OVG bestätigt Entzug der Approbation nach Abrechnungsbetrug

von RA Dr. Fabian Dorra, Kanzlei Dierks + Bohle Rechtsanwälte, Berlin, www.db-law.de 

Die Approbation ist einem Arzt wegen Unwürdigkeit zu entziehen, wenn seine Verfehlungen geeignet sind, das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Berufsstand nachhaltig zu erschüttern. Eine finanzielle Zwangslage als Grund für das Fehlverhalten oder ein eventuell nur geringes Strafmaß bei einer Verurteilung wegen Betrugs sind in diesem Zusammenhang unerheblich. So hat das Oberverwaltungsgericht [OVG] Lüneburg in einem Beschluss vom 23. Juli 2014 entschieden (Az. 8 LA 142/13).

Der Fall 

Nach einem anonymen Hinweis hatte die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Niedersachsen im Jahr 2009 die Abrechnungen eines Vertragsarztes überprüft und eine die Werte der Vergleichsgruppe erheblich überschreitende Abrechnungsfrequenz der unvorhergesehenen Inanspruchnahmen und dringenden Besuche festgestellt. Eine von der AOK Niedersachsen durchgeführte stichprobenartige Befragung von 15 Patienten des Arztes ergab, dass er etliche der in den Jahren 2007 und 2008 abgerechneten Leistungen tatsächlich nicht erbracht hatte. Die KV forderte im Weiteren von dem Arzt mehr als 200.000 Euro zurück.

Geldstrafe wegen Betrugs 

Im nachfolgenden strafrechtlichen Ermittlungsverfahren ließ sich der Arzt dahingehend ein, dass er bestimmte Leistungen teilweise falsch abgerechnet hatte. Anfangs habe er erst Tage nach einer Behandlung oder zum Quartalsende die Leistungen nachgetragen und dabei teilweise Schätzungen vorgenommen. Nachdem diese nicht beanstandet worden seien, habe er in vielen Fällen eine Behandlung als Notfall deklariert und die Notfallziffern abgerechnet. Auslöser seines Fehlverhaltens sei eine wirtschaftliche Zwangslage gewesen.

Das Amtsgericht (AG) verhängte gegen den Arzt mit rechtskräftigem Strafbefehl nur eine Gesamtgeldstrafe wegen (Abrechnungs-)Betrugs in elf Fällen im Zeitraum von 2007 bis 2009. Im Übrigen wurde die Strafverfolgung eingestellt.

Approbationsentzug und Klage dagegen 

Dem Urteil zeitlich nachgelagert entzog die zuständige Landesbehörde dem Arzt die Approbation wegen Berufsunwürdigkeit. Im Rahmen der vorhergehenden Anhörung hatte der Arzt signalisiert, dass er einen Teilbetrag der Rückforderung der KV anerkenne und ihm ein Betrag von etwa 100.000 Euro akzeptabel erscheine.

Gegen den Entzug der Approbation erhob der Arzt Klage, die zunächst vom Verwaltungsgericht Hannover mit Urteil vom 26. Juni 2013 abgewiesen wurde und nunmehr auch vor dem OVG Lüneburg scheiterte, das die Zulassung der Berufung ablehnte.

Die Entscheidung des OVG: Wann ist ein Arzt berufsunwürdig? 

In seinen Urteilsgründen führte das OVG aus, ein Entzug der Approbation wegen Unwürdigkeit könne nur bei gravierenden Verfehlungen erfolgen, die geeignet sind, das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Berufsstand nachhaltig zu erschüttern.

Dazu gehörten auch bewusst fehlerhaft überhöhte Abrechnungen von Ärzten gegenüber Patienten und Krankenkassen, die über einen langen Zeitraum in einer Vielzahl von Einzelfällen und/oder mit einem hohen Schadensbetrag vorgenommen worden sind. Schon aufgrund der Einlassungen des Arztes im Ermittlungs- und im Anhörungsverfahren habe festgestellt werden können, dass er über einen Zeitraum von mehr als vier Jahren in vielen Fällen nicht erbrachte Leistungen gegenüber der KV abgerechnet und so Honorare in Höhe von mehr als 100.000 Euro zu Unrecht erhalten hat. Dieses Fehlverhalten wiege offensichtlich, und ohne dass es auf einen Nachweis einzelner, konkreter Abrechnungsfehler ankäme, schwer.

Weiter führte das Gericht aus:

  • Auch sei es unerheblich, dass nur ein geringer Teil des Fehlverhaltens strafrechtlich geahndet wurde und im Übrigen von der Strafverfolgung abgesehen worden ist.
  • Es entschuldige den Arzt zudem nicht, wenn sein Fehlverhalten auf eine finanzielle, von ihm nicht verschuldete Zwangslage zurückzuführen gewesen ist. Es bestätige vielmehr die Annahme seiner Unwürdigkeit, dass er in nicht zu verantwortender Weise bereit gewesen sei, seine eigenen finanziellen Interessen über die finanziellen Interessen der Patienten und der Versichertengemeinschaft zu stellen.
  • Dass der Arzt sich aktiv an der Tataufarbeitung beteiligte und keine neuen Vorwürfe mehr gegen ihn erhoben wurden, stehe der Annahme der Unwürdigkeit nicht entgegen, da einem Wohlverhaten, das unter dem Druck eines schwebenden behördlichen Verfahrens an den Tag gelegt wird, regelmäßig kein besonderer Wert beizumessen sei.
  • Der Widerruf sei schließlich auch nicht unverhältnismäßig, obwohl er im Hinblick auf das Alter des Arztes einem endgültigen Berufsverbot gleichkomme, da eine Abmilderung der Folgen des Eingriffs in die Berufsfreiheit durch eine spätere Wiedererteilung der Approbation faktisch nicht mehr in Betracht komme. Denn bei der Beurteilung der Unwürdigkeit eines Arztes für die weitere Berufsausübung könne bei älteren Ärzten kein anderer Maßstab angelegt werden als bei jüngeren Ärzten.