in vergleichsweise geringem Umfang verbunden. Nachfolgend erfahren Sie, was sich geändert hat und wie Sie sich darauf einstellen können. 

Die wichtigsten Regelungen des Patientenrechtegesetzes

Im nachfolgenden Kasten sind die wichtigsten gesetzlichen Regelungen aufgeführt. Die Neuregelungen werden jeweils kursiv dargestellt. 

Patientenrechtegesetz: Die wichtigsten Regelungen für Radiologen

Behandlungsvertrag (§ 630a und b BGB)  

  • Der Behandlungsvertrag wird mit den Hauptleistungspflichten Behandlungspflicht und Zahlungspflicht im BGB verankert.
  • Die Behandlung hat nach den zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden all­gemein anerkannten fachlichen Standards zu erfolgen, soweit nichts anderes vereinbart ist.

Informationspflichten (§ 630c BGB)  

  • Es hat eine umfassende und verständliche Aufklärung über alle wesent­lichen Umstände der Behandlung (insbesondere Diagnose, voraussichtliche gesundheitliche Entwicklung, beabsichtigte Therapien und die im Anschluss zu erbringenden Leistungen) zu erfolgen. Dies gilt auch für den Verlauf der Behandlung.
  • Es hat eine therapeutische Aufklärung zu erfolgen.
  • Der Patient ist auf Nachfrage oder bei bestehenden gesundheitlichen ­Gefahren über Umstände, die auf einen Behandlungsfehler hindeuten, zu informieren.
  • Der Patient ist in Textform über die voraussichtlichen Kosten vor Behandlungsbeginn zu informieren, wenn die Kostenübernahme durch einen Dritten bekanntermaßen oder erkennbarerweise nicht gesichert ist.
  • Keine Informationspflicht besteht in Ausnahmefällen bei besonderen Umständen, insbesondere wenn die Behandlung unaufschiebbar ist oder der Patient ausdrücklich darauf verzichtet hat.

Einwilligung und Aufklärungspflicht (§§ 630d, 630e BGB)  

  • Vor dem Eingriff ist die Einwilligung durch den Patienten bzw., falls dieser nicht einwilligungsfähig ist, durch einen Berechtigten einzuholen.
  • Über einwilligungsbedürftige Eingriffe muss rechtzeitig, umfassend und verständlich aufgeklärt werden. Die Aufklärung muss die konkrete Maßnahme und mögliche Risiken, zu erwartende Folgen sowie ihre Notwendigkeit, Dringlichkeit, Eignung und Erfolgsaussichten im Hinblick auf die Diagnose oder Therapie umfassen.
  • Dem Patienten sind Kopien der Unterlagen, die einen Zusammenhang mit der Aufklärung und Einwilligung haben, auszuhändigen.

Dokumentation (§ 630f BGB)  

  • Die Dokumentation muss in zeitlichem Zusammenhang mit der Maßnahme erfolgen; sie kann in Papierform oder elektronisch geführt werden und muss mindestens zehn Jahre aufbewahrt werden.
  • Berichtigungen und Änderungen von Eintragungen in der Patientenakte müssen den ursprünglichen Inhalt erkennen lassen.
  • Die Dokumentation umfasst die aus fachlicher Sicht wesentlichen Maßnahmen und Ergebnisse derzeitiger und künftiger Behandlungen, insbesondere Anamnese, Diagnosen, Untersuchungen, Untersuchungsergebnisse, Befunde, Therapien und ihre Wirkungen, Eingriffe und ihre Wirkungen, Einwilligungen, Aufklärungen, Arztbriefe.

Einsichtnahme in die Patientenakte (§ 630g BGB)  

  • Der Patient hat – bis auf wenige Ausnahmen – grundsätzlich unverzügliches Einsichtsrecht in seine vollständige Patientenakte.
  • Der Patient hat einen Anspruch auf Abschriften (Kopie) seiner papierbasierten oder elektronischen Akte gegen Übernahme der Kosten.

Beweislast bei Haftung für Behandlungs- und Aufklärungsfehler (§ 630h BGB)  

  • Der Behandelnde hat zu beweisen, dass er eine Einwilligung gemäß § 630d eingeholt und entsprechend den Anforderungen des § 630e aufgeklärt hat.
  • Hat der Behandelnde eine medizinisch gebotene wesentliche Maßnahme und ihr Ergebnis nicht in der Patientenakte aufgezeichnet oder hat er die Patientenakte nicht aufbewahrt, wird vermutet, dass er diese Maßnahme nicht durchgeführt hat.
  • Bei groben Behandlungsfehlern erfolgt eine Beweislastumkehr zugunsten des Patienten. Dann muss also der Arzt beweisen, dass sein Fehler nicht zu den vorhandenen Gesundheitsschäden geführt hat.

 

Behandlungsvertrag und ­Haftungsmaßstab

Gemäß § 630a Abs. 2 BGB ist die Behandlung „nach den zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden, allgemein anerkannten fachlichen Standards“ geschuldet; damit wird die Rechtsprechung zum dynamischen Facharztstandard umgesetzt, dessen Bestimmung jedoch etwas „verunklart“. In der Gesetzesbegründung wird zur Bestimmung unter Hinweis auf die Rechtsprechung auf „regelmäßig maßgebliche“ Leitlinien von Fachgesellschaften verwiesen. 

Die Rechtsprechung zur Verbindlichkeit von Richt- und Leitlinien trägt diesen Verweis jedoch nicht. Nach mehrheitlich vertretener Auffassung impliziert ein Verstoß gegen Leitlinien in der Regel nicht das Vorliegen eines Behandlungsfehlers; Leitlinien, Empfehlungen und insbesondere Richtlinien können sich jedoch zum Standard entwickeln. Abweichungen von Leitlinien sollten jedoch dokumentierend begründet werden. 

Aufklärungs- und Informationspflichten

Die Informationspflicht enthält neben der Aufklärung über therapeutisch erforderliches Verhalten (Sicherungsaufklärung) auch die – ebenfalls schon jetzt bekannte – wirtschaftliche Aufklärung über die Behandlungskosten. Diese hat in Textform – also auch E -Mail oder CD-ROM – immer dann zu erfolgen, wenn der Behandelnde weiß, „dass eine vollständige Kostenübernahme durch einen Dritten nicht gesichert ist oder sich hierfür hinreichende Anhaltspunkte ergeben“. 

Aufklärung über Behandlungsfehler

Nach § 630c Abs. 2 Satz 2 BGB ist der Patient bei entsprechender Erkennbarkeit vom Arzt über einen möglichen Behandlungsfehler zu informieren, wenn der Patient explizit danach fragt oder die Information zur Abwendung gesundheitlicher Gefahren notwendig ist. Zum Hinweis auf Aufklärungsversäumnisse oder organisatorische Fehler besteht nach dem Gesetzeswortlaut keine entsprechende Pflicht. 

Zwar sieht der Gesetzesentwurf einen neugeschaffenen Schutzmechanismus mit Blick auf den strafrechtlichen Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit vor (§ 630c Abs. 3 Satz 3 BGB); Friktionen zum Arbeits- (fehlerbedingte Abmahnung oder Kündigung?) und Versicherungsrecht (Verlust des Versicherungsschutzes?) scheinen dennoch möglich und begründen möglicherweise Gestaltungsbedarf. 

Dokumentation, Einsichtsrecht

Die §§ 630f und 630g BGB kodifizieren bereits geltendes Recht. Bedeutsam ist jedoch, dass bei (weiterhin zulässigen) Berichtigungen und Änderungen der Dokumentation deren ursprünglicher Inhalt erkennbar bleiben muss, was gerade bei Führung elektronischer Patientenakten äußerst relevant ist. Verstöße gegen die Dokumentationspflicht wirken sich nämlich gemäß § 630h Abs. 3 BGB – wie bislang auch – beweisrechtlich ­zulasten des Behandlers aus: 

Fazit

Im Patientenrechtegesetz wird vor allem bestehendes Richterrecht verankert. Verschärfend wirkt insbesondere die Verpflichtung, unter bestimmten Voraussetzungen auf – auch eigene – Behandlungsfehler hinzuweisen. Die Anforderungen an die wirtschaftliche Aufklärung könnten steigen. Bei Führung elektronischer Patientenakten ist sicherzustellen, dass nach nachträglich vorgenommenen Änderungen vorangehende Einträge sichtbar bleiben, anderenfalls drohen prozessuale Nachteile. 

Insbesondere für Radiologen ist bedeutsam, dass unter anderem die von der Rechtsprechung entwickelte Beweislastumkehr für bestimmte einfache Befunderhebungsfehler ausdrücklich festgeschrieben wird.