Patient kommt nicht zum vereinbarten Termin: Hat der Radiologe Anspruch auf Ausfallhonorar?

von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Rainer Hellweg, Kanzlei Schroeder-Printzen, Kaufmann & Kollegen, Hannover, www.armedis.de

Mit jetzt veröffentlichtem Urteil vom 9. Februar 2012 (Az: 9 C 566/11) hat das Amtsgericht (AG) Bremen die Vergütungsklage eines Arztes gegen einen Patienten wegen kurzfristiger Stornierung des telefonisch vereinbarten Praxistermins zurückgewiesen. Hierzu gab es allerdings in der Vergangenheit auch einige positive Gerichtsentscheidungen zugunsten der Ärzteschaft. Unter welchen Voraussetzungen ein Ausfallhonorar verlangt werden kann, wenn ein Patient zum vereinbarten Termin nicht erscheint, zeigt der folgende Artikel auf. 

AG Bremen: Terminabsprache ohne rechtsverbindlichen Charakter

In dem vor dem AG Bremen verhandelten Fall hatte eine Naturheilkunde praktizierende Ärztin gegen den Patienten Zivilklage erhoben. Der über Rückenschmerzen klagende Patient hatte telefonisch einen Behandlungstermin vereinbart, wobei er zuvor bei der Ärztin noch nicht in Behandlung gewesen war. Nach kurzfristiger Stornierung des Termins durch den Patienten kam es gar nicht mehr zu einer ärztlichen Behandlung. 

In dieser Sachverhaltskonstellation billigte das AG Bremen dem Patienten ein Recht zur jederzeitigen Terminstornierung zu. Das Gericht stellte sich auf den Standpunkt, Terminabsprachen hätten bloß ­einen organisatorischen, aber keinen rechtsverbindlichen Inhalt. 

Im Umkehrschluss wurde argumentiert, dass sich Ärzte, wenn diese vereinbarte Termine nicht zeitgenau einhalten würden, auch nicht schadenersatzpflichtig machen wollten. Insbesondere weil im vorliegenden Fall mangels erfolgter Behandlung noch kein Vertragsverhältnis bestanden habe, könne die Ärztin keinen Schadenersatzanspruch wegen Vertragspflichtverletzung des Patienten geltend machen. 

Die Rechtslage: Völlig unterschiedliche Urteile

Zu der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen bei nicht eingehaltenen Terminen der Arzt vom Patienten ein Ausfallhonorar beanspruchen kann, gibt es zahlreiche und völlig pergierende Gerichtsentscheidungen. 

Beispiel 1: Arztfreundliche ­Entscheidung des AG Nettetal

Mit Urteil vom 12. September 2006 (Az: 17 C 71/03) sprach das AG Nettetal einem Arzt einen Anspruch auf entgangenes Honorar gegenüber dem Patienten zu, der unentschuldigt nicht erschienen war. Das Gericht leitete dies aus der im dortigen Fall vom ­Patienten im Vorhinein unterzeichneten Behandlungsvereinbarung ab. Diese konstituierte eine Schadenersatzpflicht bei nicht oder nicht rechtszeitig vorher erfolgter Terminabsage. Aufgrund dieser Vertragsklausel mit einer Absagefrist von 48 Stunden gab das Gericht der Klage des Arztes statt. 

Beispiel 2: Ungünstiges Urteil des OLG Stuttgart

Ebenfalls bejaht wurde eine Vertragspflichtverletzung des Patienten durch das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart im Urteil vom 17. April 2007 (Az: 1 U 154/06). Im dortigen Fall hatte der Patient entgegen der ausdrücklichen Bitte im Anamneseformular, Termine nicht innerhalb der letzten 24 Stunden abzusagen, lediglich vier Stunden vor der geplanten Behandlung über seine Verhinderung informiert, obwohl ihm eine rechtzeitige Absage möglich gewesen wäre. 

Trotzdem wies das Gericht die Klage des MKG-Chirurgen im Ergebnis ab, da dieser den Verdienstausfall wegen der verspäteten Absage nicht schlüssig dargelegt habe. Er hätte plausibel machen müssen, dass er bei rechtzeitiger Termin­absage einen anderen Patienten hätte behandeln können und behandelt hätte, den er tatsächlich nicht behandeln konnte. Das Vorbringen des Arztes zum hypothetischen Geschehensablauf war dem Gericht nicht konkret und substanziiert genug. 

Schwierigkeiten der Beweisführung durch den Arzt

Regelmäßig wird der Arzt in solchen Prozessen zwei Hürden zu überwinden haben: Zum einen muss die verspätete oder gar nicht erfolgte Terminabsage durch den Patienten schuldhaft erfolgt sein. Hier kann der Patient zur Entlastung etwa einen plötzlichen Unglücksfall oder dergleichen vorbringen. Zwar trifft diesbezüglich den Patienten die Darlegungs- und Beweislast im Prozess. Allerdings wird der Arzt in vielen Fällen vorprozessual kaum prognostizieren können, welche Behauptungen und Beweismittel der Patient im Laufe des Verfahrens anführen wird. 

Zum anderen muss der Arzt – wie die obige Entscheidung aus Stuttgart zeigt – einen Verdienstausfall konkret belegen können. Hierfür hat der Arzt plausibel darzulegen, dass er bei rechtzeitiger Absage des Patienten etwa 24 Stunden vorher noch einen anderen Patienten hätte einbestellen können. Dieser Nachweis wird bei einer radiologischen Bestellpraxis, wo auf kurzfristige Absagen häufig nicht mehr reagiert werden kann, vielfach nicht einfach zu führen sein. 

Fazit: Allgemeine Schlüsse kaum möglich

Aus der Vielzahl der aus Ärztesicht sowohl positiven als auch negativen Gerichtsentscheidungen lassen sich kaum allgemeine Schlüsse ziehen. Letztlich muss man sagen, dass die Erfolgsaussichten eines Prozesses für den Arzt wesentlich davon abhängen, an welches Gericht und an welchen Richter man gerät. 

Praxistipp: Empfehlenswert ist jedenfalls, wenn mit einem schriftlichen Behandlungsvertrag gearbeitet wird, der eine Absagefrist von etwa 24 oder 48 Stunden benennt und bei Verstoß eine Schadenersatzpflicht des Patienten konsti­tuiert.